Tiefer Staat

Spionageskandal Ott: Wie konnte das passieren?

Wirecard, der BVT-Skandal, Ibiza – und jetzt Spionage für Russland. Ermittler sind Egisto Ott seit Jahren auf der Spur – nichts passierte. Er und sein Netzwerk narrten den Staat, hebelten den Sicherheitsapparat aus, manipulierten die Politik und unterstützten so Putins Krieg gegen den Westen. Das unfassbare Ausmaß des Spionageskandals zeigen vorliegende Ermittlungsakte.

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711 St 39/17d. Hinter dieser Aktenzahl verbirgt sich einer der mutmaßlich größten Spionage- und Politskandale in der Geschichte Österreichs. Alles dreht sich um eine Clique mutmaßlich korrupt gewordener Verfassungsschützer, die gegen Geld Geheimnisse aus den Eingeweiden der Republik verkauft haben sollen. Ihre Kunden waren Wirtschaftstreibende, heimische Politiker – und letztlich offenbar auch der russische Geheimdienst. Die Truppe taucht gleich bei mehreren großen Affären der letzten Jahre auf: Vom BVT-Skandal über Ibiza bis hin zu Wirecard. Der Fall erzählt auch viel über die Verfasstheit des Staates: Wie opportunistisch die heimische Politik geworden ist. Wie groß Sicherheitslücken klaffen – wie blind und langsam die Justiz agiert. Und wie leichteine kleine Truppe die Republik über Jahre narren konnte. profil liegen weite Teile des Ermittlungsakts vor – darunter auch brisante Haftanordnungen.

Egisto Ott hatte sich am Karfreitag in seinem geräumigen Haus in Kärnten wohl schon auf die traditionelle Osterjause samt Reindling und Osterschinken gefreut. Doch der Tag blieb für ihn einer der Entbehrungen. In der Früh klingelte die Polizei an der Haustür und nahm ihn fest. Schon wieder. Der hochrangige ehemalige Verbindungsbeamte und Ex-Nachrichtendienstler wurde ins Gefängnis gebracht. Schon wieder. 

Der Vorwurf laut profil vorliegender Festnahmeanordnung, über die auch der "Falter" berichtete: Ott soll zum Nachteil Österreichs für Russland spioniert haben. Er soll die russischen Dienste systematisch mit geheimen, streng vertraulichen Informationen aus dem Verfassungsschutz sowie Personendaten aus Polizeidatenbanken versorgt haben. Schon wieder. Ein Richter verhängte am Ostermontag U-Haft wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr. Schon wieder. Denn bereits drei Jahre zuvor hatte man Ott schon einmal in diesem Zusammenhang festgesetzt. Die lahmende Justiz ließ ihn dann aber wieder laufen.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.