
René Benko wurde zum Prozessstart aus der U-Haft vorgeführt und die ganze Zeit im Gerichtssaal streng bewacht. Dies, obwohl in Bezug auf ihn weder Fluchtgefahr angenommen wird, noch der Verdacht eines Gewaltverbrechens vorliegt.
Benko-Prozess: Schwer bewachter Kurz-Auftritt
Zuerst betritt ein Justizwachebeamter den Schwurgerichtssaal am Innsbrucker Landesgericht. Dann noch einer. Und noch einer. Erst danach kommt der, auf den alle gewartet haben: René Benko. Und hinter ihm gleich noch einmal drei bis vier hünenhafte Uniformierte in schwerer Montur.
Im Vergleich zu seinen Wächtern, die ihm auch im Gerichtssaal auf Schritt und Tritt folgen, ihn mal flankieren, mal umringen, verschwindet der Signa-Gründer am Dienstagvormittag zu Beginn des ersten Prozesstags beinahe. Angespannt, blass, merklich dünner als früher – die monatelange Untersuchungshaft und die permanente Drucksituation haben offensichtlich Spuren hinterlassen.
Schwarzer Anzug, rötliche Krawatte, Hemd mit Manschettenknöpfen: So hätte Benko in besseren Zeiten wohl auch Geschäftstermine wahrgenommen. Doch jetzt scheint das alles nicht mehr hundertprozentig zu sitzen. Als er im Laufe der Verhandlung selbst zu Wort kommt, wirkt die Stimme des Signa-Gründers zunächst brüchig. Erst nach und nach wird er sicherer. Und trotzdem: Die Ausstrahlung des brillanten Verkäufers, die Benko aus der Hochblüte-Zeit seines Signa-Imperiums nachgesagt wird, bleibt den zahlreichen Medienvertretern und Prozessbeobachtern im bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal an diesem Tag verborgen.
Benko: Keine Detailfragen vor Gericht
Ohnehin stellt sich bald heraus, dass Benko nicht viel sprechen wird. Er verweist auf eine vor wenigen Tagen eingebrachte schriftliche Gegenäußerung zur Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Inhaltliche Fragen will der Signa-Gründer, dem betrügerische Krida vorgeworfen wird, vor Gericht nicht mündlich erörtern. Das ist das gute Recht eines jeden Angeklagten. Die zwei dicken blauen Mappen mit Papieren, die Benko mit sich herumträgt, wenn er in Pausen aus dem Gerichtssaal abgeführt und danach wieder hereingebracht wird, bleiben verschlossen. Nur so viel: Der Signa-Gründer weist die Vorwürfe zurück und bekennt sich „nicht schuldig“. Den vorangegangenen Anklagevortrag der WKStA, dem Benko manchmal mit leichtem, ganz kurzem Kopfschütteln gefolgt ist, bezeichnet er als „an Zynismus nicht zu überbieten“.
Die Sache mit der Villa
Zum Hintergrund: Benko meldete Anfang März 2024 als Einzelunternehmer Insolvenz an und sah sich bald mit riesigen Forderungen konfrontiert. In den Monaten vor dem Insolvenzantrag soll der Signa-Gründer – aus Sicht der WKStA – jedoch mehrere unvertretbare Zahlungen geleistet haben. profil berichtete ausführlich.
Einerseits geht es dabei um eine Villa in Innsbruck: Diesbezüglich leistete Benko Anfang Oktober 2023 eine Mietvorauszahlung in Höhe von 360.000 Euro. Im Oktober 2023 und im Februar 2024 kamen laut Anklage noch zwei Betriebskosten-Zahlungen von 5.675 Euro beziehungsweise 1.891,67 Euro dazu sein. Vermieterin – und damit Geldempfängerin – war eine Firma aus dem Dunstkreis der „Laura Privatstiftung“. Das ist eine jener Stiftungen, in denen das verbliebene Familienvermögen des Signa-Gründers geparkt ist. Die WKStA stuft die Geldtransfers in der Anklageschrift als „wirtschaftlich und sachlich“ nicht zulässig ein. Benko habe „unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer für ihn spätestens ab Herbst 2023 absehbaren Konkurseröffnung“ den Entschluss gefasst, „Vermögenswerte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen“.
Die Sache mit dem Geld
Weiters geht es in der Anklage um eine 300.000-Euro-Überweisung von René Benko an seine Mutter Ende November 2023. Diese Zahlung sei „wahrheitswidrig“ als Darlehensrückführung betitelt worden, tatsächlich jedoch eine Schenkung gewesen, behauptet die WKStA. Insgesamt geht es also um 667.566,67 Euro, die – laut Verdacht – Benkos Gläubigern nicht mehr zur Verfügung standen. Die WKStA wirft Benko das Verbrechen der betrügerischen Krida vor – Strafrahmen im Falle einer Verurteilung: ein bis zehn Jahre Haft.
Zum Prozessbeginn am Dienstag bekräftige eine Vertreterin der Anklagebehörde den Vorwurf, Benko habe Gelder, die ihm zu Verfügung gestanden seien, beiseitegeschafft und damit Gläubiger geschädigt. In der damaligen Zeit habe Benko selbst gemerkt, dass es „finanziell eng“ werde und er in Konkurs gehen würde. Er sei vor dem Problem gestanden für seine Familie einen langfristigen Wohnsitz zu sichern, meinte die WKStA-Vertreterin – deshalb die Mietvorauszahlung. Das Geld sei „wie üblich aus einer seiner Privatstiftungen“ gekommen. Das Haus sei damals jedoch noch gar nicht bewohnbar gewesen.
Bezüglich der 300.000-Euro-Zahlung an die Mutter sprach die Vertreterin der WKStA am Dienstag von einer „Rückschenkung der Schenkung“. Benko habe von seiner Mutter im November 2023 insgesamt 1,5 Millionen Euro geschenkt bekommen – die Mittel dafür stammten ursprünglich aus der „INGBE Privatstiftung“ in Liechtenstein, einer weiteren Familienstiftung Benkos. Nachdem eine Reihe von Ausgaben getätigt waren, habe der Signa-Gründer gemerkt, dass ihm 300.000 Euro übrig bleiben würden. Er habe seinen Gläubigern nicht einmal das zugestanden, meinte die WKStA-Vertreterin, sondern habe das Geld seiner Mutter zurücküberwiesen, ohne dazu verpflichtet zu sein.
WKStA: Stiftungen als „Selbstbedienungsladen“
„Vieles nimmt bei ihm ganz besondere Wege“, fasste die Vertreterin der Anklagebehörde am Dienstag mit Verweis auf Benko zusammen. Grund dafür sei gewesen, dass er in Konkurs gewesen sei, sich jedoch geweigert habe, seinen luxuriösen Lebensstil aufzugeben. Er habe die Privatstiftungen als „Selbstbedienungsladen“ genutzt. „Benko sagt, dass seine Mutter ihn unterstützen will“, führte die WKStA-Vertreterin aus: „Tatsächlich aber unterstützt René Benko sich selbst.“
Benko-Anwalt: Anklage „falsch“
All das wies Benko-Anwalt Norbert Wess am Dienstag vor Gericht umgehend und mit viel Verve zurück. Er verstehe die Anklageschrift rechtlich nicht, meinte Wess. Diese sei sowohl vom Sachverhalt als auch von der rechtlichen Beurteilung her „falsch“ und gehe an den Kernthemen vorbei. Die Mietvorauszahlung sei gerechtfertigt gewesen. Die Behauptung der WKStA, die Immobilie im Norden Innsbrucks sei bis Ende 2024 gar nicht bewohnbar gewesen sei „komplett falsch“.
Angesichts der Turbulenzen rund um die Signa im Jahr 2023 sei es Benko und seiner Familie ein Anliegen gewesen, ein wenig zur Ruhe zu kommen, argumentierte Wess zusammegefasst. Mittelfristig habe man auch den Wohnsitz in das Haus verlegen wollen. Die „öffentliche Begleitung“ habe dann jedoch ein Ausmaß erreicht, das „auch die Sicherheit der Familie Benko betroffen“ habe. Das Haus habe nicht über die nötigen Sicherheitsvorkehrungen verfügt. Deshalb habe man den Umzug immer wieder aufschieben müssen.
Eigene Insolvenz „nicht absehbar“
Tatsächlich sei die Situation für Benko herausfordernd gewesen, sagte Wess. Dennoch habe man damals von einer Sanierung der Signa unter Eigenverwaltung ausgehen können und habe auch das Insolvenzgericht das zunächst so gesehen. Sukkus: Eine Privatinsolvenz oder Insolvenz als Einzelunternehmer sei für Benko nicht absehbar gewesen.
Wess bestritt darüber hinaus vehement, dass eine Mietvorauszahlung im Privatbereich unüblich sei. Eine solche sei weder unüblich, noch nachteilig. Es sei ein entsprechender Gegenwert entstanden. Der spätere Masseverwalter Benkos hätte die Vorauszahlung auch zurückfordern können. Die Betriebskosten wiederum seien genauso geregelt gewesen wie „in jedem 0815 Kreditvertrag“. Das Geld für die Vorauszahlung habe Benko aus der Aufstockung eines Darlehens aus dem Bereich der „Laura Privatstiftung“ erhalten. Dies sei also kein Vermögen gewesen, das er zuvor schon gehabt und dann seinen Gläubigern entzogen habe, fasst Wess sinngemäß zusammen.
Wess: Benko-Mutter keine „Strohmama“
Bezüglich der Stiftungen wies Wess den Verdacht, dass deren Vermögen in Wahrheit Benko zuzurechnen sei, vehement zurück. Die „INGBE Stiftung“ sei von vornherein als Familienstiftung zur Versorgung der Kinder und der Eltern Benkos eingerichtet worden. Die Stiftung habe zum letzten Mal 2015 Zuwendungen von außen erhalten und seither mit ihrem Vermögen alleine gewirtschaftet. Der Vorwurf, Benkos Mutter habe für ihren Sohn als „Strohmama“ agiert, sei falsch. Benko sei nie Begünstigter der Stiftung gewesen, seine Mutter schon. Und die Mutter habe eben die Bereitschaft gehabt, ihren Sohn zu unterstützen – dies einerseits mit Blick auf die Kosten für die Lebensführung, aber auch mit Blick auf die Sanierungskosten für die Signa-Gruppe.
Bezüglich der 300.000 Euro hielt Wess fest, dass „immer vereinbart“ gewesen sei, dass Benko Geld, das er zunächst nicht braucht, wieder zurückgeben werde – und bei Bedarf später erneut an seine Mutter herantreten könne. So sei das in diesem Fall gewesen: Die 300.000 Euro wären nach der Rücküberweisung auf dem Konto der Mutter liegen geblieben und einige Tage später im Rahmen einer weiteren Schenkung dann Benko erneut zugegangen. Insgesamt sei es immer um 2,5 Millionen Euro gegangen und nicht um 2,8 Millionen: „Das Geld kann sich leider Gottes nicht vermehren“, hielt Wess fest: „Die 300 sind Luft.“ Es sei „einfach zu akzeptieren, dass die Mutter eine Mutter ist und die Bereitschaft hatte, ihrem Sohn Mittel zur Verfügung zu stellen“, um die damaligen Hürden zu meistern.
Urteil am Mittwoch erwartet
Man wird sehen, wie der Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin Andrea Wegscheider das alles einordnen wird. Da Benko selbst vor Gericht keine inhaltlichen Fragen beantworten wollte und mögliche Zeugen auf die Schnelle nicht greifbar waren, war am Dienstag bereits nach zwei Stunden Schluss. Morgen, Mittwoch, sollen unter anderem Benkos Masseverwalter, aber auch mehrere ehemalige Vertraute und Mitarbeiter des Signa-Gründers als Zeugen gehört werden. Im Anschluss daran wird dann wohl auch gleich das Urteil in diesem ersten Signa-Strafprozess fallen.