René Benko am Landesgericht Innsbruck
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24 Monate Haft – und ein Freispruch: So kam es zum Benko-Urteil

Signa-Gründer René Benko wurde am Mittwoch in Innsbruck – nicht rechtskräftig – zu einem Anklagepunkt wegen betrügerischer Krida verurteilt, zum anderen freigesprochen. Wie die Richterin die Entscheidung begründete.

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Um 13.53 Uhr ist es soweit: Einlass in den Schwurgerichtssaal am Landesgericht Innsbruck – zum letzten Mal in diesem ersten, mit Hochspannung erwarteten Strafprozess gegen René Benko in Zusammenhang mit dem Signa-Ermittlungskomplex. Eine knappe Stunde davor haben sich die vorsitzende Richterin und die beiden Schöffen zu ihrer finalen Beratung zurückgezogen. Nun sind sie zu einem Urteil gelangt.

Die zahlreichen Journalistinnen und Journalisten, die das Verfahren mitverfolgt haben, strömen zügig in Richtung ihrer zugewiesenen Plätze. René Benko wird – wie schon zuvor an den beiden Verhandlungstagen – von sieben bis acht Justizwachebeamten in den Saal geführt. Er sitzt seit Jänner 2025 in Untersuchungshaft. Dass vom Haftgericht keine Fluchtgefahr angenommen wird und nicht einmal ansatzweise der Verdacht auf ein Gewaltverbrechen im Raum steht, ändert offenbar nichts an der rigorosen Bewachung.

Unbedingte Haftstrafe – nicht rechtskräftig

Es geht los. Alle stehen auf. Richterin Andrea Wegscheider setzt zur Urteilsverkündung an. Sie spricht schnell und sicher: Benko ist aus Sicht des Schöffensenats schuldig, in Bezug auf eine Überweisung von 300.000 Euro an seine Mutter im November 2023 das Delikt der betrügerischen Krida begangen zu haben. Dafür brummt ihm das Gericht in erster Instanz 24 Monate unbedingte Haft auf, wobei ihm die mittlerweile neunmonatige U-Haft anzurechnen wäre.

Zu allen weiteren Anklagepunkten – dabei geht es um eine Mietvorauszahlung und Betriebskostenzahlungen für eine Villa in Innsbruck – spricht das Gericht den Signa-Gründer hingegen frei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sowohl Benkos Verteidiger als auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), aus deren Feder die Anklage stammt, gaben keine Erklärung ab. Sie haben drei Tage Bedenkzeit, ob sie das Urteil anerkennen oder sich allfällige Rechtsmittel vorbehalten.

Richterin Andrea Wegscheider bei der Benko-Verhandlung am Landesgericht Innsbruck
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Urteilsbegründung mit Signalwirkung

Wie kam es nun zu dieser ersten strafgerichtlichen Entscheidung in der Causa Benko? Richterin Andrea Wegscheider gewährte in einer ausführlichen mündlichen Urteilsbegründung tiefe Einblicke in die Überlegungen des Schöffensenats. Und diese könnten durchaus eine gewisse Signalwirkung für die weitere Signa-Aufarbeitung haben.

Die WKStA ist in dieser ersten Anklage inhaltlich ganz an der Oberfläche des riesigen Signa-Komplexes geblieben. Zwei – vermeintlich – einfache Sachverhalte. Ein einziger rechtlicher Vorwurf: betrügerische Krida. Benko hat alle Vorwürfe immer vehement bestritten – profil berichtet wiederholt. Warum hat ihn das Gericht zumindest in einem Punkt trotzdem für schuldig befunden?

„Das reicht für die Krida“

Das lässt sich in den Worten der vorsitzenden Richterin im Wesentlich in drei Sätzen darlegen: Benko habe von seiner Mutter Geld geschenkt bekommen. Er habe dann „ohne Rechtsgrund einen Teil zurücküberwiesen“. „Damit ist das erledigt. Das reicht für die Krida“, erklärte Wegscheider.

Tatsächlich erhielt Benko von seiner Mutter im November 2023, als es im Signa-Imperium schon heftig zu krachen begann, 1,5 Millionen Euro. 300.000 Euro davon retournierte – der Sachverhalt an sich ist im Verfahren unstrittig. Aus Sicht des Gerichts, das damit der Ansicht der WKStA folgte, entzog Benko das Geld mit der Rücküberweisung seinen Gläubigern. Das Argument der Verteidigung, Benko habe die Summe einige Tage später im Rahmen einer weiteren, größeren Schenkung von seiner Mutter wieder retour bekommen, ließ der Schöffensenat nicht gelten. Das wäre bestenfalls als nachträgliche Schadensgutmachung zu sehen. Das Krida-Delikt sei jedoch bereits verwirklicht gewesen.

Benko-Anwalt: Gesetz „zu eng“ ausgelegt

Auch die sogenannte subjektive Tatseite – also, dass Benko eine Schädigung der Gläubiger zumindest für möglich hielt und sich damit abfand – sah das Gericht als gegeben an. Aufgrund der Liquiditätssituation im Herbst 2023 habe es laut Richterin Wegscheider den Anschein, dass „Benko Liquidität sichern wollte – und nicht bei sich selbst“. Er sei über jede Zahlung informiert gewesen. Benkos Anwalt Norbert Wess blieb nach der Verhandlung dabei, dass aus seiner Sicht keine betrügerische Krida vorgelegen sei. Das Geld wäre wieder zu Benko retour gekommen. Das Gesetz sei hier „sehr, sehr eng ausgelegt“ worden – aus seinem Verständnis heraus „zu eng“. Bezüglich möglicher Rechtsmittel wollte er sich mit seinem Mandanten beraten: „Es ist eher wahrscheinlich, dass es passiert, als dass es nicht passiert.“

Benkos Rechtsanwalt Norbert Wess gab nach der Urteilsverkündung ein Pressestatement ab und beantwortete Journalistenfragen.
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Signalwirkung für die Signa-Aufarbeitung

In dem Bereich, in dem es um eine reine – möglicherweise eng ausgelegte – Rechtsfrage ging, hat sich die WKStA mit ihrer Anklage zumindest erstinstanzlich also durchgesetzt. Beim zweiten Anklagepunkt, bei dem zusätzlich eine zentrale Sachverhaltsfrage zu klären war, konnte die Anklagebehörde das Gericht jedoch nicht überzeugen. Beides könnte mit Blick auf die weitere Signa-Aufarbeitung eine gewisse Signalwirkung haben.

Konkret ging es beim zweiten Punkt um eine Mietvorauszahlung im Oktober 2023 für eine Villa in Innsbruck in der Höhe von 360.000 Euro. Die WKStA vertrat die Ansicht, dass die Immobilie damals noch gar nicht bewohnbar gewesen sei und der Zahlung daher kein entsprechender Wert gegenübergestanden sei – eine absichtlich herbeigeführte Vermögensschmälerung also. Anwalt Wess argumentierte vor Gericht hingegen, dass die Villa sehr wohl bewohnbar gewesen sei, und präsentierte auch einen Zeugen, den die WKStA im Ermittlungsverfahren gar nicht befragt hatte. Der Mann war damals auf technischer Seite mit dem Haus befasst gewesen und bestätigte nun unter Wahrheitspflicht rundheraus die Bewohnbarkeit. Auch einige andere Verfahrensergebnisse ließen an der Behauptung der WKStA zweifeln.

Richterin: „Aufgrund des Verfahrens keine Basis“

Dafür, dass die Villa von Beginn an nicht bewohnbar gewesen sei, gebe es „aufgrund des Verfahrens keine Basis“, urteilte letztlich Richterin Wegscheider. Mehrere Leute hätten ausgesagt, dass man Ende 2023 dort wohnen hätte können. Das Gericht ging jedoch nicht nur davon aus, dass die Immobilie bewohnbar gewesen sei, sondern dass Benko dort auch tatsächlich wohnen wollte – er habe entsprechendes Interieur bestellt und Leute beauftragt, argumentierte die Richterin. Was danach passiert sei, stehe – sinngemäß – auf einem anderen Blatt Papier. Benkos Familie ist offenbar erst deutlich später in das Haus eingezogen.

Die Höhe der Miete von 7.500 Euro pro Monat für die 320-Quadratmeter-Villa in Panoramalage hielt das Gericht auch nicht für überzogen: „In Innsbruck kostet jeder Keller 1000 Euro“, merkte Wegscheider trocken an. Dass ein allfälliger späterer Hangrutsch an der Angemessenheit etwas geändert hätte, sei für das Gericht nicht feststellbar gewesen. Und was nicht feststellbar sei, gehe zugunsten des Angeklagten.

Anwalt Wess: „Benko ist ein Kämpfer"

Wie geht es René Benko bei alldem? Anwalt Wess wollte auf Journalistenfragen nach der Verhandlung keine persönlichen Details seines Mandanten preisgeben. Nur so viel: „René Benko ist ein Kämpfer und findet sich in jeder Situation zurecht.“ Man wird sehen. Daran, dass wohl noch weitere Prozesse folgen werden, hat auch Wess keine Zweifel: „Die nächsten Verfahren kommen wie das Amen im Gebet.“

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.