Zigarettenverbot? Emotionale Debatte und heikle Protokolle
Rauchen ist ungesund, das wissen Raucherinnen und Raucher. Selbst die Tabakindustrie ist sich bewusst, dass so manche ihrer Produkte gefährlich sein können. Die Folge: Die Zahl der Tabakkonsumentinnen und -konsumenten sinkt seit Jahren, die Branche versucht mit neuen Erfindungen wie E-Zigaretten und Nikotinbeutel neue Kundenschichten zu erreichen. Dennoch bleibt das Geschäft mit dem Rauchen lukrativ – besonders für den Staat.
Über zwei Milliarden Euro nahm der österreichische Fiskus zuletzt durch die Tabaksteuer ein. Im Durchschnitt gehen 75 Prozent des Preises einer Zigarettenschachtel ans Finanzministerium. Nach der Mineralölsteuer ist sie mittlerweile die zweitwichtigste Verbrauchssteuer. Das Paradoxe: Aus gesundheitsökonomischer Sicht hätte der Staat eigentlich ein Interesse daran, den Glimmstängel zu verbieten. Eine IHS-Studie aus dem Jahr 2018 im Auftrag der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse bezifferte die volkswirtschaftlichen Schäden des Rauchens auf 2,4 Milliarden Euro. Mediziner und Gesundheitsexperten fordern daher seit Jahrzehnten Maßnahmen, die das Rauchen weniger attraktiv zu machen. Das Rauchverbot in der Gastronomie war nur der Anfang, manche sprechen sich gar für ein komplettes Verbot aus – auch im Freien.
International gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Sachen Nichtraucherschutz den Ton an. In ihren Empfehlungen spricht sie sich für Maßnahmen wie einem schrittweisen Ausstieg aus dem Zigarettenverkauf, für Werbeverbote und sogar einem völligen Verbot der Filterzigarette aus.
Geleaktes EU-Papier
Werden auch auf EU-Ebene entsprechende Pläne gewälzt? Als Mitte Oktober ein internes EU-Dokument an deutsche Medien gelangte, sorgte das für Aufregung. Die „Bild“-Zeitung titelte: „Filter-Kippen droht das Aus: EU schlägt Zigaretten-Verbot vor!“ Kurz darauf sah sich die EU-Kommission gezwungen, zu beschwichtigen.
Hintergrund ist die bevorstehende WHO-Konferenz COP11, die Mitte November in Genf stattfindet. Dort wird über das „Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums“ (WHO-FCTC) konferiert, auch die EU wird daran teilnehmen. Zur Vorbereitung erarbeitet aktuell die Ratsarbeitsgruppe Gesundheitswesen, in der auch Österreich vertreten ist, ein gemeinsames Positionspapier.
Das von der „Bild“-Zeitung zitierte Geheimpapier ist ein Entwurf aus besagter Arbeitsgruppe. Es listet Positionsvorschläge zu den 16 Empfehlungen der WHO auf, die von einer „tobacco-free generation“ bis zu Preiskontrollen und einem möglichen Filterverbot reichen. Weitreichende Maßnahmen. Allerdings: Im Entwurfspapier heißt es lediglich, die Arbeitsgruppe „begrüße“ die WHO-Empfehlungen und „nehme die Empfehlungen der Expertengruppe zur Kenntnis“. Von einem Beschluss oder expliziten Zusage war zum damaligen Zeitpunkt keine Rede.
„Um es ganz klar zu sagen: Die Europäische Kommission plant nicht, Filterzigaretten zu verbieten“, teilte eine Sprecherin der Behörde nach ersten Meldungen über ein vermeintliches Zigarettenverbot mit. Nur die Kommission kann EU-Gesetze vorschlagen, die anschließend vom Europaparlament und den Mitgliedsstaaten beschlossen werden müssen.
Hintertür: Filterverbot?
Während also die EU-Kommission betont, kein Verbot zu planen, sorgt eine spezielle WHO-Empfehlung besonders für Aufsehen: das Verbot von Filtern. Ein solches Verbot käme faktisch einem Aus für Filterzigaretten gleich. Inhaltlich wäre diese Maßnahme aus Umweltschutzgründen argumentierbar. Hintergrund: Konventionelle Zigarettenfilter enthalten Mikroplastik. Bei achtlos weggeworfenen Zigarettenstummel könnten die Partikel der Filter dann in die Umwelt gelangen. Bis ein Filter in der freien Natur abgebaut wird, können 15 Jahre vergehen.
Doch wer in Österreich über ein solches Thema entscheidet, ist kompliziert. Das Gesundheitsministerium ist federführend bei den Gesundheitsagenden, verweist aber bei Verkaufsbeschränkungen für Tabak an das Finanzministerium (BMF), bei der Filterfrage an das Landwirtschaftsministerium (BMLUK) – das BMF verweist in der heiklen Frage wiederum auf die Zuständigkeit des Gesundheitsressorts.
Auf profil-Anfrage streicht das Gesundheitsministerium bereits umgesetzte Maßnahmen hervor, etwa Verkaufsbeschränkungen durch die staatliche Monopolverwaltung oder das bereits geltende Verbot von Aromastoffen. In einem weiteren EU-Arbeitspapier, das profil vorliegt, heißt es vage: „Österreich begrüßt den ausgewogenen Vorschlag für die gemeinsame Position und erachtet die Diskussion über neuartige und aufkommende Produkte im Zusammenhang mit Artikel 5.2 b FCTC sowie den Schutz von Kindern und Jugendlichen als besonders wichtig.“
„Aus abfallwirtschaftlicher Sicht wäre ein Verbot von Zigarettenfiltern überschießend“, heißt es auf Anfrage aus dem BMLUK. Damit spiegelt sich Standpunkt des Umweltressorts auch in der Position Österreichs in der EU wider. „Aus österreichischer Sicht erscheint es jedoch weder praktikabel noch erforderlich, in diesem Zusammenhang bestimmte Maßnahmen besonders hervorzuheben“, heißt es in einem Kommentar zu den Umweltauswirkungen des Tabakkonsums im EU-Arbeitspapier. Der Passus: „wie etwa Beschränkungen bei Herstellung, Import, Vertrieb und Verkauf oder das Verbot der Verwendung von Einwegkunststoffen in Tabak- und verwandten Produkten“ wurde als Vorschlag explizit gestrichen.
Streit um Bio-Filter
Geht es um Umweltschutz, befürwortet das BMLUK hingegen biologisch abbaubare Papierfilter ohne Mikroplastik – entgegen der Ansicht der WHO, die darin eine „Greenwashing“-Taktik sieht. Zwar könne die Industrie den Umstieg auf plastikfreie Filter unterstützen, doch das löst für die WHO keine Probleme. „Diese Fehlannahmen führen zu fortgesetztem Rauchen und ignorieren die gesundheitlichen Folgen sowie die Umweltauswirkungen“, heißt es in der Empfehlung. Statt auf Bio-Filter zu setzen, plädiert die WHO also für ein generelles Filterverbot. Dadurch könnten positive Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt rascher vorangetrieben werden.
Ob Österreich in allen Punkten der WHO-Empfehlungen zustimmen wird, bleibt von Seiten des Gesundheitsministeriums offen: „Weitere Tabakkontrollmaßnahmen können erst nach eingehender Prüfung angedacht werden.“ BMF und BMLUK ordnen sich laut Auskunft der Ministerien der Entscheidung des Gesundheitsressorts unter und werden eine allfällige Entscheidung „legistisch umsetzen“.
Wie viel Zustimmung die Vorschläge finden, wird sich Mitte November in Genf zeigen. Dass Österreich allen Empfehlungen folgen wird, ist angesichts sprudelnder Steuereinnahmen allerdings fraglich.