Martin Graf: Die Banalität des Bösen

Der böse Österreicher: Die unbekannten Seiten des Nationalratspräsidenten Graf

Die unbekannten Seiten des Präsidenten

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Eva Linsinger und Christa Zöchling

Vor seiner Wahl zum Dritten Nationalratspräsidenten galt der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf als umgänglicher Zeitgenosse, an dessen Geisteswelt erstaunlicherweise kaum einer Anstoß nahm, ein Hinterbänkler von rechts außen, selbst in den Augen der eigenen Leute kein großes Licht. Ein Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ im Frühjahr 1997, in dem Graf die revanchistische Ansicht vertrat, dass „die heutigen Staatsgrenzen willkürlich gezogen“ seien, erweckte im Ausland mehr Empörung als hierzulande. Dass er einer rechtsextremen Burschenschaft angehört, seine Kameraden nach und nach in Schlüsselpositionen hievte und machttechnisch äußerst versiert agierte, war bekannt, doch einer gewissen Abstumpfung unterlegen.

SPÖ-Klubobmann Josef Cap etwa pries Grafs „hervorragende Ausschussführung“ im Banken-Untersuchungsausschuss.
Jetzt scheint der Mann, der in jungen Jahren vier Pflichtmensuren gefochten hat, weil er es für eine Ehre hält, für seine zweifelhafte Gesinnung „den Kopf hinzuhalten“, den Parlamentariern über den Kopf zu wachsen. Den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, schmähte Graf jüngst als „Drahtzieher des antifaschistischen Linksterrorismus“, indem er meinte: „Schon viele Bürger fragen sich, ob Muzicant als solcher“ zu bezeichnen wäre.

Mit der Selbstgewissheit des einfachen Gemüts behauptet Graf im profil-Gespräch, er befände sich „in fast allen Fragen im Geist der Mehrheitsbevölkerung“. Kein Jota werde er von seiner Überzeugung abrücken. Schließlich sei er vor dreißig Jahren in die Politik gegangen, um seine „Kameraden- und Wertegemeinschaft mehrheitsfähig zu machen“. Er halte auch nichts vom so genannten „antifaschistischen Grundkonsens“, sagt Graf. In Österreich tauche der Begriff „überhaupt erst 1983 auf“ und sei „nicht identitätsstiftend“.

Graf wurde früh mit Politik konfrontiert. Dominantes politisches Thema in der Familie war die Vertreibung, die politischen Sympathien der Familie lagen bei den Freiheitlichen. Ein Großteil von Grafs Verwandtschaft stammt aus Schlesien und war nach 1945 in Flüchtlingstrecks nach Westen getrieben worden.

Die Grafs kamen aus einfachen Verhältnissen. Die Mutter, eine Landarbeiterin, die in einem Schnellkursus zur Krankenschwester ausgebildet wurde. Der Vater jobbte in den Nachkriegsjahren als Kellner im halbseidenen Cabaret Renz in der Leopoldstadt, das am Ende zu einem Bordell herabgesunken war, ehe er ein Lokal im feineren Döbling erwarb, in dem der Schüler in den Ferien aushalf – „meine Lebensschule“, sagt Graf.
Der Junge hat keine große Karriere zu erwarten. In Wien fliegt er von der Schule, muss nach Krems ins Internat ausweichen, in eine der letzten reinen Burschenklassen im BORG. Die Matura klappt erst im zweiten Anlauf. Mit rechten Parolen fällt er nicht sonderlich auf, erinnert sich sein Klassenvorstand Herbert Resch. Selbst bei Diskussionen mit deklariert linken Mitschülern wie dem späteren Schriftsteller Norbert Silberbauer tut sich Graf selten hervor, und wenn, dann durch eine ausgeprägte Abneigung gegen „Pfaffen und Sozis“.

Das Verbotene. „Der Martin hatte schon damals ein selbstbewusstes Auftreten. Er war Klassensprecher, stellte sich aber nie gerne vorne hin“, beschreibt ihn sein ehemaliger Mitschüler Robert Schuster. Hin und wieder sei man auf ein Bier in Burschenschafter-Buden gegangen, doch das gehörte wohl zum Kremser Lokalkolorit.

In Wien landet der Jusstudent wie naturgegeben bei der „Olympia“, die damals schon die Aura des Verbotenen besaß. Die schlagende Verbindung war zeitweise wegen Verdachts nationalsozialistischer Wiederbetätigung seiner Mitglieder verboten gewesen. In Expertenkreisen gilt die Olympia bis heute als rechtsextrem. Einige ihrer Aktivisten, etwa der berüchtigte Neonazi Norbert Burger, hatten sich zur „Befreiung Südtirols“ an Sprengstoffattentaten beteiligt, ein Gutteil ihrer Mitglieder, auch Graf, war in den achtziger Jahren auch in den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) eingetreten, was ihnen erlaubte, ein zweites, ziviles Gesicht zu zeigen.

Einige aus dem Kreis rund um die Olympia, darunter FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, nahmen in den späten achtziger Jahren an so genannten Wehrsportübungen teil. Graf erzählt, er kenne Strache aus dieser Zeit – „da war er 15, 16 Jahre alt, wir hatten relativ viel Kontakt, über mich be­ziehungsweise über die Olympia ist er mit Burger und dessen Töchtern zusammengekommen“. Andere Freunde von Graf ­heuerten bei der – alsbald verbotenen – ­„Aktion Neue Rechte“ an, wie Michael Witt. Heute ist Witt der Parteianwalt der FPÖ, der auch Grafs vielfältige Klagsdrohungen wahrnimmt. In seiner Kanzlei beschäftigt Witt mehrere Bundesbrüder und sitzt ­gemeinsam mit Graf im Vorstand einer ­Privatstiftung.

Einige blieben zeitlebens im neonazistischen Lager, wie der notorische Neonazi Gottfried Küssel, den Graf nach eigenem Bekunden ebenfalls in diesen Jahren kennen lernte, mit dem er jedoch nie etwas zu tun haben wollte. „Ich habe ihn von Anfang für einen Agent Provocateur gehalten. Der Gottfried Küssel war immer bei rechtsex­tremen Aktivitäten dabei, doch ins Gefängnis kamen andere. Das war mir suspekt“, sagt Graf. Ende der neunziger Jahre habe er Küssel verboten, die Bude der Olympia zu betreten.

Da war Küssel allerdings bereits gerichtsbekannt. „Kellernazis“ nannte der ehemalige FPÖ-Chef Norbert Steger einmal jene Grüppchen, die auch bei den Freiheitlichen andocken wollten. Graf wurde nicht genommen. „Es war damals nicht leicht, in der FPÖ Mitglied zu werden. Mein Beitrittsformular war aus dem Jahr 1985, aber ich wurde erst 1987 aufgenommen“, sagt Graf.

Die Liberale Internationale – die FPÖ war damals noch Mitglied – charakterisierte die freiheitliche Parteijugend zu jener Zeit als „national und zwischen den Zeilen auch antisemitisch“. Damals formte sich die Seilschaft der Olympen, die Graf bis heute die Treue hält. Graf revanchierte sich in den Jahren von Schwarz-Blau mit Jobs in Ministerien und Unternehmen unter Staatseinfluss. Ein profil-Informant, der 2001 als Anwerbekandidat auf die Bude der Olympia eingeladen war, erzählt, die Gespräche hätten sich vor allem um neue Posten gedreht. Graf soll als Türöffner dorthin höchstes Ansehen genossen haben.

Graf selbst wurde 2003 Geschäftsführer in Seibersdorf. Ob es für seine Protegés Arbeit gab oder nicht, war sekundär. „Was früher einer gemacht hat, dafür waren unter Graf drei oder vier notwendig“, klagt Seibersdorf-Konzernbetriebsratsobmann Karl-Heinz Aschbacher. Gegenüber Andersgesinnten war Graf wenig zimperlich: Aschbacher erinnert sich an einen Kollegen, dessen E-Mails Graf durchforsten ließ, und an Anpöbelungen à la „Wann schleichen S’ Ihna endlich“.

Personalagentur Graf. Manche Graf-Günstlinge wie Alfred Wansch als Leiter der Rechtsabteilung sitzen heute noch in Seibersdorf. „Wenn Sie in ein feindliches Umfeld kommen, brauchen Sie vertrauenswürdige Menschen, die Ihnen helfen“, rechtfertigt Graf seine Personalpolitik. Dazu gehört auch Melitta Boigner, Assistentin der Geschäftsführung, die aus Grafs zweiter Machtbasis stammt: Sie ist wie Wansch Bezirkspolitikerin der FPÖ Donaustadt. Grafs Wirken in Seibersdorf hatte übrigens ein gerichtliches Nachspiel. Der Rechnungshof kritisierte seine überteuerte Abfindung und Sondergage, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue und fahrlässigen Krida. Zur Seilschaft von damals ist auch Arnold Schiefer zu zählen, der unter Schwarz-Blau zum Vorstandsmitglied der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG aufrückte.

Schiefer, Graf und ein Dutzend weiterer Burschenschafter, von denen rund die Hälfte später in den neonazistischen Untergrund rund um Gottfried Küssel abglitt, gaben 1987 bei einer Veranstaltung des RFS am Wiener Juridicum den Saalschutz für den Auftritt eines Neonazis. Der bundesdeutsche Reinhold Oberlercher hatte von Juden als „bakterielle Krankheitserreger“ gesprochen, es verweigert, sich von Auschwitz zu distanzieren, und „Faschismus und Antisemitismus“ als „intellektuelle Kühnheit“ angepriesen. Eine Vertreterin des Verbands der Sozialistischen Studenten, die gegen die Ausführungen protestierte, gab in einem Gerichtsverfahren zu Protokoll, man habe sie als „Judensau“ beschimpft.

Schon ein Jahr zuvor war es an der Wiener Universität aus ähnlichem Anlass zu Tumulten gekommen. Der Olympe Harald Stefan, heute freiheitlicher Nationalrats­abgeordneter, rühmte sich später (in einer Festschrift der Olympia), dass seine Leute bei einem Vortrag des französischen ­Rechtsextremisten Pierre Krebs 1986 die Gegendemonstranten „mit blutigen Köpfen davongejagt“ hätten, was den RFS „stark motiviert“ habe. Krebs hatte bei dieser Gelegenheit, übrigens wieder flankiert von Küssels Neonazis, vor dem „Verlust der biologischen Substanz der Völker“ gewarnt.

Es war kein Zufall, dass Graf bei solchen Aktionen nicht – wie etwa Harald Stefan – am Podium saß, sondern den Ordnerdienst stellte. Auch in seiner Burschenschaft gehörte Graf nach der Erinnerung seines Jugendfreunds Werner Tomanek nicht zu den ideologischen Wortführern. Schon seine Herkunft unterschied ihn von Akademikerfamilien, in denen die Olympia-Tradition einem Erbe gleich von den Vätern auf die Söhne überging. Ein anderer Wegbegleiter zählt Graf gar zur „verwahrlosten akademischen Unterschicht“. Grafs Überzeugung tat das keinen Abbruch, forcierte vermutlich sogar seine Bemühungen.

Unter Schwarz-Blau waren Graf und Freunde salonfähig geworden. Als FPÖ-Wissenschaftssprecher schlug Graf für die neu geschaffenen Uniräte ein halbes Dutzend Verbindungsbrüder vor, darunter seinen alten Spezi Friedrich Stefan und Gerhard Pendl, der allerdings wegen einer Grabrede zum Gedenken des NS-Luftwaffenpiloten Walter Nowotny sein Amt schnell wieder verlor.

Im Parlament wurde der Olympe Nobert Nemeth als Klubsekretär installiert. Noch 1996 hatte Nemeth seine Solidarität mit dem damals inhaftierten Neonazi Gottfried Küssel erklärt und das Verbotsgesetz attackiert. Nemeth hält den Holocaust offenbar für eine Glaubensfrage und die juristische Verfolgung für falsch, „weil diese Personen tatsächlich glauben, dass es den Holocaust nicht, oder zumindest nicht in der Intensität der offiziellen Geschichtsschreibung, gegeben hat“.

Leibfüchse. Im Jahr 2005 organisierten junge Olympia-Mitglieder ein so genanntes „Sturmlager“, ein Sommercamp, das mit SA-Runen und Angeboten wie „Fechtsport, Zielschießen mit Armbrust und Luftdruckgewehren und diversen Arten der Selbstverteidigung“ beworben wurde. Für die Jugendarbeit der Burschenschaft war eine Zeit lang Walter Asperl zuständig, Grafs ehemaliger „Leibfuchs“, heute sein Büroleiter. Gemeinsam mit Günther Stefan und Nemeth steht Asperl der Privatstiftung der Olympia vor, in der sie ihre Liegenschaften und ihr Vermögen geparkt hat.

Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte die Burschenschaft im Jahr 2005 wegen der spektakulären Verhaftung des britischen Holocaust-Leugners David Irving, der nach gerichtlicher Aussage von studentischen Olympia-Mitgliedern zu einem Vortrag auf die Bude eingeladen worden war, was zu ­Irvings Verhaftung und Verurteilung nach dem NS-Verbotsgesetz führte. Graf bestreitet das Geschehen mit einer gewissen Chuzpe: „Niemand von uns hat Irving eingeladen. Das ist ja witzig. Man unterstellt uns, dass wir ausländerfeindlich seien, und dann sollen wir einen Ausländer einladen? Ich weiß nicht, was Irving vor unserer Bude wollte, die Gumpendorfer Straße ist lang, vielleicht wollte er woanders hin.“

Seit der Wahl von Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten ist die Olympia vorsichtig geworden. Informanten berichten, dass bei geschlossenen Abenden jeweils Fotos geschossen werden, „um sich einander zu verpflichten, dass keiner ausschere und Verrat begehe“. Man liest auf ihrer Homepage (olympisch: „Heimatseite“), dass sie nur „charakterlich einwandfreie Persönlichkeiten“ aufnehme und auf „deutschsittliche Werte“ setze. Kommersreden von FPÖ-Politikern sind gesperrt. Ebenso die Texte ihrer so genannten „Liedertafel“.

Auch von Auftritten prominenter Neonazis auf der Bude ist nichts mehr zu hören. In den vergangenen Jahren war die Burschenschaft mit ihren Liederabenden mehrmals am NS-Verbotsgesetz entlanggeschrammt. 2003 hatte sie den jüngst verstorbenen deutschen Neonazi Michael Müller eingeladen, der für seine Abwandlung eines Schlagers von Udo Jürgens („Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis sechs Millionen Juden, da ist der Ofen an“) in der Neonazi-Szene Furore gemacht hatte. Graf rechtfertigte sich damals, er sei an diesem Abend nicht auf der Bude gewesen. Ein paar Monate später ließ er Medien reihenweise klagen. Seine Rechtfertigung: Müller habe an diesem Abend dieses Lied nicht gesungen.
Jene Graf’schen Parlamentsmitarbeiter, die wegen Bestellungen beim neonazistischen Aufruhr-Versand in die Schlagzeilen geraten waren, mussten nach öffentlichem Druck weichen. Graf behauptet, er habe die beiden sogar länger beschäftigt als vorgesehen, weil er sie „nicht auf Zuruf entlassen“ wollte.

Techniker der Macht. Graf fühlt sich mächtig. In der FPÖ ist sein Werdegang allerdings umstritten. Parteifreunde fürchten sein machtpolitisches Geschick. Zu Recht, wie die Vorfälle in der Wiener Donaustadt zeigen. Mit über 150.000 Einwohnern ist der Arbeiterbezirk in Transdanubien einer der stimmenstärksten Bezirke, die FPÖ erreichte dort bei der vergangenen Nationalratswahl 26 Prozent. Die Donaustadt sicherte Graf schon 1994 den Einzug in den ­Nationalrat, wenn er auch vor der Obmannschaft von Strache nie über die Funktion eines Ordners im Parlamentsklub hinauskam.

Als Ewald Stadler 1996 zum geschäftsführenden Klubobmann avancierte, witterte Graf Morgenluft und griff zu härteren Bandagen. Er wollte zum Bezirksparteiobmann in der Donaustadt aufsteigen – und ließ seinen innerpartei­lichen Widersacher Karl Ramharter wegen „Ämterkumulierung“ blitzartig „wegen Gefahr in Verzug“ aus der FPÖ ausschließen. Das musste er zwar wenig später, wie er in einem Brief an das Parteigericht schrieb, „auf Wunsch des Bundesparteiobmannes“ Haider zurücknehmen, sicherte sich aber im Bezirk im Mai 1998 denkbar knapp mit 51 zu 50 Stimmen die Mehrheit gegen den langjährigen Obmann Walter Prinz. „Bei der Sitzung waren Leute drinnen, die kein Stimmrecht hatten“, ist Ramharter heute noch überzeugt. Wenn stimmt, was Rechtsanwalt Werner Toma­nek erzählt, ging es bei der Abstimmung tatsächlich nicht mit rechten Dingen zu: Der Olympe Tomanek etwa wurde nach eigener Aussage „für einen Tag Mitglied in der FPÖ Donaustadt, damit ich abstimmen kann für den Graf. Ich habe ein Schnitzel bekommen und dem Graf eine Freude gemacht“, berichtet Grafs Jugendfreund.

Heike Trammer, Grafs damalige Klubobfrau in der Donaustadt, wurde bald danach von Graf angezeigt, weil sie angeblich die Miete für das blaue Parteiheim nicht bezahlt habe. Sie bilanziert über ihren früheren Parteifreund Graf bitter: „Er kann nur glücklich leben, wenn er gegen jemanden intrigiert.“

Graf zählte stets zu den Verdächtigen, wenn es Abweichler in der Partei auszumachen galt: Bis heute wird in der FPÖ gemunkelt, dass Graf in der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gegen den Vertrag von Parteifreund Reinhart Gaugg votiert habe. Bewiesen wurde das nie. Der Verdacht reichte, um Graf 2002 aus dem FPÖ-Parlamentsklub zu entfernen. „Auf den Graf kann man sich nicht verlassen“, lautet das Urteil eines ehemaligen FPÖ-Regierungsmitglieds. Graf, der sogar von einem Posten als Staatssekretär geträumt hatte, heroisiert sein Außenseitertum: „Ich war immer meine eigene Partie.“ Seine Zeit in der PVA bezeichnet er als „einen meiner größten Fehler“: „Ich musste mich für Leute einsetzen, von denen ich nicht überzeugt war.“

Informationsfluss. Seit der Machtergreifung der Burschenschafter in der FPÖ sitzt Graf allerdings fest im Sattel. Auf offiziellem Briefpapier des Nationalratspräsidiums werben Mitarbeiter Grafs ungeniert um Mitglieder für die Freiheitliche Wirtschaftsplattform. Und der Grüne Karl Öllinger wundert sich über einen seltsamen Informationsfluss: Einer der ehemaligen Mitarbeiter Grafs, der beim Aufruhr-Versand bestellt hatte, klagte Öllinger wegen übler Nach­rede, vergangene Woche wurde das Auslieferungsbegehren des Wiener Landesgerichts an das ­Präsidium des Nationalrats zugestellt. Es landete in Kopie prompt auf der Neonazi-Homepage „Alpen-Donau-Info“. Öllinger will nun per Anfrage von Nationalratspräsidentin Prammer wissen, wem das Auslieferungsbegehren zugänglich war. Die Homepage, die sich als „Plattform für den nationalen Widerstand“ definiert, hat übrigens unter der Rubrik „Verweise“ einen Link zur FPÖ.

Der Fußball-Präsident. Auch in der Jugendarbeit scheint sich Graf im Auftrag der Parteiführung zu engagieren. Ende 2005 übernahm er den Wiener Fußballclub Hellas als Präsident, machte sofort seinen Stellvertreter im Bezirk Donaustadt und Parlamentsmitarbeiter Werner Hammer zum Vizepräsidenten und zwang die alten Funktionäre zum Aufgeben. Mit fragwürdigen Methoden. Der frühere Vereinsobmann Paul Rapp, der Graf selbst geholt hatte, aber Funktionär beim sozialdemokratischen Sportklub ASKÖ ist, wurde mit Klagen eingedeckt. Auf den Türen des Vereins wurden auch Tafeln angebracht: „Unerwünschte Personen: Paul Rapp“. Mittlerweile geht auf dem Vereinsgelände die Angst um. So soll Graf einem jungen Spieler im Streit eine derart feste Ohrfeige verpasst haben, dass der am Boden liegen blieb. Augenzeugen berichten in einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken von diesem Vorfall. Einige linke Fans, die dagegen protestierten, dass vor der vergangenen Nationalratswahl ein so genanntes „Spanferkelessen“ zu einer Wahlveranstaltung der FPÖ umfunktioniert worden war, – Strache-Flugblätter und Aufkleber kamen zur Verteilung –, wurden aus dem Club geworfen. Der Vorstand ist mittlerweile mehrheitlich mit Freiheitlichen besetzt. Die alten Funktionäre fürchten, dass die FPÖ die Jugend politisch einkassieren will. Spätabends wurden auch schon Glatzköpfe in Springerstiefeln in der Kantine gesichtet. Dort sitzt neuerdings ein Graf-Protegé: Markus Vetter, ehemaliger Parlamentsmitarbeiter von Graf, der sich beim neonazistischen Aufruhr-Versand eingedeckt hatte, er betreibt heute die Kantine des FC Hellas.
So klingt es gar kokett, wenn Graf sagt, er „rechne zu 50 Prozent damit, abgewählt zu werden“. Am liebsten wäre er freilich „Erster Präsident“.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling