Rechtsaußenpolitik

Bizarre Besuchsdiplomatie von BZÖ und FPÖ

Politiker. Die sonderbaren außenpolitischen Initiativen österreichischer Rechtspolitiker

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Ein Kuli, dessen Tinte von selbst verschwindet? Natürlich wäre ein derartiges Schreibmittel bei der ukrainischen Parlamentswahl am 28. Oktober für Betrügereien aller Art geeignet gewesen. Er habe von diesem Zauberstab gehört, selbst gesehen habe er ihn aber nicht, sagt Gerhard Huber. Was er dagegen als Wahlbeobachter in der Ukraine mit eigenen Augen sah, habe dem Tiroler BZÖ-Abgeordneten durchaus gefallen. Wieder daheim schilderte er bei einer Pressekonferenz seine Sicht der Ereignisse: „Ich habe noch nie eine so faire Wahl erlebt.“

Die von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandten Beobachter kamen zu einem ganz anderen Schluss als der Agrarsprecher des BZÖ. Demnach sei die Wahl ein „demokratischer Rückschritt“ gewesen.
Was ein demokratischer Fort-, Zwischen- oder Rückschritt ist, hängt wie alles in der Politik vom eigenen Standort ab. Gerade aus Sicht österreichischer Rechtsparteien sind zweifelhafte Repräsentanten übel beleumundeter Staaten bisweilen lupenreine Demokraten und gefragte Gesprächspartner. Ob in Bagdad, Grosny, Minsk oder Tripolis – blaue und orange Mandatare dilettieren regelmäßig als Außenpolitiker. Und enden dabei als besuchsdiplomatische Geisterfahrer.

So zeigte Gerhard Huber in Kiew keine Berührungsängste gegenüber politischen Outlaws. Ein Foto zeigt ihn bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nick Griffin, dem EU-Abgeordneten und Chef der rechtsextremen British National Party.
Dass der BZÖ-Mann als Wahlbeobachter in der Ukraine unterwegs war, wusste niemand. Schon gar nicht wussten es die OSZE-Beobachter aus dem Nationalrat: Wolfgang Großruck (ÖVP), Hannes Weninger (SPÖ) und Roman Haider (FPÖ). Umso erstaunter reagierten die Abgeordneten, als sie ihren Kollegen am Flughafen Kiew trafen. Dessen Auskunft: Er sei „für das Außenamt“ im Einsatz. Tatsächlich war Huber, wie er später angab, für das in Warschau domizilierte Europäische Zentrum für geopolitische Analysen im Einsatz. Gründer des Zentrums ist Mateusz Piskorski, 35, ein ehemaliger Parlamentsabgeordneter der mittlerweile unbedeutenden nationalpopulistischen Anti-EU-Partei ­Samoobrona (Selbstverteidigung). In ­jüngeren Jahren stand Piskorski in Kontakt mit rechtsradikalen Gruppen. Piskorski: „Eine Jugendsünde, die ich heute bedaure.“

Laut Wahlbeobachter Huber sei das 2007 von Piskorski gegründete Institut eine „anerkannte NGO“. Wie eine profil-Recherche in Warschau ergab, ist das Zentrum den Kollegen anderer polnischer Thinktanks, wie des angesehenen Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten, des Demos-Zentrums für Europäische Strategien oder der Batory-Stiftung des Investors George Soros, weit­gehend unbekannt. Dass der an internationaler Politik bis dato uninteressierte Huber sein Debüt als Wahlbeobachter geben durfte, lag an Ewald Stadler. Der EU-Abgeordnete des BZÖ hatte für das Zentrum bereits einen Auslandseinsatz in Armenien absolviert.

Gerhard Hubers Parlamentskollegen reagierten auf dessen Analyse der ukrainischen Wahl mit Erstaunen: Der BZÖ-Kollege habe wohl nur über seine unmittelbaren Eindrücke in Wahllokalen berichtet und die zweifelhaften Geschehnisse im Wahlkampf ignoriert. ÖVP-Mandatar Wolfgang Großruck: „Offensichtlich handelt es sich hier um ein Privatvergnügen des Kollegen Huber.“
Der BZÖ-Abgeordnete bleibt unerschütterlich. In den von ihm besuchten Wahllokalen hätte es wie vorgesehen durchsichtige Urnen und sogar Kameras zur Beobachtung des Geschehens gegeben. Huber: „Die Wahlen laufen transparenter ab als bei mir daheim in Tirol.“ Seine Tätigkeit als Wahlbeobachter sei unentgeltlich gewesen, behauptet er. Und auch kostengünstig: Im Gegensatz zu OSZE-Beobachtern, die erste Klasse fliegen, saß Huber in der AUA-Maschine nach und von Kiew auf einem Economy-Sitz.

Hubert Gorbachs Sache waren billige Plätze nie. Der Ex-Vizekanzler und – seit seinem Parteiausschluss 2011 wegen Zahlungen der Telekom Austria – Ex-BZÖler beobachtete im Dezember 2010 die Präsidentenwahlen in Weißrussland. Der autokratisch regierende Staatspräsident Alexander Lukaschenko wurde mit 80 Prozent wiedergewählt – für eine vierte Amtszeit. Bei seiner Fact-Finding-Mission konnte Gorbach keine Unregelmäßigkeiten erkennen – im Gegensatz zu OSZE-Beobachtern, die Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten in der Wahlnacht kritisierten. Gorbach, dessen Consulting-Firma Projekte in Weißrussland betrieb, war auf Einladung des weißrussischen Außenministers Sergej Martynow nach Minsk gereist.

Die seltsamen Beobachtermissionen der orangen Politiker – mögen sie aus finanziellem Inter­esse (Gorbach), Geltungsdrang (Huber) oder beidem (Gorbach) erfolgt sein – wirken freilich harmlos im Vergleich zur bizarren diplomatischen Initiative zweier Wiener FPÖ-Politiker. Im Februar 2012 reisten der Wiener Klubchef und stellvertretende Bundesparteiobmann Johann Gudenus und der freiheitliche Abgeordnete Johannes Hübner in die russische Teilrepublik Tsche­tschenien, wo sie in Grosny vom despotischen Präsidenten Ramsan Kadyrow empfangen wurden. Ihr anschließendes Kommuniqué: Kadyrow teile die Ansicht, dass es sich beim „Großteil der tschetschenischen Asylanten in Österreich“ um „Wirtschaftsflüchtlinge“ handle. Da „Ruhe und Frieden“ in Tschetschenien herrsche, seien die Voraussetzungen für deren Rückführung gegeben. Selbst die „Kronen Zeitung“, an sich eher im Lager der FPÖ als in jenem tschetschenischer Asylwerber, konstatierte eine „absurde Reise“.

Es geht noch absurder. Der Wiener FPÖ-Stadtrat David Lasar begab sich während der libyschen Revolution im Juli 2011 nach Tripolis. Nicht auf eigene Faust: Er handelte als persönlicher Emissär von Parteichef Heinz-Christian Strache. Dieser war eigenen Angaben zufolge „hinsichtlich einer möglichen Vermittlertätigkeit im Libyen-Konflikt von unterschiedlichen Ansprechpartnern kontaktiert“ worden. Lasars Reise musste trotz seines Treffens mit Saif Gaddafi als gescheitert angesehen werden, da das zentrale Ziel – Stopp der NATO-Bombardierung – von der NATO ­ignoriert wurde.

Neben der Kritik des normalerweise bei außenpolitischen Eseleien schweigenden Außenministeriums, es handle sich um eine „absurde Einzelaktion“, sah sich Strache mit schweren Vorwürfen konfrontiert. SPÖ und Grüne brachten Lasars Tripolis-Trip mit möglicher Parteienfinanzierung in Zusammenhang. Nicht ganz ungerechtfertigt: Wie ein Vertrauter von Jörg Haider im August 2010 gegenüber profil angab, handelte es sich bei Haiders mehrmaligen Reisen zu Muammar Gaddafi auch um Geldbeschaffungsaktionen: „Gaddafi hat uns vor Wahlkämpfen immer wieder Geld zukommen lassen, und zwar in bar. Das war fest in Plastik eingeschweißt.“ Seine beiden Besuche bei Iraks Diktator Saddam Hussein verarbeitete Haider 2003 sogar zu einem Buch. Titel: „Zu Gast bei Saddam – Im ,Reich des Bösen‘“. Er habe mit Saddam „kultivierte Gespräche mit philosophischem Hintergrund“ geführt. Nach den Treffen mit Saddam flossen rund 2,5 Millionen Euro von Bagdad Richtung Kärnten.

Im Gegensatz zu Jörg Haider zieht es dessen Nachfolger auch gern einmal nach Israel. Erst vor zwei Wochen absolvierte Heinz-Christian Strache laut FPÖ-Pressedienst eine „Nahost-Sondierungsmission“. Das Resümee des FPÖ-Chefs nach „Gesprächen mit höchstrangigen israelischen Politikern auf inoffizieller Ebene sowie mit palästinensischen Scheichs und Repräsentanten“: Auf beiden Seiten herrsche der „starke Wunsch nach Frieden“.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.