Causa Signa: Zwölf Ermittlungsstränge – erste Anklage möglich
Mit so vielen Verdachtsmomenten im Nacken wird die nächste Haftprüfung für René Benko wohl kein Zuckerschlecken. Seit fünf Monaten verbringt der Signa-Gründer seine Tage in einer Zehn-Quadratmeter-Zelle in der Wiener Justizanstalt Josefstadt. Spätestens am 7. Juli entscheidet das Gericht erneut, ob Benko weiter in U-Haft bleibt – oder auf freiem Fuß der wachsenden Lawine an strafrechtlichen Vorwürfen entgegentritt, mit denen er sich konfrontiert sieht.
Eines vorneweg: Benko hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Nun naht jedoch ein großer Meilenstein im laufenden Ermittlungskomplex. Denn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat einen ersten Vorhabensbericht in der Causa Signa an ihre Oberbehörde, die Oberstaatsanwaltschaft Wien, zur Prüfung übermittelt. Wie die Zeitung „Der Standard“ am Dienstag berichtete, liegt der Vorhabensbericht mittlerweile bereits bei der nächsten vorgesehenen Prüfinstanz: dem Justizministerium. Dieses zieht in derartigen Fällen dann noch den sogenannten Weisungsrat als beratendes Gremium bei und entscheidet, ob das Vorhaben der WKStA genehmigt wird oder nicht.
Ob dieses Vorhaben im konkreten Fall auf eine Teil-Anklage, auf eine Teil-Einstellung oder auf eine Diversion hinausläuft, ist nicht bekannt. Öffentlich gemacht wird erst die finale Entscheidung, wenn der Akt wieder bei der WKStA retour ist. Eine Frist gibt es dafür nicht. Oftmals dauert das Wochen bis Monate.
Nicht bekannt ist ebenfalls, um welche Verdachtsmomente es im Vorhabensbericht konkret geht. Theoretisch gibt es im Signa-Komplex dafür zahlreiche Möglichkeiten. Die WKStA hat am Dienstag im Rahmen einer Pressemitteilung einen seltenen Gesamtüberblick in der Causa gegeben. Demnach gibt es mittlerweile nicht weniger als zwölf einzelne Ermittlungsstränge, neun davon richten sich unter anderem gegen René Benko persönlich. Zum weiteren Beschuldigtenkreis zählen auch mehrere frühere Signa-Manager. Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Inhalt Inhaltsverzeichnis
- Vorwurf 1: Vermögen verschleiert
- Vorwurf 2: Geldkarussell bei Kapitalerhöhung
- Vorwurf 3: Untreue bei Italien-Villa
- Vorwurf 4: Investmentbetrug bei München-Projekt
- Vorwurf 5: Corona-Förderungsbetrug bei Nobel-Absteige in Lech
- Vorwurf 6: Betrug bei Bankkredit
- Vorwurf 7: Betrug bei Kapitalbeschaffung
- Vorwurf 8: Untreue bei Innenstadt-Deal
- Vorwurf 9: Untreue bei der Nutzung des Chalet N
- Vorwurf 10: INGBE Stiftung als Gläubigerin begünstigt?
- Vorwurf 11: Wohnungskäufer betrogen
- Vorwurf 12: Verdächtiges Darlehen an Signa-Berater
Unter anderem geht es einerseits um René Benkos Privatinsolvenz als Unternehmer. Er soll Vermögenswerte vor dem Masseverwalter verschleiert haben und so seine Gläubiger geschädigt haben.
Andererseits sollen Benko und andere Signa-Manager im Rahmen einer 25 Millionen Euro schweren Kreditverlängerung bei der Schellhammer Capital Bank AG im Sommer 2023 die tatsächliche finanzielle Situation von Signa verschleiert haben. Das Firmenkonglomerat soll damals schon in erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten gewesen sein, was gegenüber der Bank verschwiegen worden wäre – so der Vorwurf. Der Kredit wurde nie zurückgezahlt. Dazu kommen – laut Aussendung der WKStA – weitere, teilweise bisher unbekannte Verfahrensstränge:
Vorwurf 1: Vermögen verschleiert
Einer der schwerwiegenden Vorwürfe gegen René Benko dreht sich um dessen Familienstiftung, die „Laura Privatstiftung“. In dieser liegen nach wie vor beträchtliche Vermögenswerte. Die WKStA hegt den Verdacht, Benko wäre „faktischer Machthaber und wirtschaftlich Berechtigter“ der Stiftung – habe dies aber im Rahmen seiner Insolvenz verheimlicht. Insgesamt soll der Signa-Gründer die Befriedigung von Gläubigern im Ausmaß von mehr als zehn Millionen Euro verhindert beziehungsweise geschmälert haben. Unter anderem soll Benko Bargeld, teure Uhren, wertvolle Manschettenknöpfe, Schusswaffen, Einrichtungsgegenstände, einen Luxussportwagen und zahlreiche weitere Wertgegenstände versteckt oder sein Eigentum daran verheimlicht haben. Durch Schenkungen und bestimmte Vermögensverschiebungen soll Benko den Gläubigerfonds reduziert haben. Ermittelt wird wegen des Vorwurfs der betrügerischen Krida.
Vorwurf 2: Geldkarussell bei Kapitalerhöhung
Benko steht im Verdacht, Gesellschafter der Signa Holding GmbH zu Zahlungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung ermutigt zu haben – unter dem Vorwand, seine „Familie Benko Privatstiftung“ würde ebenfalls Geld in die Hand nehmen. Stattdessen seien Gelder der Investoren zum Teil über mehrere Zwischenstationen im Kreis geschickt und als Anteil der Stiftung ausgegeben worden.
Vorwurf 3: Untreue bei Italien-Villa
Eine Villa am Gardasee soll im Wege ihrer luxemburgischen Besitzgesellschaft von der Signa-Gruppe an die „lNGBE-Stiftung“ – eine weitere Familienstiftung Benkos – mit Sitz in Liechtenstein verkauft worden sein. Jedoch ohne ausreichenden Gegenwert für die Signa.
Vorwurf 4: Investmentbetrug bei München-Projekt
Hier geht es um ein Signa-intern als „Projekt Franz“ bezeichnetes Immobilienvorhaben in München. René Benko und ein weiterer Beschuldigter sollen den saudi-arabischen Staatsfonds „Public Investment Fund“ (PIF) dazu veranlasst haben, eine hohe Summe zu investieren. Dann soll der Großteil des Geldes jedoch zweckwidrig verwendet worden sein. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Weitergabe der Gelder bereits vor Abschluss der Verhandlungen geplant gewesen sein soll, um die finanziellen Mittel anderen Gesellschaften im Signa-Reich zuzuführen.
Vorwurf 5: Corona-Förderungsbetrug bei Nobel-Absteige in Lech
Zehn top-ausgestattete Suiten auf 1600 Metern Seehöhe in Lech am Arlberg: Zumindest auf dem Papier handelt es sich beim Chalet N um ein Luxushotel. Ermittler hegen jedoch den Verdacht, dass es sich um eine private Luxusherberge für Signa-Gründer René Benko und seine Gäste gehandelt haben soll. Zwischen 2020 und 2023 hat die Signa Luxury GmbH, damals eine Tochtergesellschaft der Signa Holding, 1,2 Millionen Euro Coronahilfen erhalten. Sollte die Luxus-Berghütte tatsächlich nur privat genutzt worden sein, könnte es sich hier um Betrug und Förderungsmissbrauch handeln, so der Verdacht.
Vorwurf 6: Betrug bei Bankkredit
René Benko und eine weitere Person sollen die Signa-Gruppe im Zuge einer Kreditverlängerung gegenüber der Schelhammer Capital Bank AG wirtschaftlich leistungsfähiger dargestellt haben, als sie zu diesem Zeitpunkt wirklich war.
Vorwurf 7: Betrug bei Kapitalbeschaffung
Ähnlich wie beim „Projekt Franz“ in München gehen die Ermittler in diesem Punkt davon aus, dass Investments von Kapitalgebern nicht in die versprochenen Projekte investiert worden seien. Ermittelt wird wegen schweren Betrugs gegen Geschäftsführer einer Signa Projektgesellschaft, jedoch nicht gegen René Benko. Die WKStA ging in ihrer Presseaussendung nicht weiter ins Detail. Wahrscheinlich ist jedoch, dass dieser Ermittlungsstrang auf eine Anzeige der deutschen Kapitalverwaltungsgesellschaft „Hansainvest“ zurückgeht.
Vorwurf 8: Untreue bei Innenstadt-Deal
Ermittelt wird – laut WKStA-Aussendung – außerdem rund um den Verkauf einer Innenstadtimmobilie, die der Signa gehörte. Der Verdacht der Ermittler: Ein Teil des Kaufpreises soll zweckwidrig verwendet worden, also nicht bei der Signa angekommen sein, obwohl es ihr zustehen würde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Verantwortliche deiner Signa-Gesellschaft sowie gegen mögliche Beitragstäter und einen Verband – jedoch nicht gegen Benko. Ein Teil des Geldes wurde bereits sichergestellt, heißt es in der Aussendung der Ermittler. Offen ließ die WKStA, um welche Immobilie es sich handelte. Einiges spricht jedoch dafür, dass es um das sogenannte „Meinl Haus“ am Wiener Graben gehen könnte. profil berichtete bereits im Vorjahr über einen diesbezüglichen Ermittlungsstrang.
Die Immobilie mit der Adresse „Graben 19“ wurde im Dezember 2023 von der Signa um 80 Millionen Euro an die Ärztekammer Wien verkauft. Kurz danach soll versucht worden sein, die stolze Summe von 28 Millionen Euro von einem Konto der bisherigen Besitzgesellschaft der Immobilie auf ein Konto der liechtensteinischen Benko-Familienstiftung „INGBE“ zu überweisen. Wie profil im Sommer 2024 berichtete, soll es laut Verdachtslage zunächst jedoch beim Transaktionsversuch geblieben sein. Denn die Empfängerbank habe die Entgegennahme des Betrags mit dem Hinweis auf eine mögliche Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen abgelehnt. Laut WKStA stand jedoch damals im Raum, dass diese „Blockade“ in der Folge durch „Zwischenschaltung eines rechtsanwaltlichen Treuhandkontos umgangen“ worden sein könnte.
Vorwurf 9: Untreue bei der Nutzung des Chalet N
„N“ steht in René Benkos Welt meist für Nathalie, seine Ehefrau. Nach ihr soll auch das luxuriöse „Chalet N“ in Lech am Arlberg benannt sein. Neben dem Verdacht der zu Unrecht bezogenen Corona-Förderungen, soll die Betreibergesellschaft laut WKStA Räumlichkeiten an René Benko und an einzelne Signa-Gesellschaft „zu günstig“ vermietet haben – nämlich unter den Selbstkosten. Das „Chalet N“ gehörte zuletzt zur LS Luxury Collection GmbH, die vor der Signa Pleite Signa Luxury Collection hieß. Der wirtschaftliche Schaden, der durch die offenbar zu geringe Miete entstanden sein soll, soll bei mehr als 1,5 Millionen liegen. Günstige Mieten waren im Signa-Reich eher unüblich. Hohe Mieten – auch an hauseigene Handelsunternehmen – sorgten dafür, dass die Immobilienbewertungen stetig stiegen. Beim Chalet N war das möglicherweise anders. Jetzt ermittelt die WKStA wegen des Verdachts der Untreue gegen die Verantwortlichen in der Betreibergesellschaft sowie gegen René Benko als „faktischer Machthaber“.
Vorwurf 10: INGBE Stiftung als Gläubigerin begünstigt?
Die besonders wichtigen Privatstiftungen in René Benkos Umfeld sind in irgendeiner Form nach Familienmitgliedern benannt. Bei der „INGBE Stiftung“ in Liechtenstein hielt wohl die Mutter des Signa-Gründers, Ingeborg Benkos Mutter, als Namensgeberin her. Diese Familienstiftung hatte laut Aussendung der WKStA eine offene Forderung gegenüber der besonders werthaltigen Signa-Gesellschaft „SIGNA Prime Selection AG” – und Signa Prime zahlte das Darlehen samt Zinsen in Höhe von rund 15 Millionen offenbar auch zurück. Allerdings soll die Signa-Prime da eigentlich schon zahlungsunfähig gewesen sein, vermutet die WKStA. René Benko soll die Verantwortlichen der Signa-Prime „zu dieser Tat bestimmt haben“. Dadurch sollen andere Gläubiger der Signa benachteiligt worden sein.
Vorwurf 11: Wohnungskäufer betrogen
Das Areal zwischen dem Wiener Schweizer Garten, dem Belvedere und dem neuen Hauptbahnhof trägt eindeutig die Handschrift der Signa Gruppe. 2017 bewarb Signa noch den eigens für die Vermarktung eingerichteten Online-Kaufprozess für eine Reihe luxuriöser Appartments mit Park-Blick. Nun sollen laut Verdachtslage beim Wohnbauprojekt der Betreibergesellschaft „Wohnen am Belvedere GmbH“ jedoch Wohnungskäufer getäuscht und dazu verleitet worden sein, einen erhöhten Kaufpreis zu bezahlen. Ganz konkret soll ein Mitarbeiter einen deutlich höheren Pauschalbetrag als für das Projekt gerechtfertigt vorgespiegelt und dann die Begleichung bei den Käufern eingefordert haben. Dadurch soll laut WKStA ein mutmaßlicher Schaden von mehr als 300.000 Euro entstanden sein. Ermittelt wird wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs – in diesem Fall allerdings nicht gegen René Benko.
Vorwurf 12: Verdächtiges Darlehen an Signa-Berater
Signa und seine Berater: Ein ebenfalls neuer Ermittlungsstrang dreht sich um ein 17 Millionen Euro schweres Darlehen, das gemäß Verdachtslage der WKStA von der Signa „zu nicht fremdüblichen Konditionen“ an einen damaligen Signa-Berater vergeben worden sein soll. Dessen Unternehmen soll von der Signa Holding, der Dachgesellschaft der Gruppe, das Geld bekommen haben, das letztlich in den Kauf eines Privathauses geflossen sein soll. Benko selbst und der Signa-Berater sollen die Gewährung und Auszahlung angewiesen haben. Nun steht der Verdacht der Untreue zulasten der Signa Holding im Raum.
Welche dieser Teil-Causen vom ersten Vorhabensbericht der WKStA umfasst sind, ist vorerst nicht bekannt. Zumindest im Verfahrenskomplex rund um die Verlängerung des Schellhammer-Kredits und bezüglich der mutmaßlichen Verschleierung von Vermögen im Fall von Benkos Insolvenz als Privatunternehmen rechneten Personen mit näheren Einblicken in die Vorgänge jedoch schon seit geraumer Zeit mit einer baldigen Entscheidung. Kommt es tatsächlich bald zu einer ersten Teil-Anklage, ist die Gesamt-Causa damit aber alles andere als erledigt. Die WKStA wird wohl noch geraume Zeit brauchen, um die lange Liste an Vorwürfen und Verdachtsmomenten abzuarbeiten. Fest steht: Die Signa-Saga ist noch lange nicht vorbei.