Ermittlungen: “Die Dichands werden halten!! bin mir sicher!”
Letzte Woche fand in den Räumlichkeiten des heute-Verlags eine Hausdurchsuchung statt, und wie der profil vorliegende Ermittlungsakt zeigt, kam man durchaus vorbereitet. DER STANDARD berichtete zuvor über den Akt. Auf über 1000 Seiten zeichnen die Ermittler der WKStA das Bild eines Mediensystems, in dem Eva Dichand privat für eine Änderung der Stiftungsregeln und mehr Inserate für ihr Medium lobbyiert haben soll. Der Auswertungsbericht zeichnet ein Sittenbild des politmedialen Komplexes Österreichs. Es geht um Beziehungen zwischen Verwaltung, Politik und Medien. Gemeinsame Abendessen, Urlaube und Wanderungen. Es geht um Lobbying und Inserate. Die WKStA hegt den Verdacht, dass das Finanzministerium unzulässig viel Geld in Boulevardmedien gepumpt hat, um im Gegenzug positive Berichterstattung über die neue ÖVP und ihren Chef Sebastian Kurz zu erwirken. Am Dienstag berichtete profil exklusiv, dass es vergangene Woche auch zu Hausdurchsuchungen bei zwei Media-Agenturen, die Inseratschaltungen für das Finanzministerium durchführten, gekommen ist. Es geht um Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue. Alle Beschuldigten bestreiten die Anschuldigungen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Rückblick in den März 2017: Sebastian Kurz, damals Außenminister, bereitete sich auf die Übernahme der ÖVP und in weiterer Folge Neuwahlen vor. Am 22.3. schreibt Thomas Schmid - damals Generalsekretär im Finanzministerium - an Kurz:
Hatte sehr langes und gutes Gespräch mit Eva Dichand und in der Folge mit Helmut Fellner! Hier ist wirklich etwas gelungen! Beide stehen voll hinter dir
In dieser Form gab es das bei einem ÖVP Kandidaten sicherlich noch nie!
Einige Punkte müssten aber verstärkt beachtet werden:
Stiftungen, Presseförderung, RTR usw.
Vielleicht hast du einmal kurz Zeit darüber zu reden.
Liebe Grüße
Thomas
Geld und Stiftungen
Zwei Themen sind mit der Nachricht also schon mal gesetzt: Stiftungen und Presseförderungen.
Zentrale Person ist Thomas Schmid, auf seinen Chat-Nachrichten baut der Bericht rund um Eva Dichand auf. Er pflegt engen Kontakt mit Eva, die er schon viele Jahre privat kennt. Ihren Mann Christoph Dichand lernt er über seine alte Freundin kennen. Schließlich fährt er mit dem Ehepaar auch auf Urlaub. Inhaltlich setzt sich die Familie Dichand für die Änderung des Privatstiftungsgesetzes ein (die dann schließlich nicht kam). Die Dichands haben selbst gut dotierte Familienstiftungen, aus denen man einfach mehr Geld entnehmen können möchte. Schmid spricht in den Chats vom Mai 2017 von einer Stiftungsoffensive. Ein Thema, das im Hintergrund behandelt wird. Für Österreichs Innenpolitik sind es bewegte Zeiten: Kurz löst in jenen Tagen Reinhold Mitterlehner als Parteichef ab, Neuwahlen stehen vor der Tür.
Schmid schreibt Kurz am 12.5. 2017:
“Die Dichands werden halten!! bin mir sicher!
Ich starte mit Eigentümern jetzt dann im BMF eine Stiftungsoffensive - alter Wunsch von Eva
LG t.”
Bei den Stiftungen stand nach einem OGH-Spruch eine Neuregelung an, Dichand lobbyierte mit anderen Stiftungshaltern (darunter ÖVP-Spendern) - auch Experten befinden eine Änderung des Stiftungsrechts zu diesem Zeitpunkt für überfällig. Es gab einen entsprechenden Termin im Finanzministerium, doch das Ergebnis passt Eva Dichand nicht. Das Justizministerium unter Wolfgang Brandstetter legte schließlich einen Gesetzesentwurf vor, der Dichand erzürnt.
“Sie macht jetzt Terror”
Am 30. Juni schreibt Schmid an den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling:
Eva Dichand und Stiftungen sind total sauer.
Brandstetter Begutachtungsentwurf ist schlecht und beinhaltet Transparenz Regelungen
Sie macht jetzt Terror.
BMI hat dieses Paket immer abgelehnt.
Im Finanzministerium gab man in weiterer Folge eine negative Stellungnahme zum Stiftungsgesetz ab. Man forderte ein Paket, und kein Stückwerk.
Schmid und Dichand tauschten sich am 17.7.2017 dazu aus:
Liebe Eva, wir geben morgen unsere negative Stellungnahmen zum Stiftungsgesetz des BMF ab. LG Thomas
Ok. Melde mich nacher. Danke für Info. Hoffe, sehr negativ, Es gibt mittlerweile auch Vorschlag von Prof. Nowotny für BM Brandstaetter. lg Eva
Nein. Alles ok. Habe dir SMS geschickt.
Wir sagen dass wir ein Paket und kein Stückwerk wollen und das daher ablehnen.
Ok Danke!! (y)”
Auch wenn man sich 2017 nicht durchsetzte, Eva Dichand ist bekannt für ihre Hartnäckigkeit, die sie auch so erfolgreich machte. Auch 2018 - profil berichtete - ebbte die Stiftungsoffensive nicht ab. Unter Finanzminister Hartwig Löger kam es zu einem Stiftungsfrühstück mit Eva Dichand. Für Stiftungen sollte es zu Erleichterungen kommen, was jedoch mit dem Ende der schwarz-blauen Regierung wieder versandete. Neben positiver Berichterstattung für Kurz ortet die WKStA auch, dass die Dichands in erpresserischer Art eine Änderung des Stiftungsrechts erwirken wollten, und untermauert das mit den verschiedenen Chats, die mit Thomas Schmid ausgetauscht wurden. Familie Dichand wehrt sich gegen diese Darstellung, spricht von falscher Interpretation.
Inserate, Inserate, Inserate
Doch neben den Privatstiftungen ging es für Dichand auch um Geschäftliches - wie der WKStA-Bericht zeigt. Es geht um Förderungen und Inserate. Was bemerkenswert ist: Unter Minister Hans-Jörg Schelling schlug das BMF zunächst eine Sparpoltik ein.
Schmid an Schelling 20.9. 2014:
“Vorschlag: das BMF verzichtet ganz auf Schaltungen im Sinne des Sparens. Keine Inserate mehr in Zeitungen oder Spots in radio und fernsehen. (Werbebudget für Veranstaltungen, empfange, Bundesländer Tage usw. brauchen wir aber schon). LG t”
Und im März 2015 betont Schmid gegenüber Schelling noch: “Inserate auf null. - Von 8 Mio. auf Null”
Die Politik bei den Inseraten blieb offenbar nicht unbemerkt.
Schmid an Schelling ein paar Wochen später: “Eva Dichand wird dich fragen wieso wir keine Inserate mehr machen. Alternative: könnten mit ihnen Journalisten, Ausbildungsprojekte usw. überlegen.”
Doch ab dem Jahr 2017 schnellten die Inseraten des Finanzministeriums in die Höhe, 7,2 Millionen Euro gab man in dem Jahr aus. Es sprudelte nur so an Geld.
Am 5. Dezember 2018 schreibt Schmid an Johannes Frischmann, dass das BMF “knapp 9 Millionen [Euro] für Inserate vergeben” habe, gemeint waren offenbar Inserate in der Krone, Heute und Österreich - das sei für Dr. Dichand laut Schmid “ok. Nur Newsgruppe bekommt zu viel.”
Eigentliches Ziel der Werbekampagnen war es, möglichst viele zu erreichen, wie aus dem Bericht der WKStA ersichtlich ist. Wer eine hohe Reichweite, breite Zielgruppe und Auflagenstärke hatte, bekam das große Geld. "Krone" und “Heute” erfüllten diese vermeintlichen Kriterien wohl schon lange besonders gut, denn die Schaltungen in diesen Tageszeitungen wurden ab Juli 2016 verdoppelt. Die WKStA hegt den Verdacht, dass darüber hinaus die Berichterstattung positiv beeinflusst werden sollte. Das juristisch zu belegen wird allerdings schwierig. Denn selbst wenn ein besonders positiver Artikel erschienen wäre: Wer sagt, dass das nicht journalistische Freiheit ist? Heute-Chefredakteur Christian Nusser wehrt sich jedenfalls vehement gegen die Darstellung, er sei ein willfähriger Erfüllungsgehilfe.
Ein halbes Jahr später ist Eva Dichand “geschockt” von der Förderungsvergabe an “Fellner”. Gemeint ist der Fernsehfonds. Sie kritisiert, dass das “Gesetz auf ihn abgestimmt” sei, wie aus einer WhatsApp-Nachricht an Gernot Blümel hervorgeht. Fellner bekomme demnach “⅓ seines Umsatzes”. Blümel entschuldigt sich mehrfach (“Tut mir wirklich leid wenn da etwas nicht passt!! Sorry!!”) und leitet die Nachricht sofort an Schmid weiter (“Kannst du dir das bitte mal kurz durchlesen und mich dann anrufen Danke 😯”). Weiters versichert er Dichand, die Förderung von mehr Sendeplätzen würde auch “Krone TV” zugute kommen. Hintergrund: Zwischen den Fellners und den Dichands tobt dazu seit Jahren ein Rechtsstreit. Es geht darum, wer seine Zeitungen gratis wo auflegen darf. Der Neid aufeinander ist in jeglicher Frage groß.
Die WKStA will nun alle Inseratenschaltungen des Finanzministeriums aus den Jahren 2015 bis 2022 an alle Medien überprüfen, berichtet DER STANDARD. Heute-Chefredakteur Nusser verteidigte sein Medium damit, dass auch andere Medien aus dem Finanzministerium Geld bekommen haben. Der Medien-Watchblog Kobuk hat sich die Sache in seinem Blog angeschaut, und kommt zu dem Schluss es haben "sehr viele mehr als nur die Boulevardmedien von der rätselhaften Geldschwemme aus dem Finanzministerium” profitiert. Das zeigt auch die Transparenzseite der Grazer FH Joanneum. Auffällig sind jedoch die Unterschiede - und das geringe Inseratevolumen bei Falter und ORF. In jedem Fall, nach der anfänglichen Zurückhaltung bei Inseraten im Jahr 2015, füllt man den Inserate-Topf im BMF ordentlich auf, mit einem Peak im Corona-Jahr 2020 - wohl auch eine implizite Medienförderung, um die in Covid-Jahren strauchelnde Medienbranche zu stützen.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sieht der Frage jedenfalls gelassen entgegen: Dieses Thema solle die Justiz lösen, sagte er bei einem Gespräch mit profil. Aus seiner Sicht sei da nur wenig dran. Der von Kurz abgelöste Mitterlehner sprach gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" von "gekaufter und erkaufter Politik". Ex-Kanzler Christian Kern konstatiert: "Die 2017er-Wahl wurde manipuliert ohne Ende." Er habe im Wahlkampf gespürt, wie gegen ihn medialer Druck aufgebaut wurde, "allen voran war dabei 'Österreich' und die 'Kronen Zeitung'".
Aus dem Finanzministerium heißt es, dass man seit Beginn der Ermittlungen intensiv mit der WKStA zusammenarbeite. “Derzeit wird das neue Amtshilfeersuchen im Finanzministerium geprüft, bzw. die angeforderten Daten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten konsolidiert”, so ein BMF-Sprecher zu profil.
Und die Dichands? Eva Dichand ließ über ihren Anwalt Michael Rami zu der Causa ausrichten:
“Meine Mandantin Dr. Eva Dichand teilt mir folgendes mit: Der Stiftungsverband und diverse Vorstände von Privatstiftungen seien an sie herangetreten, weil das PSG Novellierungsbedarf gehabt habe, und sie habe dazu einen Termin mit dem BMF angeregt. In Sachen Novellierungsbedarf sei es nicht um Steuererleichterungen gegangen, sondern um andere Dinge, etwa dass Begünstigte auch Mitglieder des Stiftungsvorstandes sein dürften. Meine Mandantin habe nie etwas mit Unterlagen oder konkreten Vorschlägen zur Änderung des PSG zu tun gehabt. Es habe dann einen Termin bei BMF Hartwig Löger gegeben, bei dem etwa 40 Personen anwesend gewesen seien; danach habe sie nichts mehr von diesem Thema gehört. Meine Mandantin hätte auch keine Vorteile aus einer Änderung des PSG gehabt. Meine Mandantin habe nie jemanden tyrannisiert und sei auch nie mit Sebastian Kurz wandern gewesen.”
Christoph Dichand ließ von seiner Anwältin Huberta Gheneff folgende Stellungnahme übermitteln:
“Die gegen meinen Mandanten in der Anordnung der HD bei Heute erhobenen Vorwürfe sind konstruiert und völlig haltlos. Die Staatsanwalt baut die Vorwürfe auf Phantasien einer den Kronzeugenstatus anstrebenden Person auf. Die Staatsanwalt dürfte bei der gegebenen Aktenlage meinen Mandanten nicht als Beschuldigten führen und gehe ich daher davon aus, dass zeitnah die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn erfolgen wird.”