The Bright Side by Sumit Paul-Choudhury review - harnessing the power of positive thinking

„Optimismus ist der beste Weg, die Probleme der Welt zu lösen“

Zum Optimisten wurde Sumit Paul-Choudhury ausgerechnet in der Nacht, als seine Frau starb, kürzlich erschien mit „The Bright Side“ sein faktenbasiertes Plädoyer für mehr Optimismus. Im Gespräch mit profil verrät der Wissenschaftspublizist, wie Zuversicht zu Fortschritt führt und warum er Elon Musk für einen wahren Optimisten hält.

Drucken

Schriftgröße

Der Zustand der Welt gibt Anlass zur Sorge. Erderhitzung und Naturkatastrophen, Kriege und Autoritarismus – wieso sollten wir optimistisch sein?

Sumit Paul-Choudhury

Weil das der beste Weg ist, die Probleme der Welt zu lösen. Optimismus, das zeige ich in meinem Buch, ist deutlich effektiver als Pessimismus. Bei beiden handelt es sich um selbsterfüllende Prophezeiungen. Wer glaubt, dass sowieso alles schlimmer wird, unternimmt nichts, um das zu verhindern, und sobald das Übel eintritt, heißt es dann: Seht ihr, ich wusste es doch. Optimisten neigen hingegen dazu, zumindest zu versuchen, die Dinge zu verbessern – und manchmal gelingt das auch.

Lassen sich weltumspannende Katastrophen wirklich durch Optimismus eindämmen?

Paul-Choudhury

Man hört oft, dass früher alles besser war, dass die Welt immer schlechter wird und es keinen Ausweg gibt. Doch das stimmt nicht. Statistisch gesehen werden wir heute älter, leben gesünder und sind weniger arm als je zuvor. Das bedeutet nicht, dass wir nicht vor gravierenden Problemen stehen. Doch unsere Fähigkeiten und unser Wissen sind enorm gewachsen. Wir wissen um das Problem des Klimawandels, weil wir ausgeklügelte Modelle entwickelt haben, und die Lösung ist denkbar einfach: die Reduktion der Emissionen. Die Herausforderung ist groß, doch wir haben die Fähigkeiten, die Probleme zu lösen.

Sumit Paul-Choudhury

Sumit Paul-Choudhury, 54,

war zehn Jahre lang Chefredakteur des angesehenen Wissenschaftsmagazins „New Scientist“. Heute erforscht der studierte Physiker in seinem Kreativbüro „Alternity“ Zukunftsszenarien und alternative Menschheitsgeschichten. Paul-Choudhury lebt mit seiner Familie in London. 

Was ist der Unterschied zwischen Optimismus, Hoffnung und naiver Schönfärberei?

Paul-Choudhury

Hoffnung ist ein religiöses Konzept, wir meinen damit in der Regel den Glauben daran, dass sich die Dinge bessern können. Optimismus war ursprünglich der Versuch, rational zu erklären, wieso man positiv auf die Welt blicken sollte. „Positivity“ ist ein jüngerer Begriff, es handelt sich dabei um den nahezu verleugnerischen Zugang, dass alles eine Frage der Einstellung wäre. Dieser Zugang ist der schädlichste, denn damit werden Probleme ignoriert. Die Dinge regeln sich eben nicht von selbst.

Wir müssen verstehen, dass es immer wieder zu unerwarteten positiven Überraschungen kommt. Das beste Beispiel ist die Entdeckung der Antibiotika.

Optimisten glauben also an die Fähigkeit des Menschen, Probleme zu lösen?

Paul-Choudhury

Ja. Damit Optimismus Sinn ergibt, braucht es den Glauben an wesentliche Dinge, darunter die Überzeugung, dass wir unsere Zukunft beeinflussen können. In der Klimadebatte gibt es eine Strömung, die meint, es sei ohnehin zu spät, da sei nichts mehr zu machen. Zweitens müssen wir verstehen, dass es immer wieder zu unerwarteten positiven Überraschungen kommt. Die Geschichte des menschlichen Fortschritts basiert teilweise darauf. Das beste Beispiel ist die Entdeckung der Antibiotika.

Der schottische Mediziner Alexander Fleming entdeckte Penicillin 1928 nach der Rückkehr aus dem Urlaub. Der Pilz, der bald viele Leben retten sollte, wuchs in einer im Labor vergessenen, unsauberen Petrischale.

Paul-Choudhury

Es war eines der bedeutendsten medizinischen Wunder überhaupt. Der Optimist glaubt daran, dass wir Dinge tun können, die solche positiven Überraschungen wahrscheinlicher machen. Dazu gehört die Grundlagenforschung, wie wir bei den mRNA-Impfstoffen gesehen haben. Die Grundsätze des Optimismus helfen nicht nur in der Forschung, sie können auch die Organisation unserer Gesellschaften verbessern. Im entwickelten Westen hatten wir im vergangenen Jahrhundert 50 ziemlich gute Jahre. Dabei haben wir vergessen, dass man Dinge auch anders angehen kann – doch genau das würde es jetzt brauchen. Wir sind nicht flexibel genug, unser Bild von der Welt ist zu eng geworden, es reicht nicht mehr aus, um die Probleme zu lösen. Wir haben unsre Unis zu Fabriken für die Schaffung von Arbeitsplätzen gemacht und die Bedeutung der Fantasie vergessen.

Die Politiker von heute sind die letzten Reste der alten Generation – und die neuen rücken langsam nach.

Gibt es heute weniger Optimisten, weil uns die Visionen ausgegangen sind?

Paul-Choudhury

Es gibt bestimmt einen Mangel an Visionen. Wir müssen als Gesellschaft Lösungen für die Probleme des 21. Jahrhunderts finden. Im letzten Jahrhundert haben wir uns stark verbessert, fanden aber keine Vision, die für uns funktioniert. Doch ich bin auch hier optimistisch. Die Politiker von heute sind die letzten Reste der alten Generation – und die neuen rücken langsam nach.

Umfragen zeigen auch in Österreich, dass eine Mehrheit der Menschen optimistisch auf ihre eigene Zukunft blickt, nicht aber auf jene des Landes und der gesamten Bevölkerung. Fällt uns positives Denken leichter, wenn es um uns selbst geht?

Paul-Choudhury

Ja. Die meisten Menschen sind optimistisch, was ihr eigenes Leben betrifft, alles andere wäre ein Anzeichen von schlechter geistiger Gesundheit. Die Einschätzung der Menschen ist wie ein Strahlenkranz: Er leuchtet hell, wenn es um uns selbst geht, um unsere Familie und Freunde. Auch das bevorzugte Fußballteam ist innerhalb des Strahlenkranzes, denn wir glauben gerne daran, dass es gewinnt. Auch Politiker wären gern dabei, denn sie hoffen, dass man ihnen zutraut, alles besser zu machen. Doch außerhalb dieses Strahlenkranzes suchen wir nach Besorgniserregendem – und finden es überall. Die heutige Medien- und Informationslandschaft ist gut darin, uns mit Sorgen zu überschütten. Die allermeisten Nachrichten sind kurzlebig und alarmierend. Es ist weitaus schwieriger, andere Geschichten zu erzählen und Menschen für weniger dramatische, positive Storys zu interessieren.

Sie schreiben in Ihrem Buch über große Optimisten, die die Welt verändert haben, darunter der US-Bürgerrechtler Martin Luther King. Gibt es solche Optimisten auch heute?

Paul-Choudhury

Erfolgreiche Optimisten sind mächtig, sie nehmen Leute mit auf ihre Reise. Einer von ihnen ist Elon Musk. Er hat eine Firma gegründet, die Mobilität revolutioniert und die Weltraumfahrt an sich gerissen. Es ist der reichste und wohl auch einer der mächtigsten Männer der Welt – obwohl er oft gescheitert ist. Musk hat Millionen Fans, und er glaubt an das Unmögliche. Als Optimistin bezeichnen kann man auch Greta Thunberg. Sie hat allein eine Bewegung gegründet und wurde zum Idol einer ganzen Generation.

Elon Musk zeigt beide Hände nach oben und lacht

Thunberg wirkt alles andere als optimistisch. Für viele sind ihre Warnungen eher abschreckend.

Paul-Choudhury

In der ersten Phase ihrer Karriere war sie durchaus zuversichtlich, dass sie etwas ändern kann. Es gibt oft einen Unterschied zwischen Sprechen und Handeln. Heute klingt Greta sehr negativ, das hilft dem Kampf gegen den Klimawandel nicht. Doch ihre Handlungen waren die Taten einer Optimistin.

Sehen Sie Optimisten in der Politik?

Paul-Choudhury

Nicht wirklich. US-Präsident Donald Trump ist in mancher Hinsicht ein großer Optimist, er verspricht Dinge, die er kaum einhalten kann, und er erfüllt viele Merkmale eines Optimisten. Doch er macht die Welt nicht zu einem besseren Ort. Einen solchen Politiker sehe ich derzeit nicht, aber ich bin optimistisch, dass jemand auftauchen wird.

Für Optimisten besteht die Gefahr, dem Größenwahn zu verfallen.

Trump hat versprochen, den Ukrainekrieg in einem Tag zu beenden und Amerika zu alter Größe zurückzuführen. Wie groß ist die Gefahr für Optimisten, dem Größenwahn zu verfallen?

Paul-Choudhury

Diese Gefahr besteht. Optimismus ist generell positiv, aber er birgt auch Gefahren. Auch blinder Optimismus, also die Ansicht, dass sich alles von selbst regeln wird, ist gefährlich. Deswegen vertrete ich einen kritischen Optimismus, bei dem man Probleme angehen muss.

Kann man auch bei ausweglos erscheinenden Kriegen wie jenem in Gaza optimistisch sein – und etwa daran glauben, dass am Ende etwas Positives herauskommt?

TOPSHOT-PALESTINIAN-ISRAEL-CONFLICT

Paul-Choudhury

Das kann ich nicht beurteilen, nur so viel: Man kann immer auf Frieden hoffen, aber nicht blind. Es wird viel Arbeit brauchen, etliche Kompromisse und vernünftige Entscheidungen. Davon ist derzeit leider nichts zu sehen. Ich kann an der Situation in Gaza nichts erkennen, das sich am Ende als gut herausstellen könnte.

Der erste Satz in Ihrem Buch lautet: „Zum Optimisten wurde ich in der Nacht, als meine Frau starb.“ Sie beschlossen, an eine bessere Zukunft glauben zu müssen, um aus der Verzweiflung herauszukommen. Das ist ziemlich stark, und Sie sind offenbar ausgesprochen resilient. Gibt es ein Thema, bei dem Ihnen der Optimismus abhandenkommt?

Paul-Choudhury

Nein, ich kann immer einen Grund konstruieren, optimistisch zu sein. Tief in meinem Herzen variiert der Grad meiner Überzeugung, doch ich bin stets zuversichtlich. Das gilt auch für den Klimawandel. Viele Menschen werden unter den Folgen der Erderhitzung leiden, doch am Ende werden wir das Problem in den Griff kriegen.

46-217784777

Sumit Paul-Choudhury: The Bright Side.

Eine optimistische Geschichte der Menschheit. Kjona Verlag. 384 S., EUR 25,–

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.