Kosmetischer Eingriff

Israelitische Kultusgemeinde: Wurde die Wahl manipuliert?

Affäre. Zoff in der Israelitischen Kultusgemeinde wegen angeblichen Stimmenkaufs

Drucken

Schriftgröße

Oskar Deutsch, 49, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, gilt als besonnener Mann. Doch vergangene Woche packte ihn wahrer Zorn. Einen zweiseitigen, auf Englisch abgefassten Brief an Funktionäre des European ­Jewish Congress (EJC), datiert mit
3. Dezember, schloss Deutsch mit dramatischen Worten: „Wir sind in der Lage, Antisemiten und Feinde des jüdischen Volkes zu bekämpfen, aber wir können nicht überleben, wenn jüdische Führungspersönlichkeiten, die uns schützen und repräsentieren sollten, versuchen, unsere Wahlen zu kaufen“

"Namhafter Geldbetrag"
Konkret richtete sich Deutschs Unmut gegen eine der prominentesten jüdischen Führungspersönlichkeiten: Ronald S. Lauder, 68, Miteigentümer des Kosmetikkonzerns Estée Lauder, 1986 Botschafter der USA in Wien, seit 2007 Präsident des World Jewish Congress, des Dachverbands jüdischer Organisationen in mehr als 100 Ländern. Lauder soll, so der Vorwurf, versucht haben, die jüngsten Wahlen der IKG zu beeinflussen. Originalzitat aus Deutschs Brief: „It is unacceptable that Mr. Lauder tries ‚to buy‘ a community or its president.“

Hauptkontrahenten der Auseinandersetzung um Lauder sind Oskar Deutsch und Martin Engelberg. Deutsch löste im Frühjahr den langjährigen Präsidenten Ariel Muzicant an der Spitze der Kultusgemeinde und der Liste Atid ab. Engelberg ist Gründer der noch jungen Gruppierung Chaj und galt als Herausforderer von Deutsch bei den IKG-Wahlen am 11. November. Trotz Verlusten blieb Atid mit sieben von 24 Mandaten stärkste Fraktion. Chaj landete mit drei Mandaten auf Platz drei, hinter den bucharischen, aus den ehemaligen Sowjetrepubliken stammenden Juden mit sechs Sitzen im Kultusrat.

Wie Deutsch in seinem Schreiben an den EJC behauptet, hätten Engelberg und Lauder am 9. November drei anderen Fraktionen – Bucharen, Machsike Hadass (Block der religiösen Juden) und Georgische Juden – mit einem „namhaften Geldbetrag“ („substantial offer of money“) ein unmoralisches Angebot gemacht. Konkret sollte das Geld aus Gemeindemitteln fließen – mit Lauder als Bürgen, sollte das IKG-Budget nicht ausreichen. In einem Schreiben an die Fraktionen hätte Lauder erklärt, beim Wiener Anwalt Daniel Charim vorweg 550.000 Euro deponiert zu haben. Die erwartete Gegenleistung: Im neuen Kultusrat sollten die Gruppierungen Engelberg zum Präsidenten wählen.

Am Tag nach der Wahl kündigten die drei Fraktionen freilich an, für Deutsch zu stimmen. Daraufhin sollen Engelberg und Lauder, so Deutschs Vorwurf, den Druck weiter erhöht haben. Zuletzt wären diversen Fraktionen insgesamt 4,5 Millionen Euro angeboten worden, „all of them offered and guaranteed by Ronald S. Lauder“. Aufgrund Lauders „unmoralischen und absolut unannehmbaren Verhaltens“, so Deutsch in seinem Brief an den EJC, wurde der WJC-Präsident Mitte November zur Persona non grata erklärt und mit Hausverbot für IKG-Einrichtungen belegt.

"Eklatanter Machtmissbrauch"
Am 29. November war das Ringen schließlich vorüber: 21 von 24 Mitglieder des Kultusrats wählten Oskar Deutsch zum Präsidenten. Doch Ruhe kehrte nicht ein. In einem Facebook-Eintrag und einem Rund-Mail berichtete ­Engelberg über das Hausverbot für Lauder und warf Deutsch „eklatanten Machtmissbrauch“ vor. Die für die Einhaltung des Hausverbots ver­antwortlichen Sicherheitskräfte seien „kein persönlicher oder politischer Polizei- und Spitzeldienst der IKG-Führung“.

Deutschs Vorwürfe weist Engelberg gegenüber profil als unwahr zurück: „Ich finde es schändlich, dass Ronald Lauder in diesen Wahlkampfsumpf gezogen wird. Er hat in den vergangenen Jahrzehnten viel für die jüdische Gemeinde in Wien getan.“ Er sei an Lauder herangetreten und habe diesem das Programm seiner Liste präsentiert, da Lauder in der Vergangenheit ähnliche Projekte in Wien philanthropisch unterstützt habe.
Laut Stellungnahme von Oskar Deutsch habe die IKG „diese Causa nicht in die Öffentlichkeit gebracht“. Man habe auch künftig vor, „diese Frage intern zu klären“.

Gegenüber israelischen Medien dementierte ein Sprecher von Ronald Lauder sämtliche Vorwürfe. Dass der WJC-Präsident eine Garantiezahlung in Höhe von 550.000 Euro leistete oder zumindest ankündigte, wie von Deutsch behauptet, soll freilich belegbar sein. Laut profil-Informationen deponierte die IKG-Führung ein Lauder belastendes Schriftstück mit dessen Unterschrift bei einem Wiener Rabbiner. Für Lauder könnte die Affäre jedenfalls unangenehme Folgen haben. Laut Statuten des WJC ist es Funktionären untersagt, auf interne Belange jüdischer Gemeinden Einfluss zu nehmen. profil-Informationen zufolge plant der EJC bereits eine Untersuchung der Affäre.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.