Vertragsunwesen

Tatort Hypo: Die Republik Österreich verweigert Zahlung an Bayern

Hypo Alpe-Adria. Österreich verweigert Bayern die Zahlung von 3,8 Mrd. Euro - und bricht damit seine Verträge

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"Die Wahrheit über das Hypo-Desaster: Die Rettung der Bank wird noch teurer werden, auch wenn die Regierung das nicht zugibt."
profil Nr. 46/10

"Tatsache ist, dass der damalige Finanzminister Pröll sich bei der Verstaatlichung nicht besonders geschickt angestellt hat – er hätte den Münchnern einen weitaus höheren Sanierungsbeitrag abverlangen können, wenn nicht müssen."
profil Nr. 40/12

Ein Vertrag ist ein Vertrag. 23. Dezember 2009, Wien: ­Alfred Lesjek, Beamter des Finanzministeriums unter Josef Pröll, krakelt seine Unterschrift auf ein Papier, das seine Kollegen von der Finanzprokuratur in aller Eile aufgesetzt haben: ein Aktienkaufvertrag, der die Verstaatlichung der vor dem Kollaps stehenden BayernLB-Tochter Hypo Alpe-Adria sichern soll. Eine Woche später, am 29. Dezember, unterfertigen aufseiten der Bayerischen Landesbank Michael Kemmer und Stefan Ermisch, zwei damalige Vorstandsdirektoren.

Der Vertrag dokumentiert, was die Verhandler beider Seiten am frühen Morgen des 14. Dezember paktiert haben. Die Republik Österreich übernimmt die Hypo Alpe-Adria um einen symbolischen Euro und schießt 450 Millionen Euro Kapital zu, die BayernLB legt ihrerseits noch einmal 825 Millionen Euro drauf – und verpflichtet sich des Weiteren, der Hypo Kreditlinien von bis zu 3,1 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, wovon der größte Teil Ende 2013 zurückgezahlt werden muss. Im Gegenzug verzichtet die Republik Österreich ausdrücklich auf jedweden Gewährleistungsanspruch. In Punkt 6.2 des profil vorliegenden Aktienkaufvertrags heißt es wörtlich: „Jegliche … Gewährleistung, Garantien und Haftungen aus dem Aktienverkauf sind mit dem Forderungsverzicht zur Gänze abgegolten und werden im Übrigen ausdrücklich ausgeschlossen.“
Die Finanzprokuratur ist so etwas wie die Anwaltskanzlei des Bundes, deren Juristen sollten ­also in der Lage sein, eine Vereinbarung wie diese unfallfrei auf­zusetzen.

Andererseits: Ein Vertrag ist ein Vertrag ist auch nur ein Stück Papier. Und genau daran fühlt sich die Republik Österreich plötzlich nicht mehr gebunden. Vor wenigen Tagen, also drei Jahre nach der Verstaatlichung, hat die Hypo Alpe-Adria den Bayern schriftlich erklärt, sie denke erst einmal nicht mehr daran, die noch bestehenden Kredite zurückzuzahlen. Und fordert nassforsch auch noch seit 2008 geleistete Tilgungen und Zinsen wieder zurück – in Summe rund 3,8 Milliarden Euro. Begründung: Da die BayernLB einst Hauptaktionär der notleidenden Hypo war, seien die „in der Krise“ gewährten Kredite nicht als ordinäre Finanzierungen zu qualifizieren, sondern vielmehr als so genannte eigenkapital­ersetzende Darlehen. Und diese dürften erst abgerechnet werden, wenn die Kärntner Bank entweder nachhaltig saniert oder liquidiert sei. Und das wird so oder so noch Jahre dauern. Technisch gesehen kommt die Maßnahme also einer Stundung auf unbestimmte Zeit gleich. Die BayernLB hat die Hypo daraufhin vor dem Landgericht München verklagt, der Freistaat Bayern will den Fall obendrein auch vor die EU-Kommission tragen.

Sanierung kostspieliger als angenommen
Bereits im November 2010 hatte profil davor gewarnt, dass die Sanierung der Hypo kostspieliger werden würde als allgemein angenommen. Und tatsächlich musste die Republik zu den zwischen 2008 und 2009 geleisteten Kapitaleinschüssen von 1,55 Milliarden Euro (1,35 Milliarden vom Bund, 200 Millionen vom Land Kärnten) im Dezember dieses Jahres noch einmal 500 Millionen Euro injizieren. Und selbst das wird nicht ausreichen. Im Stab von Prölls Nachfolgerin Maria Fekter gibt man dafür den Bayern die Schuld – diese hätten bei den Verhandlungen Ende 2009 Altlas­ten in den Büchern bewusst unterschlagen. Das ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil die BayernLB umgekehrt argumentiert, sie sei beim Einstieg in die Hypo 2007 vom Land Kärnten über den Tisch gezogen worden. In letzter Konsequenz wollen die Österreicher die Bayern zurück an den Verhandlungstisch zwingen, um einen höheren Sanierungsbeitrag herauszuschlagen. Schließlich wird in Österreich 2013 gewählt – in Bayern (und ganz Deutschland) bedauerlicherweise aber auch. Das erklärt auch die erboste Reaktion von Fekters Münchner Pendant Markus Söder, welcher der ÖVP-Schwesterpartei CSU angehört. Söder geißelte den Zahlungsstopp vor wenigen Tagen als „klaren Rechtsbruch“ und stellte die bange Frage: „Wer soll noch österreichischen Banken vertrauen, wenn er um sein angelegtes Geld fürchten muss?“

Wahr ist, dass die Verhandler der Republik sich Ende 2009 nicht die Zeit nahmen (oder nehmen konnten), die Bücher der Hypo genauer zu untersuchen. Wahr ist aber auch, dass die Finanzprokuratur – im ausdrücklichen Auftrag des Finanzministeriums – keine wie immer gearteten Vorbehalte oder allfälligen Gewährleistungsansprüche in den Aktienkaufvertrag hineinreklamierte. Wenn ­Bayerns Finanzminister Söder ­also von einem „klaren Rechtsbruch“ spricht, so ist das zumindest argumentierbar.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.