Marco Wanda

Marco Wanda: „Ich bin dem Typen so dankbar, der ich war”

Marco Wanda, 38, hat mit Wanda Österreichs erfolgreichste Band gegründet. In seiner eben erschienen Autobiografie „Dass es uns überhaupt gegeben hat” beschreibt er ein Leben im Dauerrausch von Exzessen, Kreativität, Höhenflügen und Abstürzen. Im Interview spricht er darüber mit großer Vorsicht.

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Diese Ausgabe ist guten Nachrichten gewidmet. Zitat aus Ihrem Buch: „Also wurden sie (die Songtexte) auf eine verhaltene Weise hoffnungsvoll, auch wenn ich es selbst nicht war – ich war am Boden angekommen.“ Wie kann man sich aus der Bodenperspektive zur Hoffnung aufraffen?

Marco Wanda

Alles, was mir passiert ist, verdanke ich der Offenheit meines damals 21-jährigen Ichs. Und dieser junge Mensch war so gierig nach Begegnungen und wollte sich und sein Leben so unbedingt radikal verändern. Dieser Energie verdanke ich letzten Endes, dass ich hier sitze. Und der Offenheit des 21-jährigen Marco und all dieser Menschen, die auch meine Künstlergeneration definiert haben.

Sie beschreiben Wien als einen grauen und faden Ort in der Phase Ihres kreativen Erwachens.

Wanda

Vor allem im Underground ging es nach meinem Erleben um nichts. Die Bands haben mit dem Rücken zum Publikum gespielt, und ich wollte eigentlich nur alle anschreien und sagen: „Heast, wir sind dein Publikum, wir haben es verdient, dass du dich umdrehst und uns in die Augen schaust. Weil sonst verstehen wir gar nicht, was du von uns willst.“ Aber dann hatte ich das große Glück, dass ich nach und nach Menschen begegnet bin, die sich mit mir auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten. Rock’n’Roll ist ja in seinem Kern und in seinen Wurzeln eine Lebenseinstellung, die bemüht ist, Menschen zusammenzubringen und Energien freizusetzen.

Im Gegensatz zu anderen Künstlern hat ja Wanda mit dem Begriff Mainstream keine Berührungsängste.

Wanda

Meine ganze Generation wollte den Mainstream verändern. Wir wollten, dass die Werte des Undergrounds in den Mainstream überspringen. Und ich muss sagen, rückblickend bin ich stolz darauf, weil ich glaube, das ist uns tatsächlich gelungen.

Haben Sie schon einmal die KI mit der Aufforderung „Mach einen Song im Wanda-Stil“ konfrontiert?

Wanda

Ich habe gelesen, pro Anfrage auf ChatGPT braucht es einen halben Liter Wasser Kühlung für das System, deswegen nutze ich das nicht.

Also totale KI-Verweigerung?

Wanda

Ja, komplett.

Wird KI die Musikindustrie in Bedrängnis bringen?

Wanda

Eine Band, bestehend aus leidenschaftlichen Menschen in Fleisch und Blut – das kann eine Maschine niemals ersetzen. Davon bin ich überzeugt.

Sie beschreiben in dem Buch auch wirklich harte Phasen, wo man das Gefühl hat, dass dieser Ruhm wie eine Walze über euch drübergelaufen ist. Wann kam der Punkt, wo Sie sich sagten: So geht das tatsächlich nicht weiter, weil das überlebe ich nicht?

Wanda

Darüber möchte ich tatsächlich gar nicht reden.

Die in dem Buch geschilderten Exzesse beließen einen mit Erstaunen, wie produktiv ein Künstler bei diesem Alkoholkonsum sein kann.

Wanda

Wenn ich irgendwas bedauere, dann, dass ich auch über meinen Zenit getrunken habe. Ich bin mir sicher, dass in meinem Alkoholrausch auch ein paar möglicherweise sehr große Songs verschwunden sind. Am Ende habe ich meinem Talent dann doch mehr geschadet, als dass ich es gefördert habe. Um jetzt die vorletzte Frage zu beantworten: Ja, das war ein Grund aufzuhören, als mir das klar geworden ist.

Trinken Sie gar keinen Alkohol mehr?

Wanda

Nein, ich trinke keinen Alkohol mehr. Aber es folgt der Feststellung, dass ich nichts trinke, jetzt kein Appell. Ich bin da sehr vorsichtig. Wenn man ein Problem mit Alkohol hat, muss man sich Hilfe suchen. Aber ich werde das nicht öffentlich thematisieren. Ich will einfach gar nicht darüber reden, weil ich kein Experte bin, und für mich ist das Thema sehr ernst. In meinem Leben ist das ernst. Wenn das für jemand anderen auch so ist, muss er sich Hilfe suchen.

Sie schreiben, dass Sie der Letzte in der Band waren, der in Therapie gegangen ist.

Wanda

Ich habe gemerkt, dass es für eine Band nach zehn Jahren spätestens überlebensnotwendig ist, dass die Mitglieder sich einer Therapie stellen. Es hat unser Verhältnis untereinander auf eine neue Stufe gebracht. Das ist die Grundlage dafür, das noch mal zehn Jahre machen zu können.

Im Zuge der Erfolgswalze und des damit verbundenen Drucks schlich sich eine gewisse Achtlosigkeit im Miteinander ein?

Wanda

Ich würde sagen, vor allem eine Sprachlosigkeit. Es ist generell schwer, Worte für das zu finden, was wir alle erlebt haben. Aber es ist essenziell, dass man sie findet.

Haben Sie deswegen das Buch geschrieben?

Wanda

Das Buch zu schreiben, hatte unendlich viele Motivationen. Ich wollte einfach auch mich noch mal sehen, als ich jung war. Das war ein abgefahrenes Erlebnis. Und dann wollte ich auch diesem Land irgendwie aufzeigen, was hier passiert ist. Also wie herausragend diese unsere Künstlergeneration eigentlich ist.

Der Theatermacher Claus Peymann hat in einem profil-Interview gesagt: „Ihr Österreicher wisst überhaupt nicht, wie gut ihr seid. Ihr seid so viel begabter als wir Deutschen.“

Wanda

Ich freue mich einfach, Teil einer Generation gewesen zu sein, die sich ernst genommen hat. Und wir haben uns und das, was wir machen, sehr ernst genommen.

Bob Dylan wurde als alter Mann gefragt, wie seine genialen Anfangslieder entstanden sind. Seine Antwort lautete: „Wenn Sie mich fragen, wie ich die geschrieben habe, ich weiß es nicht mehr. Es war so, als ob mir da jemand meine Hand geführt hätte.“ Ging es Ihnen ähnlich?

Wanda

Ja, insbesondere bei den ersten zwei Alben. Da bin ich fast überzeugt davon, dass die von irgendwo zu mir kamen. Ich kann nicht mehr herleiten, was da genau passiert ist und warum ich in dieser Qualität auch zwei ganze Alben schreiben konnte, innerhalb von eigentlich wenigen Monaten. Das hat sich angefühlt, als würde man das Evangelium empfangen von irgendwo.

Und wer war der Absender dieses Evangeliums?

Wanda

Das möchte und kann ich gar nicht erklären. Ich kann nur anerkennen und für immer dankbar sein, dass mir das passiert ist.

Existieren Ängste vor dem Versiegen dieser Quelle?

Wanda

Das Schreiben ist mitunter die größte Liebe meines Lebens. Und das wird auch ewig so bleiben. Aber das, was mir zwischen 2011 und Ende 2013 passiert ist, das wird mir nie wieder passieren. Da bin ich mir im Klaren darüber. Das erlebt man nur ein Mal.

Dass man in einer kleinen Wohnung in der Porzellangasse sitzt und in kurzer Zeit Lieder rausfetzt, die in den Kanon der österreichischen Popgeschichte eingehen?

Wanda

Ja, dass man mehr oder weniger in wenigen Wochen Lieder schreibt, die Jahre später mehrfach mit Platin ausgezeichnet sind und so viele Menschen bewegen.

Wundert es Sie heute rückblickend noch immer?

Wanda

Ich bin dem Typ so dankbar, der ich war. Ich bin diesem Anfang 20-jährigen Marco für immer dankbar. Der hat sich wie auf einer heiligen Mission gesehen. Er wollte irgendwas bewegen, und er wollte Teil von etwas sein. Und jetzt kommt etwas ganz Kitschiges, Amerikanisches, aber ich habe gelernt: „Wenn man an etwas glaubt, wird es wahr.“ Ja, tatsächlich.

Das klingt so nach diesen esoterischen Menschen, die behaupten: „Du musst einen Brief ans Universum schreiben“, wenn man sich etwas wünscht.

Wanda

So würde ich es vielleicht nicht ausdrücken, aber ich meine wahrscheinlich dasselbe.

Angelika Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort