Auf dem Foto ist Schriftsteller Franz Kafka neben einer großflächigen weißen Grafik, die eine Gabel, einen Teller, ein Messer und einen Löffel zeigt, zu sehen.zeigt.
Bild anzeigen

Schriftsteller Franz Kafka: Jede Nuss kaute er 42 Mal

Will man um die Essensgewohnheiten von Franz Kafka genauer Bescheid wissen? Unbedingt, wenn diese wie in der Rezeptsammlung „Kafkas Kochbuch“ kredenzt werden.

Drucken

Schriftgröße

Seine Tischgenossen trieb er in den Wahnsinn. Essenszeit in der Wohnung in der Prager Zeltnergasse: Franz Kafka aß Nüsse. Er kaute aber nicht. Kafka fletcherte. Jeden Bissen zerkleinerte er in der Mundhöhle gezählte 42 Mal, ehe der zermahlene Brei, gründlich eingespeichelt, Richtung Magen abfließen durfte.

Fletchern war Franz Kafka (1883–1924) heilig, sein Guru ein selbst ernannter US-Gesundheitsprediger namens Horace Fletcher, der das minutenlange Kauen jedes einzelnen Bissens (und jeder Flüssigkeit) propagierte und von sich selbst behauptete, mit 60 wieder jung geworden zu sein. Motto: „Die Natur wird dich plagen, verdaust du nicht vor dem Magen.“

Magenbeschwerden und Verdauungsprobleme quälten den Prager Juristen und in seinem Nachleben weltberühmten Schriftsteller zeit seines kurzen Lebens. Fletchern war der Versuch einer Selbsttherapie – und kaum verhohlene Provokation Vater Hermann gegenüber, mit dem Sohn Franz auf Basis wechselseitiger Fremdheit die Wohnung teilte. Während Franz nach Herzenslust die Nahrung in der Mundhöhle vorverdaute, hielt sich Hermann am Esstisch ostentativ die Zeitung vor die Nase oder stocherte im Schweinernen auf seinem Teller.

Dichtung und Dasein gehen bei Kafka verschlungene Wege. In der Erzählung „Ein Hungerkünstler“ ist zu lesen: „Eine Nuss aufknacken ist wahrhaftig keine Kunst, deshalb wird es auch niemand wagen, ein Publikum zusammenzurufen und vor ihm, um es zu unterhalten, Nüsse knacken.“

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.