Wer und wie ist Papst Leo XIV.? Kardinal Schönborn gibt Auskunft.
Freitagvormittag erzählte Kardinal Christoph Schönborn vor einer Schar Journalisten vom neuen Papst und bot im Festsaal des Wiener Erzbischöflichen Palais neben dem Stephansdom einen Einblick, wie Leo XIV. denkt und sein Pontifikat anlegen könnte.
Schönborn erfuhr von der Wahl eines neuen Papstes, wie es sich für einen emeritierten Erzbischof von Wien gehört: durch das Läuten der Pummerin, die wie alle Kirchenglocken das erfolgreiche Ende des Konklaves verkündete.
Er erwarte sich vom neuen Papst, so Schönborn, „Papst zu sein“. Der Erkenntniswert von Tautologien ist begrenzt, also führte der Kardinal weiter aus: Die auf dem Petersplatz wartenden Menschen hätten „Habemus Papam“ wegen des Amtes, weniger wegen des Kardinals, der es nun ausübt, gerufen. Die Kirche und die Gläubigen bräuchten eine derartige „Symbolgestalt“. Die gewählten Päpste mögen persönlich unterschiedlich sein, das Amt aber habe eine „gewaltige Kontinuität“. Diese Kontinuität erstreckt sich immerhin über 2000 Jahre. Leo XIV. ist der 267. Papst.
Kollegial, nicht monarchisch
Leo sei wie Franziskus ein bescheidener Mann und werde dessen Weg fortsetzen, aber gleichzeitig „neue Akzente“ setzen, so Schönborn. Diese Akzente könnten in einer Demokratisierung der Kirche bestehen. Der Papst werde nicht „monarchisch“, sondern „kollegial“ sein.
Im Vorkonklave berieten die Kardinäle darüber, dass eine Art „Ministerrat“ geschaffen werden könnte, damit Entscheidungen in der Kirche nicht päpstlich-individuell, sondern gemeinschaftlich fallen. Die Demokratie – im Sinne der Volksherrschaft – äußerte sich aus Schönborns Sicht bereits in der Akklamation der Gläubigen am Petersplatz für den neuen Papst. Was deren konkrete Mitbestimmung in Kirchenfragen betreffe, erwartet Schönborn, dass Leo den von Franziskus begonnenen Reformprozess fortsetze.
Zu Allerheiligen 2024 besuchte der Augustiner Prevost das Augustinerkloster in Wien zum 675. Weihetag der Augustinerkirche und traf im Erzbischöflichen Palais mit Schönborn zusammen. Papst Leo XIV. sei „ruhig“, „klar“, „herzlich“, aber auch „bestimmt“, sagt Schönborn. Einer, der „zuhören“, aber auch „leiten“ könne.
Zur Einstellung des Papstes zu „den heißen Eisen“ (Zölibat, weibliche Diakone, Segnung Homosexueller, Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen) kann – oder will – Schönborn zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft geben. Folgt Leo, wie Schönborn in anderem Zusammenhang öfter festhält, auch in diesen Fragen dem Vorbild von Franziskus, wird er wohl eine liberale Haltung einnehmen. Kann man die rasche Wahl von Prevost also als Erfolg der Personalpolitik von Franziskus interpretieren? Und als Sieg des progressiven Lagers über das konservative im Kardinalskollegium? Immerhin ernannte Franziskus einen Großteil der stimmberechtigten 133 Kardinäle, die nun mit Leo in nur vier Wahlgängen einen Papst im Sinne von Franziskus erkoren. Natürlich hätte Franziskus seine eigene Personalpolitik verfolgt, meint Schönborn. Die Etikettierung der Kardinäle als „progressiv“ oder „konservativ“ sei aber viel zu grob.
Ernennt der Papst bald den Erzbischof von Wien?
Von Leo sei zu erwarten, dass er die vorhandenen Spannungen unter den US-amerikanischen Kardinälen löse. In der Frage der Migration werde der Papst wohl der Politik der US-Regierung widersprechen. Prevost lebte lange Zeit in Peru. Aus Lateinamerika stammen auch die meisten Migranten, die in die USA wollen, darunter viele Katholiken.
Schönborn sieht den neuen Papst vor allem als „Hirten“, der sich um die Gläubigen kümmere. Wie steht es aber um dessen theologische Fähigkeiten? Papst Leo XIV. verfüge über eine solide theologische Ausbildung, sei zwar kein Experte für Dogmatik (wie Schönborn), aber für Kirchenrecht. Prevost müsse schon deswegen ein guter Theologe sein, so Schönborn schelmisch, da er am Angelicum in Rom studierte, der päpstlichen Hochschule des Dominikanerordens, dem auch Schönborn angehört.
Im Vatikan war Prevost für die Auswahl der Bischöfe zuständig. Bei mehreren Treffen besprach Schönborn mit ihm seine eigene Nachfolge als Erzbischof von Wien. Der Papst kenne und liebe Österreich, so Schönborn. Das könne zweierlei bedeuten. Dass die Ernennung eines neuen Erzbischofs nun rasch erfolge oder auch langsam, weil der Papst genau wisse, dass die Situation in Wien sehr komplex sei. Auf zwei Monate länger oder kürzer komme es aber nicht an.
Mit feinem Humor beantwortete Schönborn die Frage, ob er mit einem baldigen Besuch des neuen Papstes in Österreich rechne: „Österreich ist sicher nicht das wichtigste Land, aber natürlich fast das beste.“ Die Voraussetzungen seien also gut.