Wunderbare Jahre

Telekom-Gutachten: 119.400 Euro FPÖ-Parteispende via Meischberger

Telekom. Wie Walter Meischberger Millionen scheffelte und auch die FPÖ mitnaschen ließ

Drucken

Schriftgröße

„Peter Hocheggers wahnwitziger Provisionsreigen: profil veröffentlicht die Buchhaltung seiner Valora AG aus den Jahren 2003 bis 2008. Wie der Lobbyist die Telekom-Millionen im ganzen Land verteilte: an Politiker, Parteien, Günstlinge – und an sich selbst.“ Diese Passage entstammt einem Bericht, der mittlerweile eineinhalb Jahre alt ist. In Ausgabe 8, erschienen am 20. Februar 2012, nannte profil jene Zahlungsempfänger, die das Nachrichtenmagazin „News“ vergangene Woche erneut „enthüllte“ – freilich ohne profil zu zitieren oder die späteren Erkenntnisse des parlamentarischen U-Ausschusses zu berücksichtigen. Dass die ÖVP-nahen Agenturen Mediaselect (190.800 Euro) und The White House (96.000 Euro) zwischen 2006 und 2008 via Hochegger insgesamt 286.800 Euro von der Telekom kassiert hatten – und das ohne erkennbare Gegenleistungen – war in profil ebenso zu lesen wie die Namen der übrigen Profiteure: unter ihnen Kurt Gartlehner (SPÖ), das SPÖ-nahe Medienhaus Echo, Hubert Gorbach, Matthias Reichhold, der ÖAAB, die Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB und deren Funktionär Franz Kusin. Die im Gutachten der Staatsanwaltschaft genannten Zahlungen decken sich mit den profil-Recherchen.

2464 Stunden und 45 Minuten Arbeit. Eine Gruppe von Sachverständigen und Hilfskräften. Am Ende steht ein 3133 Seiten starkes Gutachten plus Beilagen, erarbeitet im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien. 260.332 Euro und 72 Cent zuzüglich 20 Prozent Umsatzsteuer: Das ist jener Betrag, den die Unternehmensberatung Business Valuation der Republik Österreich im Juli dieses Jahres dafür in Rechnung stellte.
Es soll Lobbyisten und PR-Berater geben, die für deutlich mehr Geld sehr viel weniger Leistung erbracht haben.

In den vergangenen zwei Jahren arbeiteten sich Gutachter Matthias Kopetzky und Kollegen durch die Buchhaltung von vier Gesellschaften, die im Telekom-Skandal eine maßgebliche Rolle spielen: Peter Hocheggers PR-Agentur Hochegger Com, dessen privates Parteienfinanzierungsvehikel Valora AG, Walter Meischbergers „Agentur für strategische Kommunikation“ ZehnVierzig sowie das einstige Gemeinschaftsunternehmen von Hochegger, Meischberger und Karl-Heinz Grasser, dieValora Solutions. Im Kern ging es darum, jenen zehn Millionen Euro aus dem Telekom-Vermögen nachzuspüren, die zwischen 2003 und 2008 in dunklen Kanälen versickerten.

Wie das Magazin „News“ vergangene Woche unter Berufung auf die Expertise berichtete, konnten die Gutachter Zuwendungen an Unternehmen, Organisationen und Personen im Umfeld von ÖVP und SPÖ belegen. Der weitaus größte Teil der Zahlungen ist bekannt. profil hatte die Geldflüsse auf Grundlage von Hocheggers Buchhaltung bereits im Februar 2012 detailliert aufgeschlüsselt, später wurden sie im parlamentarischen Korruptionsausschuss aufgearbeitet und von den Grünen in einen umfassenden Abschlussbericht gepackt (siehe Kasten am Ende).
Eine bisher mäßig ausgeleuchtete Rolle spielte dagegen jener Mann, für den sich mit Schwarz-Blau ab 2000 ein Zeitfenster aufgetan hatte: Walter Meischberger, FPÖ-Generalsekretär a.D., ehedem Tankstellenpächter. Sein bester Freund Karl-Heinz Grasser saß im Finanzministerium, Jörg Haider zog als Kärntner Landeshauptmann im Hintergrund die Fäden.

„Eine besondere Stelle“
Und dann war da noch Peter Hochegger: „Eine besondere Stelle nimmt Ing. Walter Meischberger mit seiner ZehnVierzig GmbH ein, welcher satellitenartig an der Valora AG gehangen ist“, heißt es in Kopetzkys Gutachten.

Demnach setzte Meischbergers Agentur mit nur zwei geringfügig Beschäftigten zwischen 2003 und 2008 in Summe 3,7 Millionen Euro netto (exklusive Umsatzsteuer) um, wovon 1,76 Millionen Euro auf die „Hochegger-Gruppe“ entfielen. Dabei handelte es sich wiederum hauptsächlich um Gelder der Telekom Austria und des Glücksspielkonzerns Novomatic, die von Hochegger an Meischberger durchgereicht wurden.
Eine weitere Million kam vom Baukonzern Porr und dessen Beteiligungsgesellschaft UBM. Der Rest entfiel auf kleinere Kunden.
Was Meischberger für all das Geld geleistet hat? Für die Gutachter ist das mit wenigen Ausnahmen „nicht nachvollziehbar“; Meischbergers Tätigkeitsspektrum sei „inhaltlich völlig rückstandsfrei im Sinne auch nur der geringsten Unterlagenspuren und Kommunikationssplitter“.
Nach profil-Recherchen war Meischberger so etwas wie das Bindeglied zwischen zahlungskräftigen Unternehmen auf der einen Seite, der FPÖ und Karl-Heinz Grasser auf der anderen. Im Gutachten wird an mehreren Stellen auf das „Vertrauensverhältnis“ zwischen Meischberger und KHG verwiesen. Das Gespann steht bekanntlich auch im Verdacht, 2004 die Privatisierung der Bundeswohngesellschaften gemeinsam mit Hochegger und dem Immobilienkaufmann Ernst Karl Plech manipuliert zu haben. Die Beteiligten bestreiten die Vorwürfe.

Tatsache ist: Meischberger hat als geschäftsführender Gesellschafter der ZehnVierzig hervorragend gelebt. Sein Gehalt schwankte über die Jahre stark, lag aber selten bei weniger als 50.000 Euro brutto – im Monat. Kürzer hielt er da schon seine beiden Mitarbeiter, die sich um kaum mehr als 1000 Euro monatlich verdingten. Laut Gutachten entnahm Meischberger zwischen 2004 und 2008 insgesamt 1,95 Millionen Euro aus der Schatulle der ZehnVierzig. Ein Teil ging wohl für den aufwändigen Lebensstil mit Villa in Wien-Grinzing, wechselnden Luxuskarossen, Uhren, Kunstgegenständen und Urlauben auf der Sonnenseite drauf.

Aber eben nicht nur.

Die Sachverständigen rekonstruierten auffällig hohe Barbehebungen von Meischbergers Privatkonten bei der Volksbank Wien und der Hypo Vorarlberg. Allein zwischen 2004 und 2005 zog er nicht weniger als 559.000 Euro cash ab. Was mit dem Geld geschah, ist nach wie vor Gegenstand von Ermittlungen.

Karl-Heinz Grassers dunkle Erinnerung
Am 27. Juni 2005 etwa holte Meischberger auf einen Schlag 241.700 Euro bar von der Bank. Im Gutachten heißt es dazu: „Wir haben – Stand heute – den Eindruck gewonnen, dass die Abhebung der Gelder wohl zur Weitergabe an eine andere, wie auch immer in das Geschäft eingebundene Person stattgefunden hat.“
Bei diesem „Geschäft“ handelt es sich nach Auffassung der Justiz um die 2005 erfolgte Übersiedlung von Abteilungen des Finanzministeriums nach Wien-Simmering in das Gebäude einer Immobiliengesellschaft, die zu Meischbergers „Kunden“ zählte und damals wie heute in einem Naheverhältnis zum Baukonzern Porr steht: die UBM Realitätenentwicklung AG.
So überwies UBM Meischbergers ZehnVierzig am 15. Juni 2005 einen Betrag von 600.000 Euro (600.000 Euro inklusive Umsatzsteuer) – angeblich für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit einem Hotelprojekt in München.

Finanzminister damals: Karl-Heinz Grasser. Dieser wurde dazu bereits von der Justiz einvernommen, konnte sich aber nur dunkel erinnern, den Standort des Finanzamts in der Brehmstraße Nummer 14 „eröffnet“ zu haben. Im Gutachten heißt es: „Diesen Angaben folgend war Mag. Karl-Heinz Grasser seinen Angaben nach nicht in dieses Projekt involviert, wobei sich die Frage stellt, auf welcher Ebene im BMF die Entscheidung in Bezug auf eine Großimmobilie gefällt wird, wenn der Minister dabei völlig außen vorgelassen wird.“
Hat am Ende Grasser via Meischberger vom Abschluss des Mietvertrags profitiert? Das ist nicht bewiesen. Alle Beteiligten bestreiten jegliche Unregelmäßigkeit.
Die Buchhaltung der ZehnVierzig war vornehm ausgedrückt nicht immer à jour. Man könnte auch sagen, Meischbergers Gebarung war durchaus kreativ. Aber nie zu seinem Nachteil. Am Beispiel einer Kundenbeziehung aus den Jahren 2004 und 2005, welche die FPÖ schon im Verlauf des parlamentarischen Korruptionsausschusses in Erklärungsnotstand gebracht hatte: Nach Stand der Ermittlungen erhielt die Partei von der Telekom Austria jedenfalls mehr als jene 500.000 Euro, welche jüngst Gegenstand eines Strafverfahrens gegen Gernot Rumpold und andere waren (profil berichtete).

160.000 Euro zuzüglich 20 Prozent Umsatzsteuer, insgesamt also 192.000 Euro: Um diese Summe will die Telekom Austria 2004 die „Platzierung von Persönlichkeiten und Produkten“ in der FPÖ-Parteizeitung „Neue Freie Zeitung“ unter ihrem damaligen Geschäftsführer Arno Eccher gekauft haben. Inserate also, bestellt und bezahlt von der Telekom über den Umweg Hochegger/Meischberger.

Allein: Zwei „zur Sichtung“ abgestellte Beamte des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) konnten trotz intensiver Lektüre aller zwischen Mai und Dezember 2004 erschienenen Ausgaben der Wochenzeitschrift „keine Inserate oder Schaltungen mit Bezug zur Telekom Austria“ finden. Dessen ungeachtet überwies Meischberger der „NFZ“ im Jahr 2005 eben dafür 119.400 Euro brutto.

Der Rest, immerhin 72.600 Euro? Ein Mitarbeiter Meischbergers gab bei einer Einvernahme 2013 Folgendes zu Protokoll: „Was ich mich erinnern kann, ist, dass ich das bei Walter Meischberger angesprochen habe und Meischberger mir gesagt hat, dass dies im Rahmen der ‚BZÖ-Abspaltungsgeschichte‘ aus dem Fokus geraten ist und man keine ‚schlafenden Hunde‘ wecken sollte … Der offene Betrag wurde niemals eingemahnt … Ich kann mir nicht erklären, warum sich die NFZ nicht gemeldet hat.“

Mit anderen Worten: Ein Teil der Gelder, die eigentlich für die FPÖ bestimmt waren, blieben bei Meischberger kleben. Die Gutachter gehen jedenfalls davon aus, dass es sich „aus derzeitiger Sicht“ um eine „Parteispende der Telekom Austria“ handelte.

Dass hinter all den Zahlungen, die Meischberger im Laufe der Jahre ereilten, tatsächlich Arbeit im engeren Sinn des Wortes stand, darf bezweifelt werden. Im Gutachten wird dies anhand einer einfachen Rechnung dargelegt: Im Jahr 2004 fakturierte Meischbergers ZehnVierzig knapp über eine Million Euro. Legt man den in der Branche gängigen Stundensatz von 200 Euro netto zugrunde, hätte Meischberger „im Jahr 2004 mehr als zweieinhalb Jahre arbeiten müssen“, um die von ihm selbst gelegten Rechnungen zu plausibilisieren.

Und Urlaub braucht der Mensch ja auch.

Ambitionierte Amateur-Golfer
Am 13. März 2004 durfte sich ein Grüppchen ambitionierter Amateur-Golfer um Meischberger und den damaligen Telekom-Manager Rudolf Fischer mit dem iberischen Weltklassespieler José Maria Olazabal messen. In Bilbao, Spanien. Die Rechnung für den Blitztrip im „Citation“-Business-Jet in der Höhe von 9950 Euro zahlte Meischbergers Agentur.
Oder auch nicht.

Im Gutachten steht zu lesen: „Für uns sieht es … danach aus, als hätte die ZehnVierzig die Aufwendungen für den Charterflug an die Valora AG als ,Entwicklung von Lobbyingstrategien und Umsetzungsberatungen‘ weiterverrechnet.“

Wobei es dann auch nicht mehr überraschen sollte, dass auch Hocheggers Valora nicht auf den Kosten sitzen blieb. „Aufgrund der Teilnahme von Rudolf Fischer … und der Art und Weise, wie Verrechnungen zwischen der Telekom Austria und der Valora AG vorgenommen wurden, gehen wir davon aus, dass die EUR 9950 netto … für den Charterflug … über den in der Valora AG vorhandenen ,Telekom-Geldtopf‘ gedeckt wurden.“
Doch es kommt noch besser: Unmittelbar vor dem Golftrip legte Meischbergers Agentur der Telekom eine Rechnung über 10.500 Euro plus Umsatzsteuer, Rechnungszweck: „Druckgraphik von Mo Stadler www.golfball.ade“ (sic!).

Was genau da der Telekom verkauft wurde, konnte sich das Team Kopetzky nicht erklären. „Möglicherweise wurde für die Reise nach Bilbao zum Golfen eine Ausrüstung angeschafft. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass der Flug nach Bilbao der Telekom Austria gleich doppelt verrechnet wurde.“
Und das ist nicht die einzige Lustreise, die den Sachverständigen aufstieß. Wie profil bereits 2010 enthüllte, ließ sich der damalige Finanzminister Grasser von Meischberger im April 2004 einen einwöchigen Urlaub mit seiner damaligen Lebensgefährtin auf den Seychellen von Meischberger bezahlen. Kostenpunkt inklusive Flug: 4680 Euro. Wie die Gutachter feststellen, wurde die Rechnung von der ZehnVierzig beglichen, verbucht im Aufwandskonto „7180 Werbegeschenke“: „Hieraus ist … erkennbar, dass es sich um einen betrieblichen Aufwand der ZehnVierzig handelte und der Seychellen-Urlaub buchhalterisch als ,Geschenk‘ erfasst wurde.“

Grasser hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft stets beteuert, die Kosten später bar „in kleineren Beträgen aufgeteilt“ an Meischberger refundiert zu haben. In seiner Expertise schreibt Matthias Kopetzky: „Wir erachten als äußerst ungewöhnlich, dass unter den gegebenen Einkommensverhältnissen der Beteiligten ein Abstottern dieser … Zuwendung erfolgt sein soll und wird dies das Gericht zu würdigen haben.“
Was die Gutachter insinuieren, ohne es belegen zu können: Die Telekom Austria, deren Eigentümervertreter Karl-Heinz Grasser einst war, könnte auch diese Reise finanziert haben.

Infobox

A wie Alcatel
Wohin floss das Geld eines Konzerns, dem VP-Politiker Himmer vorstand?

Die Gutachter um Matthias Kopetzky beschäftigten sich im Zuge der Telekom-Aufarbeitung am Rande auch mit zwei Studien, die Peter Hochegger für den Österreich-Ableger des Elektronikkonzerns Alcatel Lucent ausgetüftelt haben will. Dieser war von April 2007 bis 2012 von ÖVP-Bundesrat Harald Himmer geführt worden, an welchen die Rechnungen auch persönlich adressiert waren. Die erste Studie – „Leistungszeitraum November 2007 bis Jänner 2008“ – war Himmer 127.200 Euro wert und wurde bereits im Dezember 2007 bezahlt. Für die zweite Studie im Gegenwert von 117.600 Euro (Rechnungsdatum Mai 2008) stellte Hocheggers Valora eine Gutschrift an Alcatel aus. Ihre Recherchen ließen die Sachverständigen zu dem Schluss kommen, dass beide Papiere erst im Mai 2008 entstanden. Sie merken an, „dass die Alcatel Austria in derselben Excel-Datei wie die Telekom Austria verwaltet wird und somit ein ähnlicher Sachverhalt wie bei der Telekom im Raum steht“. Soll heißen: Dass die Expertisen lediglich ein Vorwand waren, um Gelder von der Alcatel über Hochegger an vorerst nicht bekannte Empfänger umzuleiten. Der Umstand, dass Hochegger die Arbeit allein geleistet haben will, bestärkt sie in dieser Annahme: „Wir bezeichnen Projekte, von welchen Peter Hochegger behauptet, sie im Alleingang erbracht zuhaben, als Geldtransferprojekte, da wir den Eindruck gewonnen haben, dass in diesen Geldtransferprojekten nie bis kaum tatsächlich nachvollziehbare Tätigkeiten erbracht wurden und diese Projekte daher …zur Bewegung von Geldsummen von A nach B gedient haben dürften.“
A ist Alcatel. Und B?

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.