Oh, wie schön ist Paraguay

FPÖ. Zum dritten Mal reist eine FPÖ-Delegation nach Lateinamerika auf der Suche nach dem Deutschtum

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Eine gewisse Mission wird erkennbar. Bekanntlich reicht das außenpolitische Spektrum der FPÖ von antisemitischen Parteien des früheren Ostblocks über russische und serbische Nationalisten bis hin zu rechten Europafraktionen und rechtsextremen Splittergruppen. Nun ist ruchbar geworden, dass auch paraguayische Rechtspolitiker und deutschstämmige Siedler in Paraguay dazugehören.

Schon zum dritten Mal innnerhalb von zwölf Monaten begibt sich am 2. März 2012 eine freiheitliche Delegation nach Lateinamerika. Und wieder sind Paraguay und Chile die Sehnsuchtsorte. An der kommenden Reise wird auch Heinz-Christian Strache teilnehmen.

Der FPÖ-Chef nennt seine Funktionärsriege gern "die Morgigen“, und zumindest in einer Hinsicht befindet er sich damit am Puls der Zeit. Die Feuilletondebatte über den Roman "Imperium“ des deutschen Schriftstellers Christian Kracht hat die deutschnationale Siedlerbewegung in Übersee wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, in der sich einst verarmte Handwerker aus Deutschland und Österreich, durchgeknallte Aussteiger, Abenteurer und stramme Antisemiten zusammengefunden hatten, um im Dschungel von Paraguay ein ideales Germanien erblühen zu lassen (siehe Kasten).

Im März vergangenen Jahres machte sich eine FPÖ-Delegation unter Führung des Nationalratspräsidenten Martin Graf das erste Mal nach Paraguay auf, das lange Jahre hindurch ein Zufluchtsort von Nazi-Verbrechern wie dem KZ-Arzt Josef Mengele gewesen und vom deutschstämmigen Putschgeneral Alfredo Stroessner regiert worden war. Im Herbst vergangenen Jahres war man schon wieder dort.

Organisiert werden diese Reisen von der Österreichischen Gesellschaft der Freunde Lateinamerikas, in der rechte Ideologen den Ton angeben. Präsident dieses im Jahr 2008 gegründeten Vereins und Leiter aller Delegationen ist Martin Graf, Nationalratspräsident und Mitglied der berüchtigten Burschenschaft Olympia. Sein Vizepräsident ist Johannes Hübner, außenpolitischer Sprecher der FPÖ mit einem Hang zu problematischen Kontakten. Bei der antisemitischen ungarischen Jobbik-Partei trat Hübner vor zwei Jahren mit einer wohlwollenden Grußbotschaft auf, das tschetschenische Kadyrow-Regime fand er vor Kurzem ganz passabel. Die Funktion des Vereinsobmanns bekleidet der Kärntner Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek, der sich jüngst für den WKR-Ball mächtig ins Zeug legte. Als Kassier fungiert laut Vereinsregister Hubert Keyl, ein Mitarbeiter von Graf, der nach einer blutigen Prügelei, bei der der notorische Rechtsextreme Gottfried Küssel zu Hilfe geholt wurde, sogar aus seiner schlagenden Verbindung ausgeschlossen wurde. Finanziert wird der Verein durch die Beiträge seiner rund 50 Mitglieder, zu denen nach Auskunft im Büro Graf bei Weitem nicht nur Freiheitliche gehören. Wer das sein könnte, wollte man allerdings nicht preisgeben.

Der erste, zehntägige Aufenthalt in Paraguay im März 2011 ist auf der Homepage "Unzensuriert.at“, die von Mitarbeitern Grafs betrieben wird, recht gut dokumentiert. Der zweite Besuch fand im Oktober als Ausklang einer Chile-Reise statt, dauerte bloß drei Tage und war offensichtlich mehr privater Natur.

Der österreichische Botschafter in Buenos Aires, Robert Zischg, zuständig auch für Paraguay, hatte im März 2011 - auf Anfrage Grafs - Treffen mit Regierungsmitgliedern, Parlamentariern, dem Gerichtspräsidenten und dem Verein der Auslandsösterreicher in Asunción organisiert und die Delegation drei Tage lang begleitet.

Dazwischen nahm die Delegation private Termine wahr, die nach Auskunft von Beobachtern auf persönlichen Freundschaften von Graf beruhten. Der ehemalige FPÖ-Infrastrukturminister Mathias Reichhold war als Konsulent eines Energieunternehmens mit von der Partie. Er soll erfolgreiche Geschäftsanbahnungen vorgenommen haben. Wieder in Wien, stellte er für risikofreudige Investoren "hohe Renditen“ in Aussicht.

Der FPÖ-Abgeordnete Deimek schwärmte nach dem Besuch von den "Menschen, die für uns leicht zugänglich und erschließbar sind“. Auch ein mitgereister Immobilienmakler, Alexander Kaspar, sondierte das Terrain. Der Wiener Landtagspräsident Johann Herzog, der hierzulande die "Asylwerberflut“ gern "gegen null reduzieren“ würde, war vor allem von den deutschen Siedlungen schwer beeindruckt.

Im März 2011 unternahm die Delegation einen privaten Ausflug nach San Bernardino, wo der Antisemit Bernhard Förster mit einem Säckchen deutscher Erde, das Adolf Hitler geschickt hatte, beerdigt worden war. Auf der zweiten Reise traf man den Bürgermeister von San Bernardino. Man besuchte jedes Mal deutsche und österreichische Siedlungen aus der Zwischenkriegszeit, die nach 1945 ein beliebter Fluchtpunkt von NS-Kriegsverbrechern gewesen waren. Einer deutschen Schule wurde eine läppische Spende von tausend Euro übergeben.

Im März 2011 fuhr die Delegation sieben Stunden lang mit dem Bus nach Norden, um eine Mennonitensiedlung aufzusuchen, die Ende der zwanziger Jahre von russischen Volksdeutschen mit ausgeprägten Sympathien für den aufstrebenden Nationalsozialismus gegründet worden war. Nach 1945 hatten dort russisiche NS-Kollaborateure Zuflucht gefunden.

Hier wie dort sorgen sich die Freiheitlichen vor der so genannten "Überfremdung“. Der freiheitliche EU-Mandatar Andreas Mölzer verfasste für die Rechtspostille "Zur Zeit“ einen Reisebericht, in dem er den Nutzen der "Brückenköpfe“, die Österreich durch die "deutschstämmigen Bevölkerungsteile“ in der Region erwachsen, beschwört. Mölzer sieht auch Gefahren herandräuen: "Der ständig stärker werdende Zuzug indigener Bevölkerungsteile, die aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs und des guten sozialen Netzes angelockt werden, droht die deutsch-mennonitische Koloniebevölkerung zur Minderheit zu machen.“

In der "arischen“ Kolonie Nueva Germania sind die Freiheitlichen bisher nicht gewesen. Das würde ihn schon interessieren, meint Mölzer, der an der kommenden Reise aus Termingründen nicht teilnimmt.

In einigen der ehemals deutschen Kolonien in Paraguay leben die Menschen heute erfolgreich von der Rinderzucht, andere Siedlungen sind zu traurigen Lehmdörfern herabgesunken. Im Internet ist nachzulesen, welche Mühe sich die Nachfahren machen, die deutsche Sprache und Kultur zu konservieren. Hartnäckig hält sich in diesen Kreisen auch das groteske Gerücht, Adolf Hitler hätte sich nach dem Zusammenbruch des so genannten "Dritten Reichs“ mit Eva Braun in den Dschungel von Paraguay geflüchtet und habe dort unter dem Schutz der Stroessner-Diktatur bis in die fünfziger Jahre gelebt.

Kommende Woche sollen die deutschen Siedler durch die FPÖ-Delegation ein weiteres Mal moralische Unterstützung erfahren. Weil "die meisten Indianer nicht gerne arbeiten würden, aber bei der Allgemeinheit mitnaschen wollen“, so erfährt man auf der Homepage "Unzensuriert.at“, dächte so mancher schon wieder ans Auswandern: "Aber wohin?“

Christa   Zöchling

Christa Zöchling