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Alle Sicherungen raus: Die verqueren Chansons des Tristan Brusch

Der Jugend zartes Ausklingen: Die Neo-Chanson-Kunst des Tristan Brusch gelangt auf seinem neuen Album zur bestechend klaren Ausformung.

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Selbst aus den Randzonen der Sprache lässt sich noch akustisches Gold schlagen. Tristan Brusch, sehr zu Unrecht noch kein Name, den alle kennen, lässt das recht ungelenke Adverb „obendrein“ mit solchem bittersüßen Schmelz durch seine streichersatte Single „Grundsolider Schläger“ schweben, dass einem unweigerlich Chris Isaaks „Wicked Game“ in den Sinn kommt: eine so zärtliche wie souveräne Aneignung jenes Pop-Monuments kontrollierter Verlorenheit.

Das lyrische Ich des Lieds gehört einem Freund, den der Songwriter einst in der Not im Stich ließ: „Mach dir um mich bloß keine Sorgen, Tristan / Ich bin an vielen Wochentagen nüchtern.“ Schmunzelnd wird hier der Abgrund durchschritten – überhaupt ist bei Brusch der Bruch gern zu Besuch: Lachen und Zerbrechen, Untergang und Übertreibung, Trost und Trotz. Parforceritte könnte man das nennen, kaum jemand wagt sie so furchtlos wie der Berliner.

Mit „Am Anfang“, dem Abschluss seiner dunkelromantischen Album-Trilogie über den Verlust von Jugend und Unschuld, zeigt der 37-Jährige eindrucksvoll, welche Wucht das gute alte Chanson deutscher Zunge noch entfalten kann, wenn man ihm freimütig alle Sicherungen rausdreht. „Für die Liebe in Maßen hab ich kein Talent“: So leger und zugleich ohnmächtig hat sich die eigene Getriebenheit länger keiner mehr eingestanden.

Der Gegenpol zu solch Bekenntnisfeuerwerk und Verlorenheitsvermessung liegt in der Musik selbst, die zerbrechlicher, anmutiger denn bisher klingen darf, ohne die eigenwillige Handschrift ihres Schöpfers zu untergraben. „Manche hoffen, bis sie alt sind, manche singen ein Lied / Alles nur, um auszuhalten, was mit dem Herz geschieht“, heißt es im herausragenden „Haifisch“. Möge Tristan Brusch es noch lange aushalten, noch viele solcher Lieder singen, obendrein. 

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