Ingrid Brodnig
#brodnig

Facebook als Black Box

Facebook verspricht mit der Wissenschaft zu kooperieren – und jetzt fiel auf: es sendete lückenhafte Daten an Forschende.

Drucken

Schriftgröße

Diese Schlagzeile erhielt zu wenig Aufmerksamkeit: Die „New York Times“ berichtete, dass Facebook fehlerhafte Daten an Wissenschafterinnen und Wissenschafter lieferte. Um die Tragweite der Meldung zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen: 2018 erlebte Facebook seinen bisher größten Skandal: die Cambridge-Analytica-Affäre. Das unseriöse Politik-Beratungsunternehmen Cambridge Analytica hatte die Daten von bis zu 87 Millionen Menschen via Facebook abgesaugt. Infolgedessen musste Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress aussagen – auch darüber, wie locker seine Plattform Daten an Dritte weitergibt.

Zunehmend begann Facebook, den Zugang zu seinen Daten einzuschränken – was aber die Frage aufwarf, ob Facebook gleichzeitig seriöse Wissenschaft behindert. Denn Forschende brauchen solche Daten, um zum Beispiel zu messen, wie viele Falschmeldungen auf der Plattform kursieren. Schließlich gab das Unternehmen eine Kooperation mit Forschungseinrichtungen bekannt: Es versprach, riesige Datenmengen für die Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Diese Partnerschaft heißt „Social Science One“.

Facebook hat sich damit gebrüstet, dass es Forschenden tiefen Einblick in Daten gibt.  Konkret hat es Forschenden einen Datensatz gegeben, der die gesamte US-amerikanische Facebook-Nutzerschaft umfassen sollte, aber rund die Hälfte aller US-amerikanischen Facebook-Benutzer fehlt darin. Dies wurde durch Zufall bemerkt. Manche Forschende können jetzt Monate ihrer Arbeit wegschmeißen, weil sie nur lückenhafte Information erhielten. Der italienische Wissenschafter Fabio Giglietto hat die Lücke entdeckt: Er vermutet, dass hier unabsichtlich ein Fehler passierte.

Das Ganze zeigt: Wir können nicht darauf vertrauen, dass Facebook in passender Weise Daten an die Wissenschaft weiterleitet – selbst bei einem freiwillig von Facebook eingerichteten Programm passiert ein derartiger Fehler. Wir brauchen staatliche Regulierung: Die EU soll vorschreiben, welche Daten große Plattformen für Forschung und auch Medienbehörden zur Verfügung stellen müssen. Und es soll eine Aufsicht geben, die kontrolliert, ob die gelieferten Daten auch vollständig sind.

Derzeit sind wir vom Wohlwollen von Facebook, YouTube und Co. abhängig, was wir über diese Netzwerke erfahren. Der aktuelle Vorfall verdeutlicht, dass das kein gutes System ist.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.