Schon vor Saisonbeginn wurde die grün-weiße Ambition deutlich. Da wollte Rapid den heimischen Superstar Marko Arnautović verpflichten und ihm ein Jahresgehalt von mehr als drei Millionen Euro brutto bezahlen. Ein für österreichische Verhältnisse unüblich üppiges Salär. Am Ende zerschlug sich der Transfer, trotzdem machte das Bestreben deutlich: Rapid will heuer hoch hinaus. Und hat auch das nötige Kleingeld dafür.
Die Rapid-Bosse um Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz und Milliardär Michael Tojner hatten den Fans bei ihrem Amtsantritt vor drei Jahren versprochen, „alles dem sportlichen Erfolg unterzuordnen“. Doch das war nicht so einfach. Red Bull Salzburg erwirtschaftete in der Saison 2023/24 182 Millionen Euro, Rapid bloß ein Viertel. Auch Sturm Graz hatte Rapid mit Millionentransfers und Europacup-Geldern abgehängt. Tojner überlegte 2023 im profil, „30 Prozent der Rapid GmbH abzugeben und damit 20 bis 30 Millionen für den Verein zu mobilisieren“. Doch die Mitglieder legten sich quer. Nun spielt man das Geld über andere Wege ein.
Rapid hat – Europacup-Einnahmen und Transfererlöse zusammengerechnet – in den letzten Monaten fast 40 Millionen Euro eingenommen. Allein die Verkäufe der beiden 23-jährigen Kicker Mamadou Sangaré und Isak Jansson spülten zuletzt knapp 19 Millionen in die Klubkassa. Erworben hatte man sie um bloß ein Zehntel dieser Summe.
Der Mann hinter dem finanziellen Aufschwung heißt Markus Katzer. Der Rapid-Sportdirektor ist seit 2023 im Amt und hat seither einiges bewegt. Katzer hat das Scouting verändert und junge, talentierte Kicker mit hohem Wiederverkaufswert geangelt. Einst spielte der 45-Jährige selbst für Rapid, doch er vermeidet konsequent den Eindruck, einen Versorgungsposten innezuhaben; trägt feinen Zwirn statt Trainingsanzug und spricht von „Marktwerten“, die er entwickeln wolle. Und das Geschäft mit den Rohdiamanten funktioniert.
Einen Teil der eingenommenen Millionen steckte Rapid sofort wieder in neue Spieler. Der Norweger Tobias Gulliksen wurde um knapp vier Millionen Euro verpflichtet – der teuerste Einkauf in der 126-jährigen Vereinsgeschichte. Dazu wechselten Martin Ndzie (2,5 Millionen), Petter Nosa Dahl (1,5 Millionen) und Marco Tilio (1,5 Millionen) nach Wien. Finanziell sei es „eine der besten Zeiten für Rapid“, erklärte Präsident Wrabetz. „Wir sind in eine Größenordnung gekommen, in der wir noch nie waren.“
Nun soll das Geld auch in Titel verwandelt werden. Dafür wurde ein erfahrener Trainer verpflichtet. Peter Stöger, 59, hat bereits den 1. FC Köln und Borussia Dortmund trainiert. Im Gegensatz zum ständig brodelnden Rapid-Umfeld strahlt Stöger weltmännische Ruhe und Gelassenheit aus. Rapid sei „eine große Herausforderung, die mich wahnsinnig reizt“, erklärte Stöger, der vor zwölf Jahren den Stadtrivalen Austria Wien zu dessen letztem Meistertitel gecoacht hatte. Stöger wird von den Rapid-Fans aber nicht gehasst. Das mag daran liegen, dass er nicht nur das violette Trikot trug, sondern auch für Grün-Weiß auflief, mit Rapid Meister wurde und 1996 ins Europacup-Finale einzog. Stöger ist ein Pragmatiker, der gerne Brillengestelle in den Farben der von ihm betreuten Klubs trug. „Ob du violettes, grünes oder rotes Blut hast“, erklärte er beim Amtsantritt, „entscheidet nicht darüber, wie lange du da bist. Es zählt allein der Erfolg.“
Und Stöger hat viel vor. In der Liga ist Rapid nach sieben Runden noch ungeschlagen, man steht im Cup-Achtelfinale und in der Gruppenphase der European Conference League. Die Millionen-Neuzugänge haben mehrheitlich eingeschlagen. Stöger steigt trotzdem auf die Euphorie-Bremse. Und das aus gutem Grund.
Auch in der vergangenen Saison war Rapid fulminant gestartet und lag mit packendem Angriffsfußball wochenlang an der Tabellenspitze. Sportdirektor Katzer hatte beim Red-Bull-Fußball Anleihe genommen und den Deutschen Robert Klauß als Trainer geholt, der bereits als Assistent von Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann tätig war. Rapid sollte modern und offensiv spielen. Mit dem neuen Stil zog der Klub ins Europacup-Viertelfinale ein, erstmals seit 30 Jahren. Doch dann kehrten alte Probleme zurück. Nach einem Derbysieg prügelten Fans aufeinander ein. Star-Stürmer Guido Burgstaller wurde mit 1,68 Promille Alkohol im Blut vor einem Wiener Szenelokal niedergeschlagen und fiel lange aus. In Hartberg attackierten grün-weiße Fans die Polizei. Auch sportlich stürzte Rapid ab. Gerüchte machten die Runde, dass einige Stars nicht mehr hinter dem Trainer stünden, weil der in der Kabine unnahbar und kühl agiert haben soll. Noch vor Saisonende wurde Robert Klauß entlassen.
Da fiel den Rapid-Bossen Peter Stöger ein, der als nahbarer Menschenfänger gilt. Und noch dazu beinahe überall Erfolge feierte. Mit der Austria wurde er Meister, Köln führte er in die Bundesliga und Dortmund vom Tabellenmittelfeld in die Champions League. Das Problem: Bislang war er nicht für eine allzu spektakuläre Spielweise bekannt, so wie sie Rapid zuletzt als neue Leitkultur ausgegeben hatte, sondern eher dafür, mit einer guten defensiven Absicherung und Konterspiel Erfolge einzufahren. „Peter Stöger ist jemand, der es schafft, eine gute Stimmung zu erzeugen“, erklärte der Ex-Austria-Kicker Florian Klein vor drei Jahren. „Seine Art zu spielen, ist aber eher defensiv – mit vielen Umschaltmomenten.“
Auf seinen Stil angesprochen, erklärte Stöger gleich zu Beginn: „Wir haben hier eine Mannschaft, die vorn dabei sein soll, das verstehe sogar ich.“ Er wolle Rapid „so aktiv wie möglich“ auftreten lassen. „Aber es wird auch Spiele geben, in die wir mit einer defensiveren Grundordnung hineingehen.“ Zur Sicherheit nahm Rapid einen Assistenten ins Trainerteam, der einschlägige Erfahrung mit offensivem Rambazamba-Fußball vorweisen kann: Thomas Sageder, 42, trainierte einst den Red-Bull-Nachwuchs in Salzburg und später den LASK in der Bundesliga. Die Idee dahinter: Der Menschenfänger Stöger und der moderne Fußballtaktiker Sageder könnten sich ideal ergänzen.
Erfolg hat das Duo bislang. Rapid wirkt stabil, lässt hinten wenig zu – und greift bei Gelegenheit giftig an. Wirklich spektakulär spielt Rapid zwar noch nicht, dafür wird konstant gewonnen. In der Liga 1:0 gegen Blau-Weiß Linz, 2:1 bei Sturm Graz, 2:1 in Wolfsberg, 1:0 in Hartberg, 4:1 gegen Tirol. Und im Cup gelangen knappe Siege gegen die Drittligisten Wacker Innsbruck und SV Oberwart.
Rapid verliert derzeit nicht in Schönheit, gewinnt aber schon mal in Hässlichkeit. „Ich versuche, aus den Jungs rauszuholen, was sie imstande sind abzuliefern“, sagt Stöger. „Ich habe eine Einschätzung: Was ist machbar? Und was ist nicht machbar?“ Viele Experten halten heuer einiges für machbar, sogar den Gewinn der Meisterschaft. Denn RB Salzburg, das die Liga zehn Jahre lang mit Geld und Konzept dominiert hatte, schwächelt gehörig, zuletzt unterlagen die Bullen dem Wolfsberger AC 1:3. Auch Meister Sturm Graz befindet sich nach mehreren Abgängen nicht in Topform und hat von den letzten fünf Ligapartien zwei verloren. Generell spielen die Top-Teams der Liga mehrheitlich eher biederen Fußball ohne große taktische Innovationen. Das wurde auch im Europacup deutlich, wo heimische Vertreter heuer herbe Pleiten kassierten, etwa das 0:5 von Sturm Graz in Norwegen bei Bodø/Glimt. Vor ein paar Jahren lagen die Liga-Klubs mit packendem Offensivfußball im Europa-Vergleich auf dem hervorragenden achten Rang. Heuer folgte der Absturz auf Platz 15 – mit Tendenz nach unten.
Ein wenig wirkt es, als hätte sich Rapid nicht an die Spitze angenähert, sondern vielmehr die Spitze an Rapid. Vergangenes Wochenende kam der Tabellenführer Rapid gegen den Tabellenletzten GAK in einer zähen Partie nur zu einem 1:1. Stögers Mannen versuchten dabei lange, einen 1:0-Vorsprung zu verwalten, und scheiterten.
Die grün-weiße Euphorie ist ein paar Wochen nach Ligastart dennoch riesig. 20.000 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Heimspielen. Der Papierform nach wäre Red Bull Salzburg mit einem Kader-Marktwert von 130 Millionen weiterhin Favorit auf den Titel. Sturm Graz (53 Millionen) und Rapid (51 Millionen) folgen dahinter.
Dennoch wittert man bei Rapid aufgrund der schwächelnden Liga die große Chance. Vergangene Saison spielten gleich vier Teams bis kurz vor Schluss um den Titel, darunter der Wolfsberger AC. „Dann muss es auch Rapid schaffen“, erklärte Stöger vor Saisonbeginn.
Doch zu viel Druck möchte er sich auch nicht aufladen. Als er davon erfuhr, dass sein Wolfsberger Kollege Didi Kühbauer Rapid zum alleinigen Meisterkandidaten erhoben hatte, entfuhr ihm vor laufender Kamera: „Ich gebe die Grüße retour: Wer Salzburg 3:1 schlägt, ist natürlich auch Titelkandidat.“