Die junge Wanda Kuchwalek sitzt in einem Gerichtssaal
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Zuhälterin, Unterweltlegende, Mysterium: Wer war die „Wilde Wanda“?

Um die Wiener Zuhälterin Wanda Kuchwalek (1947–2004) kursieren die bizarrsten Geschichten. Die meisten sind erstaunlich wahr. Eine neue Biografie zeichnet jetzt das Leben der „Wilden Wanda“ nach.

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Alarm-Einsatz in Wien, 23. März 1995. Das polizeiliche Einsatzprotokoll vermerkt: „Am heutigen Tage, um 09.20 Uhr wurde Gefertigter von der Funkstelle ID nach Wien 20., Wachzimmer Vorgartenstraße beordert. Als Einsatzgrund wurde mir bekanntgegeben: Unterstützung für Kripo Margareten bei Festnahme einer gewalttätigen Person auf Grund eines Haftbefehls. Gleichzeitig wurden auch die Kräfte ‚Sektor 6, Sektor 7‘ sowie Wega 95, Wega 59 und Wega 400 zum Wachzimmer V. entsandt.“

Festzunehmen sei eine gewisse Wanda Kuchwalek, die einer ehemaligen Liebschaft per Telefon mit schwerer Gewaltanwendung gedroht haben soll. Aber Achtung: „KUCHWALEK sei als gewalttätig bekannt und es ist anzunehmen, daß sie im Besitze einer Schußwaffe sei. Weiters ist KUCHWALEK Besitzerin eines Hundes der Rasse Bitbullterrier (sic), welche als besonders bißgefährlich einzustufen sind.“

Entsprechend schwer gepanzert und unter Einsatz einer Blendgranate schritten die Spezialkräfte zur Tat, jedoch: „Die Durchsuchung der Wohnung, bestehend aus Küche und Wohn-Schlafzimmer nach KUCHWALEK verlief negativ. Durch die gewaltsame Wohnungsöffnung wurde die Eingangstüre, es handelt sich um eine Doppelflügeltüre, nicht beschädigt. Diese konnte nach Beendigung der Amtshandlung wieder versperrt werden. Durch das Einbringen des Irritationswurfkörpers in die Wohnung wurde der Fußboden-PVC-Belag durch den Pulverschmauch der Explosionen leicht verfärbt. Ende des Einsatzes: 10.50 Uhr.“

Die Gesuchte konnte wenig später im näheren Umkreis ihrer Wohnung aufgegriffen werden, sie erwies sich als überraschend friedlich, aber stark alkoholisiert. Die Vorwürfe stellten sich bald als haltlos heraus, glaubwürdig waren sie allemal gewesen. Ihre eigene Legende eilte Wanda Kuchwalek, zu jenem Zeitpunkt 48 Jahre alt, voraus, und auch die Polizei, die doch seit Jahren sehr regelmäßig und intensiv mit ihr zu tun hatte, wusste nicht immer, was nun eigentlich Mythos war und was real.

Man hat sich bei Wanda schon überlegen müssen, wie man sich benimmt und was man sagt. Das war manchmal ein Balanceakt.

Frau Gitti, Zeitzeugin

Kuchwalek ist als „Wilde Wanda“ in die Wiener Kriminalgeschichte eingegangen, als einziger „weiblicher Zuhälter“ Wiens, als offen lesbisch lebende Kleinganovin, die in den 1960er- und 1970er-Jahren in Herrenanzügen und mit Cowboykrawatten durch die Stadt zog, stets mit Totschläger und Pistole unterwegs war und diese auch gern zum Einsatz brachte. Ihr Vorstrafenregister war abendfüllend, ihre Haftaufenthalte summierten sich auf gut 20 Jahre „Schmalz“.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.