"Ich will eine angenehme Atmosphäre schaffen, ich will, dass sich die Leute, mit denen ich rede, wohlfühlen. Ich bin nicht Armin Wolf, ich mache keine investigativen Interviews, ich versuche auch niemand aufs Glatteis zu führen.“
Powerlunch

Ein Gang mit … Conny Bischofberger

Conny Bischofberger hat laut ihrer Wikipedia-Seite mehr als 1000 Interviews geführt und sich einen Ruf als die netteste Fragestellerin des Landes erarbeitet. Nur eines würde die „Krone“-Journalistin niemals tun: Interviews beim Essen führen.

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Und plötzlich steht der Kellner da und bringt ein neues Messer, ein gewaltiges Gerät: schwarzer Holzgriff, lange, spitze und ziemlich scharfe Klinge. Es ist ein Messer, mit dem man einen Truthahn zerlegen kann, einen Sonntagsbraten oder zumindest ein Steak, sogar eines, das sich von „well done“ schon in Richtung „Schuhsohle“ verabschiedet hat. Aber das kann eigentlich nicht stimmen, es kann nicht für uns sein, vor uns stehen nämlich ein Tafelspitz mit Cremespinat und Rösti (25 Euro) und Melanzani, im Ofen gebraten (23 Euro). Wenn in der Küche nichts gravierend danebengegangen ist, dann sollte beides so butterweich sein, dass man es mit dem Löffel essen könnte, oder zumindest mit dem Buttermesser. Aber nein, sagt der Kellner, das passt schon so, und dann schiebt er Conny Bischofberger langsam das Tranchiermesser neben den Melanzani-Teller. Sollte das eine Anspielung sein?

Als Journalistin arbeitet Bischofberger mit dem ganz, ganz großen Besteck. Seit mehr als 30 Jahren ist sie, nur von kurzen Episoden unterbrochen, bei der „Kronen Zeitung“, davor und dazwischen war sie beim „Kurier“, immer zuständig für die Interviews, die großen Gespräche, die großen Gefühle. Bei Bischofberger kamen Terroropfer genauso zu Wort wie FPÖ-Politiker, die von Forschungsreisen zu den Taliban zurückkehrten. Wer auch immer in Österreich etwas Außergewöhnliches erlebt hat, wer Minister wird, bei Olympia gewinnt, wer verlassen wird oder einen neuen Sponsorendeal zu verarbeiten hat, der redet traditionellerweise zuerst mit Conny Bischofberger und der Sonntags-„Krone“: „Mein Ehrgeiz ist, die Leute zu bekommen, die gerade alle interessieren, und ihnen dann die Fragen zu stellen, die sich meine Leser auch stellen.“

Wer auch immer in Österreich etwas Außergewöhnliches erlebt hat, wer Minister wird, bei Olympia gewinnt, wer verlassen wird oder einen neuen Sponsorendeal zu verarbeiten hat, der redet traditionellerweise zuerst mit Conny Bischofberger.

Aber wie bringt man die Menschen dazu, private und manchmal auch intime Dinge zu erzählen, die danach zwei Millionen Menschen beim Frühstück lesen oder, wahrscheinlich genauso oft: am Klo? „Vorbereitung“, sagt Bischofberger, „Vorbereitung ist das Wichtigste. Bevor ich jemand interviewe, lese ich alles, was es über die Person zu lesen gibt. Ich habe meistens schon eine Ahnung, was die Menschen normalerweise antworten. Ein Interview ist sehr viel Arbeit, es ist eigentlich eine der schwierigsten Formen von Journalismus, das glauben aber viele Kollegen nicht, die einfach hingehen und drauflos reden.“ Ich merke, dass ich leicht erröte und schiebe mein Notizbuch näher in Richtung Tischmitte. Hoffentlich sieht sie, dass da zumindest ein paar Themen notiert sind, wenn ich schon keinen Fragenkatalog am Tisch habe.

Wir sitzen beim Stadtwirt, einem dieser Lokale am Rande der Wiener Innenstadt, die traditionell mittags voller sind als am Abend, weil rundherum Ministerien, Finanzämter und Justizzentren sind und Beamte offenbar immer noch ein Anrecht auf eine bezahlte Mittagspause haben. „Man muss vor einem Interview immer verstehen, warum die Person überhaupt mit einem spricht“, sagt sie. Bischofberger sitzt auf einem höheren Tisch gleich beim Eingang und nippt an ihrem Spritz, von ihrer Position aus hat sie einen guten Blick über das Lokal. Sie kommt gerne hierher, ihre Wohnung ist gleich ums Eck, aber normalerweise eher nicht zu Mittag, sie ist nämlich keine große Mittagesserin. Vor allem würde sie niemals beim Essen arbeiten und schon gar keine Interviews führen, sagt sie jetzt: „Essen lenkt vom Gespräch viel zu sehr ab, da sind die Menschen nicht konzentriert.“ Wieder werde ich rot, nehme nur noch schnell ein paar Bissen Tafelspitz, den man übrigens auch eher nicht mit dem Buttermesser zerteilen kann, und schiebe dann den Teller von mir.

Was sie in 30 Jahren Interviews über Menschen gelernt hat? Bischofberger greift zum Steakmesser, sieht es an, grübelt, legt es dann wieder weg und stochert mit der Gabel in ihrem Ofengemüse herum. Dass Menschen oft lügen und dass das für ein Interview aber gar kein Problem ist, weil eine Lüge über einen Menschen ja auch sehr viel verrät. Dass Gespräche kurz sein müssen, weil sich Menschen sonst wiederholen, darum hört sie auch keine ausschweifenden Podcasts und schaut keine Sommergespräche. Außerdem seien Politiker die „langweiligsten Gesprächspartner, weil sie oft nur erwartbare Antworten geben“, und es sei deswegen spannender, mit Menschen zu sprechen, die zwar ein Anliegen, aber keine Plattform haben, weil dann ein Interview auch etwas bewirken kann. Sie sagt das sehr ruhig, sehr leise, sehr freundlich, überhaupt ist Conny Bischofberger eine sehr nette Person und ganz und gar nicht so, wie man sich jemand vorstellt, der mit der Kraft der „Krone“ ausgestattet ist. Sie ist bei allem, was sie sagt, sehr vorsichtig, und man merkt, dass sie sehr viel öfter Interviews führt als gibt. Vor allem dann, wenn ihr dann doch manchmal eine kleine Gemeinheit oder Indiskretion herausrutscht. Da sagt sie schneller „Das war jetzt nicht für das Interview“, als ein normaler Mensch sein Aufnahmegerät einschalten kann. Sie ist eben Profi.

Bischofberger-Interviews sind zwar formal so etwas wie ein verschriftlichtes „Frühstück bei mir“, nur ohne Marmeladensemmeln und dankenswerterweise auch ohne Coldplay, aber genau das macht es für die Interviewten auch so schwierig, sagen Pressesprecher, die schon länger im Geschäft sind.

Bischofberger ist eine Meisterin des netten Geplauders: „Ich will eine angenehme Atmosphäre schaffen, ich will, dass sich die Leute, mit denen ich rede, wohlfühlen. Ich bin nicht Armin Wolf, ich mache keine investigativen Interviews, ich versuche auch niemand aufs Glatteis zu führen.“ Wobei: Na ja. Bischofberger-Interviews sind zwar formal so etwas wie ein verschriftlichtes „Frühstück bei mir“, nur ohne Marmeladensemmeln und dankenswerterweise auch ohne Coldplay, aber genau das macht es für die Interviewten auch so schwierig, sagen Pressesprecher, die schon länger im Geschäft sind: Man plaudert und plaudert und glaubt nicht, dass man irgendwas Unüberlegtes gesagt hat, bis man dann das Interview liest und feststellt – doch, man hat. Ob Bischofberger das weiß? Sie antwortet nur indirekt: „Ein Interview ist ein bisschen wie eine Mediation zwischen zwei Streitparteien. Da will man als Mediator auch nicht gewinnen, aber man versucht, die Menschen zu inspirieren, ihre wirkliche Geschichte zu erzählen.“ Bischofberger hat sich vor einiger Zeit zur Mediatorin ausbilden lassen, das sollte man an dieser Stelle dazusagen.

Wir sind mit dem Essen fertig, Bischofberger nimmt kein Dessert, sie muss heim, das Interview fürs nächste Wochenende wartet. Sie will als erste Journalistin mit Andreas Mölzer nach dessen kuriosem Trip nach Kabul reden, und zum Zeitpunkt unseres Treffens ist noch nicht klar, ob Mölzer wirklich Bock darauf hat. (Hat er natürlich, und hätte er nicht, dann wäre es auch egal: Mölzer ist „Krone“-Kolumnist“, das erleichtert die Anbahnung). Bei Interviews sei Distanz wichtig, sagt sie noch: „Die Leser dürfen nie wissen, was ich von einem Gesprächspartner halte, darum ist mir die Äquidistanz auch so wichtig.“ Mit den allermeisten Gesprächspartnern sei sie per Sie, nur mit Niki Lauda sei das anders gewesen – und natürlich mit Sebastian Kurz. Mit dem ehemaligen Bundeskanzler, den sie „für ein Ausnahmetalent“ hält, hat sie ein Buch geschrieben, „da hat sich das Du einfach ergeben“. Ob sie seit damals Kurz besser versteht? Bischofberger zögert und sagt dann: „Ich weiß es nicht. Versteht irgendwer wirklich Sebastian Kurz? Er ist als Mensch schwer zu fassen, er gibt nur gewisse Dinge preis. Ich weiß nicht, ob irgendwer Sebastian Kurz wirklich durchschaut.“

Das ist ein Satz, für den man bei der Mediationsausbildung wohl kein goldenes Seziermesser bekommen würde.

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.