Nothilfe ohne Ende

Gaza: Nothilfe ohne Ende

Nahost. Warum Hilfsorganisationen wie Care in Gaza das sechste Jahr in Folge Lebensmittel verteilen müssen

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Ohne die Hilfe von außen wäre Gaza verloren. Es sind nicht so sehr die Kriegsfolgen, die der Bevölkerung die Lebensgrundlage entziehen. Das Land hätte auch das Potenzial für einen wirtschaftlichen Aufschwung: Die – im Schnitt sehr junge – Bevölkerung ist ausreichend gebildet, und in der jüngeren Vergangenheit begann sich so etwas wie Export zu entwickeln. Dann kam die Blockade, und seither haben Unternehmen dichtgemacht, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Armut wächst.

Bauern lassen Felder brachliegen, weil sie sich nicht an die Pufferzone entlang des Begrenzungszaunes heranwagen, aber auch, weil sie für ihre Waren keine Abnehmer mehr finden. Viele Familien können sich kein Obst und Gemüse leisten, die Marktpreise sind im Keller. Da lohnt sich der Anbau nicht.

Hilfsorganisationen wie Care versuchen, solche verhängnisvollen Kettenreaktionen zu durchbrechen. Dank dem Einsatz von EU-Geldern garantiert Care Kleinbauern in Gaza die Abnahme von Gemüse zu vernünftigen Preisen, auch wenn der Marktpreis vorübergehend deutlich darunter liegt.

Walid Erhiem ist einer der solcherart gestützten Bauern. Er und seine Brüder teilen sich ein Stück Land, das sie jetzt wieder bestellen. Sechs Tonnen Gemüse können sie pro Saison produzieren, von dem Ertrag leben 29 Familienmitglieder, die alle unter einem Dach wohnen. Sie sind froh über den Deal, auch wenn sie gerade eben über die Runden kommen. Weil sie sich kein Brennöl leisten können, verwenden sie den selbstgebauten Lehmofen, in dem sonst nur Brot gebacken wird, zur Speisezubereitung.
Die von Bauern wie Erhiem gelieferten Tomaten, Gurken, Kartoffeln und Auberginen werden anschließend von Frauen sortiert und verpackt, denen Care so ein Einkommen verschafft – das einzige in der Familie, so lautet eines der Kriterien bei der Bewerbung. Am Ende der Hilfskette stehen Bedürftige wie Wafah Baker Allewa, die acht Töchter und einen Sohn hat und deren Ehemann wegen eines psychischen Leidens arbeitsunfähig ist. Sie holt am Dienstag den Sack voll Gemüse an der Care-Verteilungsstelle in einer Lagerhalle ab. Er enthält frische Lebensmittel im Wert von umgerechnet 6,40 Euro. Es ist immer ein besonderer Tag für die ganze Familie.

Lebensmittel zu verteilen wird Gaza langfristig nicht auf die Beine bringen. Das wissen auch die Verantwortlichen der Hilfsorganisationen. Thomas Haunschmid, Kommunikationsleiter von Care Österreich, resümiert: „Solange der Waren- und Personenverkehr über die Grenze von Gaza drastisch eingeschränkt ist, ist diese Art von chronischer Nothilfe wohl vonnöten.“

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur