Inside Ansaldi: Zu Gast in Benkos Gardasee-Villa
Helikopterlandeplatz, prominente Gäste und Luxusambiente. Das war einmal. Heute ist der Strom abgedreht, der Pool grün und im Wellnessbereich wächst der Schimmel. Eigentlich gehört dieser Ort zu den ruhigsten am Gardasee. Zwölf Hektar ist der Park groß, in dem die Villa Ansaldi in Sirmione liegt. Gut abgeschirmt von der Durchzugsstraße, bekommt man hier vom Urlaubertrubel im Tourismusort so gut wie nichts mit.
Während es für René Benko in Wien ernst wird – eine Anklageerhebung dürfte kurz bevorstehen, wie profil am Freitag berichtete; Benko selbst bestreitet alle Vorwürfe – ist auch von der gewohnten Ruhe am Gardasee keine Spur mehr. Ein Notstromaggregat, das vor dem Mitarbeiterhaus steht, brummt vor sich hin. Notwendig ist dieses, weil der Strom für die Villa abgeschaltet wurde. Dem Vernehmen nach dürften die Energierechnungen schon länger nicht mehr bezahlt worden sein. Der Pool wird nicht gereinigt, der Wellnessbereich wurde von einem Wasserschaden in Mitleidenschaft gezogen. Kurzum: Der Glanz vergangener Tage in René Benkos Gardaseedomizil ist verblasst.
Die Familie Benko war gerne hier. Oft in Begleitung. Die ersten Einträge im Gästebuch stammen aus dem Jahr 2009. Tina Turner, Silvio Berlusconi, Alfred Gusenbauer, Wolfgang Porsche, Sigi Wolf, Niki Lauda, Ex-Fußballer Roman Wallner oder auch die Familie Tönnies – sie alle waren da. Manche mehrfach. Die Gäste bedankten sich für ein „wunderbares Luxuswochenende“, andere freuten sich bereits auf den nächsten gemeinsamen Urlaub mit den Benkos auf Ibiza.
Private Urlaube oder berufliche Mehrtagestreffen, bei denen auch Geschäfte besprochen wurden? Die Grenzen sind fließend. Im Büro liegen Utensilien mit Signa-Logos, ein Bilderkatalog des „Chalet N“ – Benkos Luxushütte in Lech am Arlberg – und noch heute lassen sich auf dem Briefkasten die Namen von René Benko selbst und jener der Signa Holding erkennen. Die Holding war sozusagen die Dachorganisation des gesamten Signa-Firmenkonstrukts.
Bis zum Zusammenbruch des Signa-Imperiums wurde die Villa Ansaldi auf der offiziellen Website als italienischer Unternehmenssitz geführt. Für Benko hatte sie zweifellos eine Doppelfunktion: Als Repräsentanz in Italien, und als privater Rückzugsort. 2017 feierte Benko hier seinen 40. Geburtstag. Als im Dezember des Vorjahres Ermittler der Staatsanwaltschaft Trentino gleichzeitig an mehreren Standorten zuschlugen, hatte Benko Glück, nicht vor Ort gewesen zu sein. Zunächst planten die Behörden, ihn in Innsbruck festnehmen zu lassen – dann wurde ihnen offenbar klar, dass er auch hier in Sirmione gemeldet war. Die Festnahmeanordnung wurde nachträglich korrigiert und um die „Villa Ansaldi“ erweitert.
Im Zuge des Insolvenzverfahrens wurde zudem bekannt, dass Benko hier zwei Personen beschäftigt hatte, die sich um Pflege und Erhalt der Villa kümmerten. Welche Rolle das Anwesen tatsächlich spielte, beschrieb ein ehemaliger Signa-Mitarbeiter in einer Zeugenaussage wie folgt: „Beim Chalet N war es tatsächlich so, dass René Benko dort seine Geschäftspartner beherbergt hat und selber dort auch gewohnt hat, und zwar mit einiger Regelmäßigkeit. Es war durchaus mehr, als dass er dort nur Urlaub machte. Die Budgetgespräche waren z.B. immer im Chalet N. Bei der Villa Eden Gardone (eine andere Benko-Villa am Gardasee; Anm.) war das genauso, aber ich weiß nicht, ob er dort genächtigt hat. Ich denke nicht, weil er dazu die Villa Ansaldi hatte. Das ist eine dreiviertel Stunde mit dem Auto entfernt bzw. vermutlich ca. 5 Minuten mit dem Hubschrauber.“
Benko-Stiftung als Vermieterin?
Residiert hat Benko hier seit den 2000er-Jahren. Aus dem jüngsten Mietvertrag, der der Tageszeitung „Der Standard“ vorliegt, geht hervor, dass die Villa samt Einrichtung durch eine Firma namens „Landgraf S.A.“ an die Signa Holding vermietet wurde. Unterzeichnet wurde er demnach im November 2021 mit einer Laufzeit bis Oktober 2035. Zu einer einmaligen Kaution von 240.000 Euro kommen 20.000 Euro Miete pro Monat. Die Mieterin hätte darüber hinaus auch die monatlichen Energie- und Betriebskosten bezahlen müssen. Die Signa Holding ist aber seit dem 29. November 2023 pleite, und so bleibt der Strom aus und es gibt offenbar auch niemanden mehr, der das Anwesen mit dem nötigen Engagement in Schuss hält.
Im Jahresabschluss dieser Firma Landgraf (Vermieterin; Anm.) aus dem Jahr 2016 ist festgehalten, dass die Sachanlagen des Unternehmens aus einer Villa in Italien knapp 8 Millionen Euro ausmachen; 1,5 Millionen davon entfielen auf den Grundstückswert. Ein Gesellschafterbeschluss aus dem November 2023 liefert den jüngsten Hinweis auf den Alleineigentümer der Landgraf S.A.: eine „Vorstadt Holding AG“ aus der Schweiz. Laut Recherchen des Magazins „News“ gehört die Vorstadt Holding AG der „ARUAL Stiftung“ – einer weiteren Stiftung aus der Benko-Sphäre.
Heiß begehrtes Gästebuch
In Sirmione wird bis 14. Juli nur das Inventar der Villa versteigert, nicht die gesamte Liegenschaft. Nur deshalb war überhaupt eine Besichtigung mit dem Auktionshaus Aurena möglich. Über 1800 Objekte sind online zu erwerben, der Erlös fließt in die Gläubigermasse der Signa Holding. Ein aufwendiges Unterfangen: Vier Tage lang wurden die Gegenstände von vier Personen katalogisiert, erzählt Aurena-Pressesprecher Jürgen Blematl ein paar Journalisten vor Ort.
Zu den begehrtesten Objekten zählt das Gästebuch, das derzeit bei einem Gebot von rund 12.500 Euro netto steht, mit Gebühren wären es 17.500 Euro. Daneben kommen Designermöbel, bestickte Handtücher, Weingläser, Wakeboards, Wasserski und Gastrogeräte unter den Hammer. Alles, was sich in den vier Stockwerken der Villa befindet – drinnen wie draußen – soll zu Cash gemacht werden.
Die Villa selbst umfasst sieben Schlafzimmer – drei davon sind als Kinderzimmer eingerichtet. Fünf Zimmer liegen im ersten Stock, das größte, der Master-Bedroom, sowie ein Kinderzimmer sind im zweiten, obersten bewohnten Geschoss. Ankleideraum und Badezimmer inklusive. Eine Wendeltreppe im Turm führt weiter auf eine Dachterrasse und ein Behandlungszimmer. Waxing, Maniküre, Pediküre, all das war hier mit Blick auf den Gardasee möglich.
Schimmel im Wellnessbereich
Seit einigen Wochen dürfte sich allen Anschein nach aber hier niemanden mehr für Hege und Pflege zuständig fühlen. Im Wellnessbereich wird das besonders deutlich. Denn dieser liegt in einem Tiefparterre der Villa und somit auf ungefähr derselben Höhe wie der Gardasee. Grundwasserprobleme sind also vorprogrammiert. Eigentlich kümmern sich Pumpen darum, dass es eben dieses nicht in die Villa drückt. Weil die aber aufgrund des abgeschalteten Stroms nicht gearbeitet haben, stand dort das Wasser. Davon zeugt heute dunkler Schimmel an den Wänden.
Die Auktionsgegenstände im Keller - darunter Hanteln, Faszienrollen und die Einbausauna - blieben unversehrt, sie können noch ersteigert werden. Abbauen und abholen müssen Interessierte die Exponate selbst.
Fest steht: Nicht nur auf die Bieterinnen und Bieter wartet – sofern das eigene Gebot den Zuschlag bekommt – viel Arbeit. Auch all jene, die sich mit Benko und der Signa beschäftigen oder beschäftigt haben, werden weiterhin gut beschäftigt bleiben. Von den Staatsanwälten in Trentino, München und Wien bis hin zu den potenziellen neuen Eigentümern, die hier die Spuren des Verfalls irgendwann beseitigen müssen.