Wahrheitsfindung

Kunst und Theoriemarathon beim steirischen herbst 2012

steirischer herbst. Kunst und Theoriemarathon beim steirischen herbst 2012

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Die Erschöpfung ist bereits da, obwohl es noch gar nicht richtig losgegangen ist. "Ein Projekt dieser Größenordnung hebelt normale Festivalstrukturen total aus“, sagt Veronica Kaup-Hasler, die langjährige Leiterin des Multispartenfestivals steirischer herbst. "Für mich ist das einmalig und eine totale Überforderung.“ Tatsächlich klingt schon das Kernprojekt des Festivals, das Camp "Truth is concrete“ (es startet am 21.9.), nach Superlativen: Über 200 Kreative, Aktivisten und Theoretiker analysieren eine Woche lang rund um die Uhr künstlerische Strategien in der Politik und politische Strategien in der Kunst. 100 Stipendiaten aus aller Welt werden mitdiskutieren und versuchen, möglichst lange wach zu bleiben - es stehen im Festivalzentrum Thalia aber auch Betten bereit. Das Programm habe sich bis zuletzt ständig verändert, erzählt die Festivalchefin. Einige der politischen Aktivisten, die man hatte einladen wollen - auch die russische Künstlergruppe Pussy Riot befand sich auf einer frühen Wunschliste -, wurden drangsaliert oder gleich verhaftet, andere hatten im letzten Moment keine Ausreisegenehmigung erhalten.

Mit diesem Camp wird der ehrgeizige Versuch unternommen, die politische Aufbruchsstimmung der vergangenen eineinhalb Jahre künstlerisch und theoretisch zu reflektieren: den arabischen Frühling, die Demonstrationen gegen die massiven Zensurbestrebungen in Russland und China, die globale Occupy-Bewegung. "Egal, wohin wir gereist sind, es hat politisch gebrodelt“, so Kaup-Hasler zur Initialzündung ihres Projekts. "Wir konnten uns dieser Themenstellung einfach nicht entziehen: Überall ging es um die brisante Frage, was Kunst in diesen Umbruchszeiten konkret leisten könne.“ Sie hat den Kunstbegriff bewusst sehr weit gefasst, von der Kultur zur politischen Ideologie ist es eben weniger weit, als man denkt. Es wird im Camp beispielsweise eine Karaoke-Show geben, bei der Zuschauer die Möglichkeit haben, berühmte politische Reden erneut durchzuspielen, Antanas Mockus, der ehemalige Bürgermeister von Bogotá, wird über seine ungewöhnlichen politischen Auftritte berichten (im Wahlkampf trug er Anzüge von Superhelden), die unter dem Label Femen auftretenden ukrainischen Feministinnen erklären ihre "Bare-Breasts“-Performances, darüber hinaus werden Reverend Billy & The Church of Stop Shopping inbrünstig gegen das herrschende Konsumverhalten predigen. Und das alles ist nur der Anfang: Nach dem Ende von "Truth is concrete“ wird der steirische herbst noch zweieinhalb Wochen lang weiterlaufen - unter anderem mit Ausstellungen, Filmen und Performances, mit Konzerten von Terre Thaemlitz und Franz Pomassl und Musiktheater von Heiner Goebbels. Erschöpfend eben.

Infos: www.steirischerherbst.at

Karin   Cerny

Karin Cerny