Ingrid Brodnig
#brodnig

Kommunikation in pandemischen Zeiten: Shoot the messenger!

Wie in der Corona-Debatte jene verhöhnt werden, die den Ernst der Lage kommunizieren – und schlimmstenfalls die Politik mitspielt.

Drucken

Schriftgröße

Ich muss noch mal auf die berühmte Aussage des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer eingehen, der meinte: „Mir ist klar, dass die Virologen sagen, ich übertreibe jetzt ein bisschen: ‚Am liebsten wäre mir, wenn jeder einzelne Salzburger und Österreicher in ein Zimmer eingesperrt ist. Weil da kann er sich nicht anstecken und er kann niemanden infizieren.‘ Er wird dann halt leider aus Depression sterben oder verhungern oder verdursten.“ Diese polemische Behauptung hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst – speziell bei Wissenschafter:innen.

Zwei Aspekte irritieren mich besonders: Es wird hier Virologinnen und Virologen unterstellt, sie wollen Menschen in Österreich regelrecht wegsperren. Das ist ein typischer Fall von „shooting the messenger“. Statt sich mit dem Inhalt einer schlechten Nachricht auseinanderzusetzen, wird die Person kritisiert, die die Nachricht auszusprechen gewagt hat. Ist ein Lockdown notwendig, haben wir das wohl nicht den Virologen und Virologinnen zu verdanken, die ihre Arbeit machen, sondern eher jenen Politiker:innen, die nicht rechtzeitig die Warnungen aus der Wissenschaft ernst nahmen.

Mein zweites Problem mit Haslauers Worten: Er gießt damit Öl ins Feuer der Maßnahmengegner:innen. Prompt folgen etwa Online-Postings, in denen es heißt, Haslauer sei im Gegensatz zu anderen „kein Coronapropagandist“. Das FPÖ-nahe Online-Medium „Wochenblick“ zitierte Haslauer auf Facebook und behauptete, Haslauer kritisiere „das Virologen-Diktat“. Fairerweise möchte ich anmerken: Haslauer hat seine polemische Aussage wohl nicht so extrem gemeint, wie manche Internetnutzer:innen, die die Ernsthaftigkeit des Coronavirus anzweifeln, diese nun interpretieren.

Doch wir leben in einer Zeit, in der Mediziner:innen aufgrund ihrer Arbeit Beleidigungen,  Drohungen erhalten. Wir leben in einer Zeit, in der wissenschaftliche Ergebnisse angezweifelt und Verschwörungsmythen verbreitet werden, etwa dass die Pandemie eine „Plandemie“ – also eine geplante Sache – sei. Natürlich hat Landeshauptmann Haslauer das Recht, „ein bisschen“ polemisch zu sein. Aber wir haben das Recht, seine Aussage deplatziert zu finden. Diese erweckt nicht gerade den Eindruck, als würde er den Ernst der Lage rechtzeitig erfassen und die Belastungen, denen Virologinnen und Virologen ausgesetzt sind, genügend ernst nehmen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.