Das österreichische Fußball-Nationalteam posiert im HAppel-Stadion mit einem Transparent, auf dem steht: WM 2026: Das Crazy Oida!
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Nach der WM-Qualifikation: Erfolgsgeheimnisse und Baustellen

Warum Österreich erstmals seit 28 Jahren wieder zu einer WM fährt – aber dort wohl nicht Weltmeister wird. Die Bausteine des Erfolgs. Ein paar Baustellen. Und: Welche Chancen das Nationalteam tatsächlich hat.

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Ein Deutscher wurde zum Psychotherapeuten des österreichischen Fußballs – und befreite diesen von alten Traumata. Zuerst diese großkopferte Spielweise, dann der EM-Gruppensieg 2024 vor Frankreich und den Niederlanden; und jetzt fährt Ralf Rangnick mit Österreich auch noch zur WM – erstmals seit fast drei Jahrzehnten. Ganz nebenbei verhilft Rangnick jenen Fußballlegenden, die ihn immer wieder kritisiert hatten und lieber einen Österreicher beziehungsweise einen Haberer auf seinem Posten gesehen hätten, zur WM-Euphorie-Dauerpräsenz. Prohaska, Ogris, Krankl erklären nun beinahe minütlich und zähneknirschend, dass man Rangnick mögen kann oder nicht, aber Erfolg bringt er nun mal, der knorrige Piefke.

Dabei sah es fast so aus, als wäre Österreichs Fußball in seinem fast 30-jährigen WM-Abstinenz-Alptraum gefangen. Beim Grande Finale um die WM-Teilnahme gegen Bosnien kassierte das Nationalteam ein frühes Gegentor, bekam dann ein eigenes Tor aberkannt. Fehlendes Glück und ein bisserl Pech. So kannte man das.

Es ist nun aber doch etwas anders. Die Mannschaft wollte, ganz Rangnick-gehirngewaschen, einfach nicht aufgeben – und erzielte am Ende das erlösende 1:1. Marko Arnautović forderte schon Sekunden nach dem Abpfiff, den Freudentag zum gesetzlichen Feiertag zu erheben. „Die Leute sollen alle feiern. Das ist nicht nur unser Sieg, es ist auch euer Triumph.“ Nüchterner blieb Herbert Prohaska, der etwas angesäuert erklärte: „Wir haben nicht gewonnen – das Glück war, dass das Unentschieden gereicht hat.“

Österreich holte in acht Qualifikationspartien 19 von 24 Punkten, erzielte 22 Tore, kassierte nur vier. Wer makellose Perfektion erwartet hatte, wurde enttäuscht – aber so schlecht war das dann auch wieder nicht. Rangnicks Truppe ist zudem Kassenschlager. 1,4 Millionen Zuschauer verfolgten das Entscheidungsspiel im TV, 48.000 im Stadion, der ORF änderte tags darauf sein Hauptabendprogramm. Nun bricht sie über Österreich herein: die Euphorie-Welle, die schnell alle Grautöne wegspült.

profil analysiert die Bausteine des Erfolgs – und die Baustellen. Und: Welche Chancen Österreichs Fußballer bei der WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada tatsächlich haben.

Das österreichische Fußball-Nationalteam feiert im Happel-Stadion nach der Partie gegen Bosnien-Herzegowina
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Baustein 1: Der Trainer

Ralf Rangnick ist eine Art Anti-Österreicher. Er strebt immer nach mehr, sucht keine Ausreden – und setzt sich Ziele, die ihm selbst wahnwitzige Journalisten vom Schreibtisch aus nie und nimmer aufbürden würden. Rangnick wollte 2024 am liebsten Europameister werden. Nun will er wahrscheinlich Weltmeister werden.

Das war lange ganz anders. Der ÖFB stand für Duckmäusertum und Ausredenkultur. Die WM 2022 verpasste Österreich klar – und landete in der Qualifikations-Gruppe hinter Dänemark, Schottland und Israel (!) auf dem vierten Platz. In Israel ging man 2:5 unter. Der damalige Teamchef Franco Foda ließ meist übervorsichtig spielen, Sportdirektor Peter Schöttel meinte bloß resignierend, dass es ein neuer Teamchef ähnlich schwer haben werde, weil die Trainingslehrgänge eben nur aus ein paar vereinzelten Tagen bestünden. Sprich: Nichts zu machen!

Dann kam Rangnick – und bewies das Gegenteil.

Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.