Gutachten: Signa-Prime schon eineinhalb Jahre früher pleite
Ende 2023 legte Signa die bisher größte und wohl skandalträchtigste Firmenpleite in der Wirtschaftsgeschichte der Zweiten Republik hin. Tatsächlich wurde es für das damalige Immobilienimperium von René Benko aber schon viele Monate davor finanziell richtig eng. Bereits im Frühjahr 2022 soll die werthaltigste Signa-Gesellschaft – Signa Prime Selection – überschuldet gewesen und in massive Liquiditätsschwierigkeiten gerutscht sein. In ihr waren über weitere Zwischenfirmen die werthaltigsten und bekanntesten Signa-Gebäude gebündelt, wie etwas das Wiener Park Hyatt, das schicke Upper West in Berlin oder das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck. Dass die Signa-Prime bereits mehr als eineinhalb Jahre vor der offiziellen Insolvenz faktisch pleite gewesen sein soll, ergibt sich aus einem aktuellen Bericht des Insolvenzverwalters, der profil vorliegt.
Der Insolvenzverwalter der mittlerweile in Konkurs gerutschten Signa Prime, Norbert Abel, hatte zur Ermittlung des Zeitpunkts der sogenannten materiellen Insolvenz ein Gutachten beim Wirtschaftsprüfer Grant Thornton Austria beauftragt. „Das Ergebnis der Analyse ergibt: einen Eintritt der materiellen Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit zum Stichtag 31.03.2022“, heißt es wörtlich in dem Bericht. Schon damals habe die Liquiditätslücke 214 Millionen Euro betragen. Das seien 76 Prozent der fälligen Schulden gewesen. Im Klartext: Signa Prime hatte laut Gutachter schon eineinhalb Jahre vor der tatsächlichen Pleite nicht genug Cash, um drei Viertel seiner fälligen Kredite zu bedienen.
Wie schlecht es um Signa Prime und um die gesamte Gruppe in ihrem letzten Geschäftsjahr tatsächlich stand, ist nach wie vor nicht im Detail bekannt – zumindest nicht öffentlich. Ein Konzernabschluss für 2023 wurde noch immer nicht im Firmenbuch veröffentlicht. Das Gutachten von Grant Thornton geht laut Insolvenzbericht aber davon aus, dass von April 2022 bis zur Pleite Ende 2023 mehr als eine Milliarde Euro Betriebsverlust angefallen ist; und zwar nur bei Signa Prime.
Kaum Geld für Gläubiger
Allein hier haben die Gläubiger Forderungen in der Höhe von 11,7 Milliarden Euro angemeldet, wobei nur 3,8 Milliarden Euro anerkannt wurden. Diese Forderungen sollen ja aus dem Verkauf der Immobilien bedient werden. Bisher wirft der Verwertungsprozess aber wohl nicht ganz so viel ab, wie erhofft. Zu ihren Hochzeiten war allein Signa Prime dank üppiger Mieten mit mehr als 20 Milliarden Euro bewertet. Seit der Insolvenz wurden aber die Signa-Immobilien der Reihe nach abgewertet. Einerseits, weil viele Mieten schlicht überhöht gewesen sein dürften und jetzt neu verhandelt wurden. Anderseits, weil die derzeit am Markt realisierbaren Preise viel niedriger sind, als die letzten Buchwerte der Liegenschaften.
Hinzu kommt, dass so gut wie alle Signa-Gebäude mit üppigen Pfandrechten belegt sind. Bevor die Gläubiger bedient werden, müssen zunächst die Bankkredite rückgeführt werden. Und danach bleibt oft wenig übrig. Ein Beispiel: Laut Bericht wurde das Signa-Gebäude in der Wiener Renngasse, in dem der Verfassungsgerichtshof beheimatet ist, im Jänner dieses Jahres um 100,5 Millionen Euro an die JR Investment GmbH verkauft. In die Insolvenzmasse sind davon aber nur 8,57 Millionen Euro geflossen, und auch die stehen noch unter rechtlichen Vorbehalten.
Aus dem Verkauf des Upper West in Berlin an die Schoeller Group um 425 Millionen Euro fließt laut Bericht gar nichts in die Insolvenzmasse, weil davor andere, etwa grundbuchlich besicherte Forderungen bedient werden müssen.
Zur gesamten bisherigen Einnahmensituation lässt sich dem Insolvenzverwalter-Bericht folgender Satz entnehmen: „Bislang konnte zugunsten der Insolvenzmasse ein Nettozufluss in Höhe von EUR 26,75 Mio. vereinnahmt werden.“ Gemessen an den offenen Milliardenbeträgen heißt das: außer Spesen, wenig gewesen.