René Benko und der Safe: Uhren und Bargeld als Schlüssel zur ersten Anklage
Ausgerechnet ein paar Luxusuhren, versteckt in einem Safe, könnten jeden Augenblick zur allerersten Anklage im Signa-Komplex führen. profil seziert den brisanten Abschlussbericht der Soko Signa.
Eigentlich war die Tarnung gut. Versteckt hinter Weinkartons, in einem Abstellraum, rechts davon ein Regal mit Vasen und diversen alkoholischen Getränken, links davon altes Geschirr in Kisten - obendrauf ein Karton mit einem Grabkerzen-Vorrat. Auf den ersten Blick würde man kaum vermuten, dass hier Millionen versteckt sein könnten. Aber die österreichischen Ermittler sind oft doch besser als ihr Ruf und fanden den Schatz hier, im Haus einer Verwandten von René Benkos Frau Nathalie. Und das könnte René Benko zum schwerwiegenden Verhängnis werden.
Der Ex-Immobilienmogul sitzt seit Ende Jänner im Grauen Haus in Wien-Josefstadt in U-Haft. Momentan wartet er auf Post. Ein sogenannter Vorhabensbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist aus dem Justizministerium zurück. Und das kann Zweierlei bedeuten: Es wird Anklage erhoben, oder eben nicht. Laut profil-Informationen dürfte es sich um Ersteres handeln. Derzeit wird in der Causa Signa zu zwölf Sachverhalten ermittelt – neun davon betreffen Benko. Sie haben eins gemeinsam: Immer ist das Geld woanders, als es eigentlich sein soll. Mutmaßlich, freilich – es gilt die Unschuldsvermutung. René Benko und alle anderen Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Manche Ermittlungsstränge stehen noch am Anfang – manche sind weit gediehen, und manche sind de facto ausermittelt. Zum Beispiel der zu eben jenem Safe. profil liegt der Abschlussbericht der Soko Signa dazu vor, und der hat es in sich. Es geht um den Verdacht, Vermögen beiseitegeschafft zu haben, das eigentlich den Gläubigern in Benkos Insolvenzverfahren zustehen würde.
Die Familie Benko legt offenbar großen Wert auf Sicherheit. Personenschützer sind stets an ihrer Seite – ihre Wohndomizile gleichen Festungen, überall Alarmanlagen, Videokameras, Warnungen. Wo könnte also Vermögen sicherer sein als hier? Warum installiert man also einen Safe außerhalb dieser streng geschützten Sphäre – bei Verwandten, die deutlich entfernt wohnen in der Abstellkammer in einem relativ unbewachten Einfamilienhaus?
Ausgerechnet ein Personenschützer könnte aber nun zum Risiko für Benko geworden sein und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zur allerersten Anklage im umfangreichen Signa-Komplex geführt haben. Als die Ermittlerinnen und Ermittler der Soko Signa Anfang November einen ehemaligen Bodyguard von René Benko befragen, der – in anderem Zusammenhang – in Innsbruck im Gefängnis saß, fällt plötzlich das Wort „Tresor“. Nun waren Safes, in denen Wertgegenstände und sensible Dokumente sicher aufbewahrt werden, weder im Hause Benko, noch in den Signa-Büros unüblich. Schließlich könnte jemand einbrechen, dem Hauspersonal kann man ja auch nicht blind vertrauen.
Aber dieser eine Safe war den Ermittlern neu. Er wurde nämlich nicht bei den zahlreichen Hausdurchsuchungen, die die Ermittler seit vergangenem Jahr durchgeführt haben, gefunden. Und er war auch Andreas Grabenweger neu. Das ist René Benkos Insolvenzverwalter. Die Ermittler fanden den Tresor dann letztlich im Haus von Verwandten von Nathalie Benko, René Benkos Ehefrau.
Versteckspiel
Der Signa-Gründer hat Anfang März 2024 Insolvenz als Privatunternehmer beantragt. Zuvor hatte Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen René Benko eingebracht, weil er der Finanz als Unternehmer mindestens 1,7 Millionen Euro schuldete. Er musste also das Geld entweder bezahlen oder selbst einen Insolvenzantrag stellen und seine Zahlungsunfähigkeit beweisen. Benko tat zweiteres. Damit zwang die Finanzprokuratur den Unternehmer indirekt zu einem sehr umfassenden Vermögens-Striptease, weil man in einem Insolvenzverfahren seinem Masseverwalter sein gesamtes Privatvermögen offenlegen muss, das zur Befriedigung der Gläubigerforderungen verwendet wird.
Und hier kommt der Safe ins Spiel. Weder er noch dessen Inhalt finden sich nämlich auf der Vermögensaufstellung, die Benko seinem Masseverwalter Grabenweger aushändigen musste. Im Innenraum des Tresors befanden sich sieben prunkvolle Ringe, elf Herren-Armbanduhren mit diversen Ersatzbändern, acht Manschettenknöpfe und 120.000 Euro in bar. Zusammengerechnet ein kleines Millionenvermögen. Nur, wem gehört der Safe? Und: Hat René Benko mithilfe seiner Ehefrau versucht, Vermögen vor der Insolvenz beiseite zu schaffen und vor dem Zugriff der Gläubiger zu verstecken? Das vermuten jedenfalls die Ermittler. René Benko hat die Vorwürfe bestritten. Eine Anfrage an den Anwalt seiner Frau blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Es gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung. Alle mit dem Fall betrauten Personen, mit denen profil sprach, rechnen jeden Augenblick mit der ersten Anklage im Signa-Komplex – ein sogenannter Vorhabensbericht, dessen genauer Inhalt allerdings nicht bekannt ist, ist nach der Prüfung durch das Justizministerium wieder bei der WKStA retour. Einiges spricht dafür, dass es bei der ersten möglichen Anklage genau um den Safe und die Uhren gehen könnte. Die Ermittlungsergebnisse zusammengefasst: Nathalie Benko fragt eine Verwandte, zu der ein gutes Verhältnis besteht, ob sie einen Safe für sie aufbauen lässt – diese stimmt zu. Als die Polizei den Safe findet, gibt Nathalie Benko zuerst an, den Code nicht zu kennen. Die Ermittler bringen ihn schließlich nach Rücksprache mit dem Verkäufer in Erfahrung. Und was man dann findet, das ist, sagen wir mal: schön. Nicht nur für die Ermittler. All diese Gegenstände haben bisher keinen Niederschlag in jenem Vermögensverzeichnis gefunden, das Rene Benko abgeben musste. Wie kann das sein?
Benko bestreitet jedenfalls, dass die Sachen ihm gehören würden. Er erzählte den Ermittlern, dass er vom Safe und vom Großteil der Gegenstände darin zwar gewusst habe. Der Safe-Einbau sei aber durch seine Frau organisiert worden und habe er selbst auch nicht von Anfang an gewusst, dass sie den Tresor angeschafft hatte. Er habe persönlich nichts in den Tresor hineingegeben, sagte Benko aus. Dass die Ringe seiner Frau gehören, ist aufgrund der Ringgröße im Ermittlungsverfahren unbestritten. Aber wie ist es mit den 120.000 Euro Bargeld und den Uhren, Ersatz-Bändern sowie den Manschettenknöpfen, deren Gesamt-Verkehrswert von einem Sachverständigen mit knapp unter 250.000 Euro beziffert wird? „Es handelt sich in diesem Fall um Bargeld meiner Frau, welches sie über die Jahre angespart hat“, behauptete Benko ihm Rahmen einer Beschuldigteneinvernahme.
Acht der elf Uhren sollen seinen Söhnen gehören: „Jeweils vier Uhren habe ich anlässlich Weihnachten 2021 aus meiner damaligen Uhrensammlung meinen Söhnen geschenkt“, sagte er den Ermittlern. Drei weitere Uhren seien Geschenke von Gästen gewesen und sollten bei Charity-Veranstaltungen seiner Frau versteigert werden. Ein Grund, warum die Ermittler an dieser Version zweifeln, ist, dass Benko manche der Uhren später noch selbst getragen hat. Der Signa-Gründer schilderte bei der Einvernahme eine angebliche Praxis des innerfamiliären Uhren-Ausborgens. Zusammengefasst: Er habe sich nicht nur einzelne der an seine Söhne verschenkten Uhren ausgeborgt, sondern möglicherweise auch einmal eine Uhr von seiner Frau. Die Ermittler hakten nach und wollten wissen, ob denn Benkos Frau Herrenuhren trägt. Benko antwortete, dass seine Frau „immer große Uhren bevorzugt“ habe.
Elf Luxusuhren wurden in einem Safe bei Verwandten der Benkos gefunden. Sie alle wurden nicht dem Masseverwalter in Benkos Privatinsolvenzverfahren als Unternehmer gemeldet. Nun stellt sich dich Frage: Wem gehören die Uhren? Benko sagt, seinen Kindern und seiner Frau. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht das anders.
Die Uhren waren aber nicht das einzige großzügige Geschenk, das Benko seinen Söhnen zu Weihnachten gemacht haben will: „Ich habe im Rahmen der Uhren-Geschenke an meine Söhne Ende 2021 mit meiner Frau besprochen, dass ich den Jungs auch noch Manschettenknöpfe aussuche. Beide haben jeweils zwei Manschettenknopfpaare geschenkt bekommen.“
Im Rahmen des Konkursverfahrens gegen Benko erkundigte sich Masseverwalter Grabenweger über den Verbleib von zwei Manschettenknopfpaaren – und wies auf sichergestellte Rechnungen hin, die auf Benko ausgestellt waren.
Benko behauptete in seiner Antwort an den Masseverwalter, dass sich keine Manschettenknöpfe mehr in seinem Besitz befänden. Er könne nicht sagen, ob diese im Haus von Mitarbeitern gestohlen worden seien, er sie im Hotel verloren habe oder ob diese im Signa-Büro in Wien waren, bevor dieses im Rahmen der Insolvenz schnell ausgeräumt worden sei. Er wird froh sein, dass offenbar nicht alle von ihnen verloren gegangen sind. Aufgrund des Materials („Rotgold“) und des Herstellers gehen die Ermittler davon aus, dass ein Paar Manschettenknöpfe von der vorgefundenen Rechnung sicher im Safe verwahrt war. Kostenpunkt: 5.200 Euro.
Benko hat in seinem Insolvenzverfahren angegeben, acht teure Armbanduhren zu besitzen. Auf einer Excelliste mit versicherten Gegenständen von René und Nathalie Benko finden sich allerdings 15 Uhren wieder. Sie alle sollen laut Liste René Benko gehören und für ihn versichert worden sein. Und ein paar davon sehen den Chronometern im Safe erstaunlich ähnlich. Wem also gehören sie?
Die große Bescherung
Und warum beschenkt Benko seine Familie so großzügig? „Weihnachten 2021 war in der Tat kein übliches Jahr, sondern für mich emotional die Hochphase meiner beruflichen Laufbahn. (...) Meine Frau hat zu Weihnachten 2021 einen sehr besonderen Ring bekommen, der auch unserer gemeinsamen Tochter, die zum damaligen Zeitpunkt auch noch sehr jung war, für die Zukunft angedacht war. In diesem Zusammenhang war es mir emotional und persönlich ein Bedürfnis, meinen beiden Söhnen auch etwas Besonderes mit Symbolik und Erinnerungswert zu schenken und so sind in Summe die Geschenke anlässlich Weihnachten 2021 entstanden“, gab der Signa-Gründer bei einer Beschuldigteneinvernahme zu Protokoll.
„Ich habe im Rahmen der Uhren-Geschenke an meine Söhne Ende 2021 mit meiner Frau besprochen, dass ich den Jungs auch noch Manschettenknöpfe aussuche."
René Benko
gegenüber den Ermittlern.
Es war jedenfalls ein schönes Fest. Den 24. Dezember verbrachte die Familie in Innsbruck bei den Großeltern – den Tag darauf im luxuriösen Chalet N. in Lech. Die Bescherung wurde ausführlich fotografisch dokumentiert. Die Ermittler sind die Fotos durchgegangen, um herauszufinden, ob hier etwas von dem angeblichen Uhren-Geschenk zu sehen ist.
Im Abschluss-Bericht der Soko Signa zeigt sich aber: Die Kinder haben durch die Bank kindliche Geschenke bekommen, wenn auch teils sündhaft teure: Man sieht sie mit einer Playstation, Mama und Tochter mit großer und kleiner Chanel-Handtasche. Kuscheltiere, einen Buben mit Mini-Ziehharmonika. Ein Sohn bekam Nike-Schuhe. Einer eine Nerf-Gun – und ein anderer posiert mit einem Jagdgewehr.
Eine Uhr oder Manschettenknöpfe sind bei den Geschenken nicht zu sehen – dafür trägt Benko die Uhr, die er am Tag zuvor angeblich seinem Sohn geschenkt haben will, selbst am Handgelenk. Auch auf weiteren Familienfotos ist er mit der einen oder anderen Uhr zu sehen, welche die Ermittler jenen aus dem Safe zuordnen – zuletzt im Sommer 2023.
Dass Benko argumentiert, er habe die Uhren verschenkt und sich einzelne davon dann wieder ausgeborgt, scheint die Ermittler nicht restlos überzeugt zu haben.
„Die beschlagnahmten Fotos auf dem Mobiltelefon von Nathalie Benko ziehen die Aussage des René Benko, wonach er die Armbanduhren und Manschettenknöpfe zu Weihnachten 2021 an seine beiden Buben verschenkt habe, massiv in Zweifel“, finden die Ermittler. Konklusio der Ermittler des Bundeskriminalamts: Zahlreiche weitere Fotos aus den Folgejahren verdeutlichen, „dass die Angaben von René Benko in der Beschuldigtenvernehmung vom 23.04.2025 als reine Schutzbehauptungen einzustufen sind“.
Und was sagen jene dazu, die den Safe bei sich beheimatet haben – also die Verwandten von Nathalie Benko? „Ich habe nie mitbekommen, dass die Kinder Erwachsenenschmuck oder so etwas in der Art geschenkt bekommen haben. Die Kinder haben mir solch einen Schmuck auch nie gezeigt oder mir erzählt, dass sie so einen Schmuck geschenkt bekommen hätten“, sagt eine dieser Verwandten. Und: „Ich glaube, die Ringe, die heute bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden, gehören der Nathalie – die hat sie bestimmt von René geschenkt bekommen. René hat immer viele Geschenke an Nathalie gemacht. Die Uhren gehören ja offensichtlich dem René.“
Klären wird diese Frage demnächst wohl das Gericht. Die gefundenen sieben Damenringe gehören – wie erwähnt – völlig unbestritten seiner Frau. Sie würden also so oder so nicht in die Insolvenzmasse wandern. Schade für die Gläubiger, so ein Klunker kostet nämlich schon mal um die zwei Millionen Euro. Aber Geld spielte eben lange Zeit keine Rolle, es war einfach da. Und dann war es plötzlich weg.
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.