Hacker-Angriff auf Meinl-Gutachter

profil Exklusiv: Abberufener Gutachter Havranek Opfer eines Hacker-Angriffs

Havranek wurde Opfer einer Nazi-Homepage

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Der Meinl-Skandal ist um eine unappetitliche Facette reicher: Die Justiz hat Ermittlungen gegen unbekannte Täter wegen des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz und des Datenmissbrauchs aufgenommen. Nach profil-Recherchen wurde Thomas Havranek, nunmehr endgültig abberufener Meinl-Sachverständiger der Staatsanwaltschaft Wien, jüngst Opfer eines Hackerangriffs.

Über Havraneks privaten Internet-Account beim Provider UPC/inode wurde eine (mittlerweile gesperrte) Homepage mit NS-Inhalten ins Netz gestellt, darunter Hakenkreuze, Fotografien von Adolf Hitler, Joseph Goebbels, Nazi-Gesänge und Links zu rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland. Die Affäre flog überhaupt nur deshalb auf, weil ein „besorgter Bürger“ die Staatsanwaltschaften Innsbruck und Wiener Neustadt in zwei gleich lautenden Sachverhaltsdarstellungen über die Existenz der Seite informierte.

Nach vorläufigen Erkenntnissen der Behörden deutet aber alles darauf hin, dass der – anonyme – Anzeiger selbst in die Sache verwickelt ist. Erste Spuren führen zu drei IP-Adressen im angrenzenden Ausland. Havranek hat nun seinerseits Anzeige wegen der Verleumdung und des Datenmissbrauchs eingebracht. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wer dahinter stecken könnte“, so der Gutachter gegenüber profil. Einen direkten Zusammenhang zu seiner Gutachter-Rolle im Meinl-Skandal könne er derzeit jedenfalls „nicht erkennen“.

Havranek war im August 2008 von der Staatsanwaltschaft Wien beauftragt worden, den Skandal um verheimlichte Wertpapierrückkäufe bei Meinl European Land (heute: Atrium European Real Estate) aufzuarbeiten. Seither hat die Meinl-Seite den Gutachter auch öffentlich wiederholt der Unfähigkeit und der Befangenheit geziehen. Vorläufiger Höhepunkt: Am 1. Juli dieses Jahres wurde Havranek von Richterin Bettina Deutenhauser auf Drängen der Meinl Bank wegen angeblicher Voreingenommenheit in Zusammenhang mit einem meinl-kritischen Gastkommentar im „Wirtschaftsblatt“ aus 2007 abberufen – die Staatsanwaltschaft Wien meldete daraufhin Beschwerde beim Oberlandesgericht Wien an, diese wurde aber per 11. September von einem dreiköpfigen Richtersenat abgewiesen. Havranek ist damit endgültig aus dem Rennen. Begründung des OLG: Der Gastkommentar sei „geeignet, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler nahe liegende Zweifel an unvoreingenommener und unparteilicher Gutachtenerstattung zu wecken.“

Zum Drübersteuen brachte Meinl-Anwalt Georg Schima am 22. Juli auch noch eine Disziplinaranzeige gegen den offensichtlich unbequem gewordenen Sachverständigen bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ein – die absurde Begründung: „Verletzung der Ehre des Berufsstandes durch Annahme des Gutachterauftrages“.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.