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Zwölf Opern im Kopf & ein Bett im Schlafsaal

Als Opernsänger stand Joseph Garcia aus New York mit Stars wie Luciano Pavarotti auf der Bühne und arbeitete unter Regiegrößen wie Peter Sellers. Vor drei Jahren strandete er in einem Wohnheim der Caritas in Wien. Was ist passiert?

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Nach einigen Um- und Abwegen kommen wir, das Gespräch dauert schon gut und gerne eine Dreiviertelstunde, sehr plötzlich im englischen Stratford-upon-Avon an. Joe Garcia erzählt gerade aus seinem Leben, und ebendieses hat ihn einst auch einmal in die englische Provinz geführt, ins Royal Shakespeare Theatre, zu Proben für eine Verdi-Inszenierung von Pierre Audi, es waren die späten 1980er-Jahre. Garcia beginnt zu deklamieren, Pucks Monolog aus dem „Sommernachtstraum“, mit mächtiger Stimme und verschränktem Gesicht vorgetragen am helllichten Nachmittag. Die Menschen in dem Wiener Kaffeehaus, in dem Gespräch und Monolog stattfinden, schauen auf und ändern ihre Blicke in wenigen Sekunden von „Heast, was soll das?“ auf „Oha, bitte weitermachen!“

Die Bühnenpräsenz des Joseph Garcia, 67, geboren in Harlem, New York City, derzeit wohnhaft im Haus Espera der Wiener Caritas, lässt sich auch ohne reguläre Bühne erfahren. Er hat eine funkelnde Mimik, eine tragende Stimme und eine einnehmende Erscheinung, drückt sich gewählt aus, formuliert griffig und mit einem geschärften Sinn für die Pointe. Joseph Garcia ist gut 1,90 Meter groß und bewegt sich elegant. Man sieht, dass er früher auch einmal Tänzer war. Als Historiker in eigener Sache tut er sich deutlich schwerer. Wie kam es, wie es kam? Es ist kompliziert, viel passiert. Manchmal wurde vielleicht auch zu wenig nachgedacht.

Ballett-Wunderkind aus Harlem

Garcia bestellt ein Bier und erzählt seine Lebensgeschichte. Der Report fällt sprunghaft aus, es geht im Gedankengalopp hin und her zwischen Engagements in Kalifornien, England, Deutschland, Italien und Wien. Von der Ausbildung in New York zu jener in San Francisco, „und hab ich schon von Illinois erzählt? Da war ich an der University of Illinois Urbana-Champaign, wo HAL 9000, der intelligente Computer aus ‚2001: Odyssee im Weltraum‘ entwickelt wurde.“ Der Autobiograf verzettelt sich, hat dabei aber stets ein schönes Detail im Ärmel.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.