Holzstapel und LKWs in Kronospan-Fabrik
Holzgeschäft

Holz-Gigant Kronospan: Verdächtige E-Mails, gefakte Fotos

Umgeht der in Österreich verwurzelte Spanplatten-Weltmarktführer sowohl EU-Sanktionen als auch rumänische Abholzungs-Kontrollen? Internationale Recherchen werfen heikle Fragen auf.

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Es ist ein E-Mail, das alle Alarmglocken schrillen lässt: Am 25. September 2023 schlägt im Postfach eines dänischen Holzimporteurs eine kurze Nachricht auf. Absender ist ein gewisser Victor T. (voller Name der Redaktion bekannt). T. bietet dem Mail-Empfänger, den er offenbar von früher kennt, in englischer Sprache sogenanntes baltisches Birkensperrholz zum Kauf an. Herkunftsland sei China, aber „Rohmaterial und Qualität sind so wie früher bei russischen Sägewerken“. Victor T. selbst sitzt allerdings nicht in China, sondern in Weißrussland. In seiner E-Mail-Signatur prangt das Firmenlogo eines – aus Österreich stammenden – Weltmarktführers im Bereich der Holzindustrie. Und all das riecht verdächtig nach dem Versuch, EU-Sanktionen in einem besonders wichtigen Bereich zu umgehen. 

Eigentlich sollten die Grenzen in diesem Bereich längst dicht sein: Bald nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hat die Europäische Union den Import von Holz und Holzprodukten aus Russland, aber auch aus Weißrussland untersagt. Europa war bis dahin ein wichtiger Absatzmarkt gewesen – vor allem für Birkensperrholz und die sibirische Lärche. Nach einer Übergangsfrist sollte spätestens seit Juli 2022 Schluss damit sein. Eigentlich. Denn vieles spricht dafür, dass rasch Umgehungskonstruktionen entstanden sind. 

„Export-Chef“ aus Weißrussland 

Die Ware wird dann eben nicht mehr direkt aus Russland geliefert, sondern gelangt über Umwege in die EU – profil berichtete. Nun zeigen Recherchen der dänische Finanzzeitung „Børsen“ besonders bemerkenswerte Verdachtsfälle auf. Einer davon betrifft E-Mail-Schreiber Victor T. und seine mögliche Verbindung zu Kronospan, einem Weltmarktführer im Bereich der Spanplattenproduktion. profil hat bereits in der Vergangenheit intensiv zu Kronospan recherchiert und nahm nun gemeinsam mit „​​Børsen“ diesen Aspekt unter die Lupe. Die zentrale Frage: Was hat der Spanplatten-Gigant mit einem mutmaßlichen Versuch der Sanktionsumgehung zu tun? Eines vorneweg: Kronospan bestreitet jegliches Fehlverhalten.

Zurück zum E-Mail des Victor T. vom 25. September 2023 – mehr als ein Jahr nach Wirksamwerden der EU-Strafmaßnahmen gegen Russland: Victor T. bezeichnete sich darin als Export-Chef bei „UltraPly Kronospan“. Tatsächlich scheint die „Ultra Ply LLC” bereits 2018 im Jahresabschluss einer zypriotischen Kronospan-Holdingfirma als eine von deren Beteiligungen  auf. Das prominent platzierte Logo am Ende des E-Mails lässt an der Kronospan-Connection auf den ersten Blick ohnehin wenig zu deuteln.

„Zuerst geht die Ware nach China“

Drei Monate nach dem Mail reagierte der dänische Ansprechpartner von Victor T. – möglicherweise zum Schein – auf das Angebot und fragte gezielt nach bestimmten Arten von Ware. Daraufhin wurde T. noch deutlicher als in seiner ersten Nachricht. Am 12. Dezember 2023 schrieb er (aus dem Englischen übersetzt): „Sie müssen wissen, dass UltraPly eine weißrussische Fabrik ist und nicht in die EU liefern kann. Aber! Wir sind Teil von Kronospan (unter der anderen Marke ,Ultra’), wir haben die Möglichkeit, über unsere chinesische Zweigstelle in die EU zu liefern. Letztlich erhält der Kunde Birkensperrholz mit allen EU-Zertifikaten inklusive FSC. Ich warne Sie - die Lieferung dauert geschätzt etwa zwei Monate. Zuerst geht die Ware per Zug nach China, dann über das Meer zum Zielhafen. Wenn die Ware in China ist, ändern unsere Leute die Etiketten, erstellen Papiere und Zertifikate wie von chinesischen Herstellern.”

War Kronospan noch in Weißrussland tätig?

Dieses konkrete Geschäft dürfte nicht zustande gekommen sein. Stattdessen übergab der Empfänger die E-Mails einer Interessensvertretung des dänischen Holzhandels, welche diese – gemeinsam mit ähnlichen Beispielen – der zuständigen Behörde vorlegte. „​​Børsen“ wiederum erhielt sie über eine Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz. 

In seinem nicht nur unmoralischen, sondern rundheraus illegalen Angebot betonte Mail-Absender Victor T. geradezu die Zugehörigkeit zu Kronospan. Das ist auch insofern brisant, als Kronospan im Herbst 2023 offiziell nicht mehr als Eigentümer der Ultra Ply LLC aufschien. Kronospan ging einst aus einem Salzburger Familienbetrieb hervor. Um einen Konzern im engeren Sinne handelt es sich dabei nicht. Eher um ein kaum zu überblickendes Konglomerat aus Firmen, die über Zwischenholdings gebündelt sind - etwa auf Zypern. Insgesamt hat Kronospan eigenen Angaben zufolge 14.000 Mitarbeiter in 123 Ländern und betreibt vierzig Produktionsstandorte.

Von Liechtenstein nach Qatar

Was die Eigentümerstruktur betrifft, läuft vieles in Richtung liechtensteinischer Stiftungen, die der Gründerfamilie Kaindl zugeschrieben werden. Eine dieser Stiftungen heißt „Betuva“. Diese spielte in Bezug auf Russland und Weissrussland eine wichtige Rolle, war sie doch Alleinaktionärin der zypriotischen „Kronospan Holdings East Ltd“, unter der wesentliche Kronospan-Beteiligungen in den beiden Ländern gebündelt waren. Per 31. August 2022 übertrug die „Betuva“ ihre Anteile an der Zwischenholding jedoch an eine „Causa Holding AG“ aus Vaduz – profil berichtete exklusiv. Der Schluss lag auf der Hand, dass die Umstrukturierung vor dem Hintergrund der EU-Sanktionen erfolgt war. Im April 2023 erklärte Kronospan in einer Presseaussendung dann, man habe sich vom Geschäft in Russland getrennt und dieses an das lokale Management-Team übertragen. 

Es handelt sich beileibe nicht um Geschäfte in einer vernachlässigbaren Größenordnung: Die „Causa Holding“ betreibt eigenen Angaben zufolge neun Produktionsstandorte und beschäftigt rund 4200 Mitarbeiter. Zum Ende des Geschäftsjahres 2021/22 (Stichtag: 30. September 2022) verzeichnete die damals frisch von der „Causa Holding“ übernommene zypriotische Kronospan-Zwischenholding einen konsolidierten Jahresumsatz von stolzen 1,27 Milliarden Euro. 

Das Problem an der Sache: Wer genau die tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten hinter der „Causa Holding“ sind, ist unbekannt. Mittlerweile ist die Firma von Liechtenstein nach Qatar übersiedelt. Sie hat sich eine Reihe von Markenrechten eintragen lassen, wobei die verschiedenen Logos frappant an jenes von Kronospan erinnern. Als eine Art Dachmarke fungiert offenbar die Bezeichnung „Ultradecor“. Auf der Ultradecor-Website war als Kontaktmöglichkeit für ein Büro in Kasachstan bis zuletzt eine Kronospan-Mailadresse angegeben. Dies wurde erst nach einer diesbezüglichen Anfrage von profil und „​​Børsen“ vor einigen Tagen geändert – da dann allerdings ziemlich rasch. 

Und interessanterweise schien im zypriotischen Firmenbuch bis zuletzt immer noch ein Mitglied der Kaindl-Familie im Direktorium der dortigen Zwischenholding auf, obwohl diese längst an die Causa Holding abgetreten worden war. Welche Geschäfte diese Firma noch tätigt, lässt sich aus dem Firmenbuch nicht ableiten. Die einzelnen Länder-Töchter in Russland und Weißrussland dürften – soweit erkennbar – jedoch aus der Struktur herausgelöst worden sein. 

Trennung nur auf dem Papier?

Hat sich Kronospan nur auf dem Papier vom Geschäft in Russland und Weißrussland getrennt – und ist darüber hinaus in Sanktionsumgehungen involviert? Ein Sprecher des Spanplatten-Imperiums bestreitet das auf Anfrage vehement: Unmittelbar, nachdem man von „​​Børsen“ Informationen zu den E-Mails von Victor T. erhalten habe, habe Kronospan eine gründliche interne Untersuchung eingeleitet. Victor T. sei niemals ein Mitarbeiter von Kronospan gewesen. Kronospan betreibe selbst keine Geschäfte mehr in Russland und Weißrussland. Seit 1. Jänner 2024 würden die verkauften Firmen unter der Bezeichnung „Ultradecor“ auftreten, eine Vereinbarung untersage ihnen die weitere Nutzung der Marke „Kronospan“.

Man habe das Management von Ultradecor mit der Angelegenheit konfrontiert, betonte der Kronospan-Sprecher gegenüber „​​Børsen“. Ultradecor habe daraufhin versichert, Victor T. sei bereits im Jänner 2024 gefeuert worden – nach nur fünf Monaten Tätigkeit. Ultradecor werde nun rechtliche Schritte gegen ihn einleiten. Laut Kronospan habe Ultradecor erklärt, es habe im Zuständigkeitsbereich von T. niemals eine Lieferung nach China gegeben. 

Kronospan: „Null Toleranz“ bei Korruption

Kronospan habe „null Toleranz“ gegenüber Bestechung und Korruption, erklärt der Sprecher. Man halte sich vollständig an alle einschränkenden Maßnahmen gegenüber Russland und Weißrussland – und habe keine Pläne, dort wieder tätig zu werden. Die Zwischenfirma „Kronospan Holdings East“, bei der ein Mitglieder der Kaindl-Familie bis zuletzt als einer der Direktoren aufschien, habe alle ihre Beteiligungen verkauft und werde nach Freigabe durch die Behörden aufgelöst. 

Wer konkret hinter der „Causa Holding“ steht, blieb unbeantwortet. Auch, wie hoch der Kaufpreis war: Die Vertragsparteien hätten sich darauf geeinigt, Vertraulichkeit zu wahren. Gefragt nach dem Ultradecor-Außenauftritt, teilt man lediglich allgemein mit, Kronospan überlege alle Möglichkeiten, Konkurrenten daran zu hindern, Marken oder Produkte zu kopieren, und zögere nicht, rechtlich dagegen vorzugehen. Ultradecor habe zugesagt, dass die Markenregistrierung in Kasachstan unmittelbar vor dem Abschluss stehe und die Kronospan-Mailadresse danach nicht mehr verwendet würde.

„Nur alte Kontakte genutzt”

Die „Causa Holding“ ließ eine Anfrage unbeantwortet. Die weißrussische Tochterfirma teilte „​​Børsen“ jedoch mit, man wolle Victor T. wegen Schädigung des Unternehmens verklagen. T. selbst meldete sich ebenfalls zu Wort. Er behauptet nun, das weißrussische Unternehmen sei damals nicht mit Kronospan verbunden gewesen. Man habe nur alte Kontakte genutzt. Er sei nie ein Entscheidungsträger gewesen. Die internationale Holz-Zertifizierungsstelle FSC, die in einem der E-Mails in Bezug auf – offenbar zu fälschende – Zertifikate erwähnt ist, hat gegenüber „​​Børsen“ jedenfalls eine Untersuchung angekündigt. 

Fake-Fotos in Rumänien

Einiges an Erklärungsbedarf hat Kronospan derzeit jedoch auch in Bezug auf einen anderen Schauplatz: Anfang Mai 2023 halten Polizisten einen LKW in den rumänischen Karpaten auf. Dort, im Zentrum des Landes, befindet sich einer der wenigen Checkpoints, an denen Holztransporte überprüft werden. Es gibt nicht genug Personal, um die Millionen Holztransporte zu überwachen, die jährlich das osteuropäische Land durchqueren. Der LKW ist mit Sägespänen beladen – und auf dem Weg zu einem Werk von Kronospan in der Region Siebenbürgen. Doch der Polizei fällt in den Papieren etwas auf: Etwas stimmt nicht mit den Fotos, die die Ladung vor Ort dokumentieren sollen.

Seit dieser Kontrolle vor einem Jahr ist den Behörden nach und nach ein gravierendes Problem bewusst geworden: geklonte Fotos von Holzlieferungen. Anstatt die eigene Ladung zu fotografieren, hatte der angehaltene Fahrer ein Foto von einem Handy-Display gemacht, auf dem eine andere Ladung zu sehen war. Bei dem Mann handelte es sich um einen Angestellten des Transportunternehmens Silva Logistic, SRL, welches über ein Unternehmen mit Sitz auf Zypern zu Kronospan gehört.

Handy-App gegen illegale Abholzung

Das Fotografieren der Ladung ist Teil eines Kontrollsystems, um dem Poblem der illegalen Abholzung in Rumänien Herr zu werden. Jede einzelne Holzlieferung muss strenge Dokumentationsvorschriften erfüllen. Sobald der LKW-Fahrer einen Wald – oder ein Lager – verlässt, muss er den beladenen Anhänger von allen Seiten fotografieren. Auch vom Kilometerstand am Armaturenbrett muss er ein Foto knipsen. Die Fotos müssen dann in einer eigene App namens SUMAL hochgeladen werden. 

Recherchen rumänischer Journalisten zeigen nun: Es wird nicht – oder nicht ausreichend – kontrolliert, was auf diesen Fotos abgebildet ist. Laut den Investigativ-Plattformen OCCRP und Rise Project ist es äußerst einfach, die vermeintlich strengste digitale Nachverfolgung von Holzlieferungen in Europa auszutricksen.

Ein grauer Hauspatschen auf einem Parkettboden, ein Stamperl Schnaps, ein gekritzeltes Post-It. Das sind Beispiele von Fotos, die das rumänische Holzverfolgungssystem SUMAL 2.0 akzeptiert hat. 

Anwender sind seit 2021 angehalten zu dokumentieren, dass ihr Transport aus legaler Quelle stammt. Unternehmen sind verpflichtet, mitgelieferte Unterlagen zu kontrollieren und die Ladung bei jeglicher Unstimmigkeit zurückzuschicken. Doch die OCCRP-Recherchen legen nahe, dass sich Unternehmen beziehungsweise ihre Mitarbeiter nicht immer daran halten. Das gilt offenbar auch für die Kronospan-Transportfirma Silva Logistic: Journalisten zählten im Zeitraum von April 2022 bis November 2023 ganze 244 Fälle von doppelt und dreifach hochgeladenen Fotos durch Silva-Mitarbeiter.

Die Reporter untersuchten monatelang mehr als 20.000 Bilder, welche die Lkw-Fahrer von Silva Logistic zwischen April 2022 und November 2023 an SUMAL übermittelt hatten. Insgesamt umfassten die Daten mehr als 7000 Fahrten, die von Standorten in ganz Rumänien ausgegangen waren. Insgesamt handelte es sich um 3000 Kubikmeter Holz. 

Credit: OCCRP/Edin Pašović – Diese Karte wurde profil vom OCCRP zur Verfügung gestellt. Sie zeigt die Ausgangspunkte von Holzlieferungen, bei denen augenscheinlich„geklonte“ Kontroll-Fotos zum Einsatz kamen. Wenn man auf die Punkte klickt, werden die jeweiligen Fotos sichtbar.

Ein Sprecher von Kronospan weist auf profil-Anfrage jegliches Fehlverhalten zurück: „Für uns ist es völlig inakzeptabel, insinuieren zu wollen, dass der kleine Anteil an inkorrekter Fotodokumentation bedeutet, Kronospan Rumänien hätte in irgendeiner Form Holzschnitzel oder Sägespäne illegalen Ursprungs eingekauft.” 0,38 Prozent aller Transporte im Zeitraum von April 2022 bis November 2023 würden eine falsche Fotodokumentation aufweisen. 

Den OCCRP-Daten zufolge landeten mindestens 1500 Kubikmeter aus falsch dokumentierten Holzlieferungen in einem Kronospan-Werk in Sebeș.

Fotos einer Kronospan-Lieferung, die offenbar nicht zusammenpassen

Transport-Fotos passen offenbar nicht zusammen

Diese drei hochgeladenen Fotos sollen eine bestimmte Holzlieferung dokumentieren, tun es aber augenscheinlich nicht. Auf dem dritten Foto ist offenbar ein Display-Riss erkennbar, der Himmel sieht völlig anders aus. Und das obwohl diese Fotos innerhalb weniger Minuten nacheinander hochgeladen wurden. Der LKW fuhr im Juni 2023 zur Kronospan-Fabrik in Sebes.

Ein Kronospan-Sprecher will hinter den Fake-Fotos keine böse Absicht erkennen: „Wir haben uns das genau angeschaut. Es ist für die LKW-Fahrer tatsächlich nicht ungefährlich, vor allem wenn sie nicht mehr die Jüngsten sind, auf die beladenen Container zu klettern und die Fotos zu machen.” 

Bei mehr als 200 weiteren Fahrten übermittelten die Lkw des zu Kronospan gehörenden Transportunternehmens Silva Logistics überhaupt keine Bilder des Holzes, was ebenfalls einen Verstoß gegen das rumänische Recht darstellt. Kronospan gab in einer Stellungnahme an, sich stets um die Einhaltung der Gesetze zu bemühen, räumte aber einige Unzulänglichkeiten bei der Verwendung von SUMAL durch seine Fahrer ein. Auf profil-Anfrage heißt es, man werde das „nun streng kontrollieren und bei Bedarf dienstrechtliche Schritte treffen“.

Schummeln leicht gemacht

OCCRP betont im Bericht, dass Kronospan beziehungsweise Silva Logistic beileibe nicht das einzige betroffene Unternehmen seien – wahrscheinlich auch nicht der größte Problemfall. Aber warum machen Lieferanten in der rumänischen Holzindustrie Fotos von anderen Fotos – und nicht von ihrer echten Ladung? 

„Das Ziel ist, größere Mengen oder hochwertigeres Holz unterzuschmuggeln als in den restlichen Dokumenten angeführt”, vermutet Umweltingenieur Dan-Cătălin Turiga im profil-Gespräch. Es sind einfache Tricks, mit denen man Europas angeblich cleverstes System zur Nachverfolgung von Holzlieferungen hintergehen kann. Die Umweltorganisation Agent Green hat zehn unterschiedliche Methoden identifiziert, die praktisch täglich angewandt werden, um verpflichtende Dokumentationen zu unterlaufen. Dazu gehört auch das Ausschalten der gesetzlich verpflichteten GPS-Verfolgung bei Holztransporten.

Zulieferer können das Holz auch gänzlich aus der elektronischen Beobachtung verschwinden lassen. Dabei lassen sie die Mitgeführten Gutachten („aviz“) ablaufen. „Wenn er die Übergabe des Holzes in der App nicht einträgt, verschwindet dieses spurlos aus dem System“, erklärt Turiga. Das macht die Rückverfolgbarkeit unmöglich. Alarm schlägt die App nicht. 

Rumänische Behörden kennen diese Täuschungsmanöver. Auch ist ihnen bewusst, wie einfach es ist, unzusammenhängende Fotos in SUMAL hochzuladen. Entsprechende Verschärfungen werden im Parlament diskutiert – zumindest offiziell, denn viele Konzerne haben ein großes Interesse an Lücken im Kontrollsystem. Turiga vermutet eine Absicht hinter den technischen Systemlücken: „SUMAL wurde vom Telekommunikationsdienst des rumänischen Staates mitentwickelt. Diese simplen Fehler dürften nicht passieren“, so der Forstingenieur: „Offensichtlich hat das Ministerium nicht die richtigen Funktionen in Auftrag gegeben.“

Das rumänische Umweltministerium hat indes eine neue Version der Applikation angekündigt. SUMAL 3.0 soll mithilfe von künstlicher Intelligenz auch gefakte Fotos erkennen können. Fotos von Schnapsgläsern oder Autoreifen könnten dann nicht mehr hochgeladen werden. Doch ein Pilottest ergab, dass die Software bisher nicht geeignet genug ist, um abfotografierte Fotos zu erkennen. Subtile Anzeichen wie die Spiegelung des Handy-Blitzes oder Handumrisse konnte die KI nicht ausmachen.

Auch die Konsequenzen bleiben weiterhin aus. Das rumänische Umweltministerium verkündete bereits vor zwei Jahren, das Klonen von Fotos härter bestrafen zu wollen – Gefängnisstrafen inklusive. Doch angesichts der angekündigten Überarbeitung des rumänischen Forstgesetzes befürchtet Forstexperte Turiga sogar mildere Strafen: Bis jetzt hat ein illegaler Transport von mehr als zehn Kubikmetern zur Beschlagnahmung durch die Forstwache geführt – eine Maßnahme, die im aktuellen Entwurf fehlt.

So ausgefeilt technische Systeme manchmal wirken – so simpel sind mitunter die Umgehungsmöglichkeiten. Und gerade auch in der Holzindustrie scheint das Prinzip des Tarnens und Täuschens tief verwurzelt zu sein. 

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).