„Ich wurde getäuscht“

Birnbacher-Gutachter: „Ich wurde getäuscht“

Interview. Birnbacher-Gutachter Altenberger erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kärntner Landespolitik

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Josef Martinz, ehemaliger Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter: fünfeinhalb Jahre unbedingte Haft; Hans-Jörg Megymorez, ehemaliger Vorstand der Kärntner Landesholding: drei Jahre unbedingt; sein Kollege Gert Xander: zwei Jahre unbedingt; Wirtschaftsprüfer Dietrich Birnbacher: drei Jahre Haft, davon eines unbedingt. Nicht rechtskräftig.

Und das dürfte noch nicht alles sein. Die Justiz ermittelt nun auch gegen die freiheitlichen Kärntner Politiker Uwe Scheuch, vormals Parteichef, und Landesrat Harald Dobernig – und wieder geht es um das 6-Millionen-Honorar des Villacher Wirtschaftsprüfers, das ihm vom verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider und Martinz wegen seines überschaubaren Engagements beim Verkauf der Hypo Alpe-Adria an die Bayern 2007 zugeschanzt worden war. Scheuch und Dobernig sollen nach Haiders Tod einen Anteil am Kuchen bei Birnbacher eingefordert haben, was beide bestreiten.

Gleichzeitig wird die Rolle jener drei Gutacher untersucht, die 2008 unabhängig voneinander die „Angemessenheit“ des Birnbacher-Honorars bestätigten: Rudolf Siart, Gottfried Spitzer (Deloitte) und Gerhard Altenberger. Der Verdacht: Beihilfe zur Untreue. Altenberger hat bisher zu dem Vorwurf geschwiegen, nun schildert er im profil-Interview seine Sicht der Dinge.

profil:
In Ihrem Gutachten für die Kärntner Landesholding kamen Sie 2008 zu dem Schluss, sechs Millionen Euro Honorar für Dietrich Birnbachers angebliche Leistungen beim Verkauf der Hypo Alpe-Adria seien durchaus angemessen gewesen. Stehen Sie heute noch dazu?
Altenberger: Das stimmt so nicht. Ich wurde nicht zu einem bestimmten Betrag gefragt. Ich hatte den Auftrag der Kärntner Landesholding, die mit Birnbacher vereinbarten Prozentsätze anhand eines vorgelegten Leistungskatalogs mit jenen Prozentsätzen zu vergleichen, die international üblich sind.

profil:
Birnbacher war prozentuell am ­Hypo-Verkaufspreis beteiligt. Sie werden doch gewusst haben, dass er dabei sechs Millionen Euro bekommt. Die Hypo Alpe-Adria war ja schon ein Jahr davor an die Bayern verkauft worden.
Altenberger: Das war aber nicht das Thema. Es ging um die Vergleichbarkeit von Prozentsätzen. Der ursprüngliche Prozentsatz wurde ja bekanntlich reduziert (was eine Halbierung des Birnbacher-Honorars auf besagte sechs Millionen Euro zur Folge hatte, Anm.). Mein Auftrag war es, dies mit den Honoraren international tätiger Investmentbanken zu vergleichen.

profil: Birnbacher ist aber keine Investmentbank.
Altenberger: Ich habe in meinem Gutachten ausdrücklich festgehalten, dass das Honorar nur dann als angemessen zu bewerten wäre, wenn Birnbacher tatsächlich Leistungen erbracht hat, die jenen einer Investmentbank vergleichbar sind.

profil: Birnbacher hat aber keine solchen Leistungen erbracht.
Altenberger: Mein Auftraggeber war die Kärntner Landesholding. Sie legte mir Unterlagen vor, aus denen hervorging, dass Birnbacher sehr wohl vergleichbar einer Investmentbank gearbeitet hat. Diese waren offenbar gefälscht.

profil:
Nun hat Birnbacher vor Gericht gestanden, dass er nichts geleistet hat, was ein Honorar dieser Größenordnung auch nur annähernd gerechtfertigt hätte. Das Geld war in Wahrheit für Jörg Haider und Josef Martinz bestimmt.
Altenberger: Ich bin getäuscht worden. Das mir vorgelegte Leistungsverzeichnis, laut dem Birnbacher 300 Stunden an der Transaktion gearbeitet hatte, war offensichtlich falsch. Und ich wurde auch darüber getäuscht, dass mein Privatgutachten in einem Strafverfahren verwendet werden würde. Hätte ich das gewusst, hätte ich den Auftrag so nie angenommen.

profil: Von wem wurden Sie getäuscht?
Altenberger: Von Dietrich Birnbacher und den Organen der Kärntner Landesholding.

profil: Sie sprechen vom früheren Aufsichtsratschef Martinz respektive von den damaligen Vorständen Gert Xander und Hans-Jörg Megymorez?
Altenberger: Ja. Und ich hatte in dieser Sache auch Kontakt zum Anwalt der Landesholding, Alexander Klaus.

profil: Sie werden jetzt neben anderen Gutachtern als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren geführt. Der Verdacht lautet auf Beihilfe zur Untreue. Zu Unrecht?
Altenberger: Ja. Der Leistungskatalog wurde mir von den Holding-Vorständen übermittelt und von Birnbacher ausdrücklich bestätigt. Was hätte ich Ihrer Meinung nach tun sollen? Auf Verdacht hin sagen: „Seid ihr wahnsinnig, was zahlt ihr dem Herrn Birnbacher so viel?“ Ich musste davon ausgehen, dass die Dokumentation korrekt ist. Ein Privatgutachten ist wie ein Trichter: Wenn ich oben falsche Daten hin­eingebe, kommen unten falsche Daten ­heraus.

profil: Sie sind einer der erfahrensten Gerichtssachverständigen. Ist es nicht Ihre vornehmliche Aufgabe, Täuschungen zu erkennen?
Altenberger: Darum ging es hier doch nicht! Ich sollte lediglich prüfen, ob vereinbarte Prozentsätze für einen Katalog an Leistungen angemessen seien. Und die Leistungen wurden nach Angaben meiner Auftraggeber von Birnbacher erbracht.

profil: Es fällt dennoch schwer, sich den heute 71-jährigen Dietrich Birnbacher als Ein-Mann-Investmentbank vorzustellen. Hätten Sie als Wirtschaftsprüfer sich zugetraut, den Verkauf der Hypo Alpe-Adria an die Bayerische Landesbank zu begleiten?
Altenberger: Ich biete diese Leistungen nicht an. Wenn ich gefragt würde, würde ich mir überlegen, ob ich die Kapazitäten habe, und ein entsprechendes Team zusammenstellen. Ich hatte aber keine Motivforschung zu betreiben, warum Birnbacher beauftragt wurde.

profil: Ein Landeshauptmann, dessen Stellvertreter und ein Wirtschaftsprüfer wollen ein Ding drehen. Sie bringen mehrere Gutachter dazu, wohlmeinende Stellungnahmen abzugeben – und schon läuft die Sache. Klingt ziemlich einfach.
Altenberger: Was wollen Sie mir unterstellen? Mein Gutachten sagte über die Angemessenheit des Honorars grundsätzlich nichts aus. Ich habe ausdrücklich gesagt: Wenn Birnbacher Leistungen erbracht hat, die denen einer Investmentbank entsprachen, dann ist das Honorar angemessen. Das war ein abstrakter Vergleich. Ich habe keine inhaltliche Prüfung vorgenommen.

profil: Als Sie im März 2008 das Gutachten erstellten, war das Birnbacher-Honorar bereits Gegenstand heftiger politischer Kontroversen in Kärnten, die auch medial aufgegriffen wurden.
Altenberger: Sie können mir nicht vorwerfen, dass ich die Kärntner Presse nicht aufmerksam genug verfolgt habe. Sie können von einem Privatgutachter auch nicht verlangen, dass er ermittelt. Wenn Sie ihm etwas Falsches vorlegen, dann kommt etwas Falsches heraus. Und ich wurde getäuscht.

profil: Eigentlich müsste man der Kärntner Landespolitik ein echtes Kompliment aussprechen. Haider und Martinz haben drei Gutachter, und nicht die schlechtesten, getäuscht.
Altenberger: Wenn Sie es genau nehmen, waren im Lauf der Zeit zehn Gutachter mit dem Fall befasst. Die wurden alle getäuscht.

profil: Konsequenterweise müssten Sie sich an Ihren Auftraggebern jetzt schad- und klaglos halten.
Altenberger: Sollte mir ein Schaden entstehen, werde ich das tun.

profil: Der Schaden ist ja schon da.
Altenberger: Ein Reputationsschaden.

profil: Reputation ist das Allerheiligste in Ihrem Beruf. Finanziell hat es sich ja nicht sonderlich ausgezahlt. Sie bekamen für Ihr Privatgutachten vergleichsweise bescheidene 10.000 Euro brutto.
Altenberger: Was übrigens beweist, dass es kein Gefälligkeitsgutachten war. Oder glauben Sie allen Ernstes, dass ich meinen Ruf für 10.000 Euro aufs Spiel setzen würde?

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.