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„Buch Wien“: Loblied auf ein unentbehrliches Event

Der Buchmarkt steckte noch nie so tief in der Krise wie jetzt. Die Branchenmesse „Buch Wien“ wird ab morgen fröhlich dagegenhalten.

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Ach, armes kleines Ding! Bedrohte Spezies Buch! Notgedrungen sei hier deshalb der schnelle Warnhinweis erlaubt: Die folgenden Zeilen können die gute Laune trüben.

Das Kulturgut Buch, laut UNESCO-Definition aus dem Jahr 1964 eine „nicht-periodische Publikation mit einem Umfang von mindestens 49 Seiten“, wird seit geraumer Zeit von allen möglichen Seiten her angegriffen. Verlage und Buchhandlungen kämpfen ums Überleben, die Leserinnen und Leser von Büchern werden stetig weniger, dazu wird überall auf Teufel komm raus gespart.

Dazu ein paar Zahlen: Die Gesamtmenge der in Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Umschlagplatz des deutschsprachigen Buchhandels, veräußerten Publikationen ging in den vergangenen zehn Jahren erheblich zurück: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ermittelte, dass sich die Bucheinkäufe in Deutschland von 37 auf 26 Millionen Stück reduziert haben. 2003 gab es in Deutschland noch 5127 Buchhandlungen, vor zwei Jahren waren davon noch 2843 übrig. In Österreich gab es vor gut 20 Jahren noch 1115 Buchhandlungen, inzwischen hält der heimische Handel bei 400 Verkaufsstellen.

Laut der jüngsten OECD-Untersuchung haben mehr als ein Viertel der Erwachsenen in Österreich Probleme beim Lesen; die Zahl der funktionalen Analphabeten steigt, also jener Zeitgenossen, die einzelne Wörter und Sätze lesen und schreiben können, aber nicht mehr in der Lage sind, zusammenhängende Texte zu verstehen.

„In der Bücherkiste rumpelt es“, stellte kürzlich der Buchmarktexperte Rüdiger Wischenbart in einem „Standard“-Kommentar fest.

Als ob das nicht genug wäre, gesellt sich neuerdings die Druckereikrise hinzu. Großes Thema auf der kürzlich zu Ende gegangenen Frankfurter Buchmesse, dem weltweit größten Branchenevent: Lieferengpässe erschüttern den Buchhandel – ausgerechnet in der Vorweihnachtssaison, der Hauptgeschäftszeit. Viele Druckereien haben aufgrund nachlassender Nachfrage und des grassierenden Buchstabenflimmerns auf Bildschirmen ihre Produktion umgestellt: Die Herstellung von Onlinehandel-Kartonverpackungen ersetzt schleichend die Buchfertigung.

Alles hängt zudem, wie so oft, mit allem zusammen: Die Kosten für Miete und Personal vieler Buchhandlungen steigen, die Einnahmen stagnieren; um Lagerkosten zu sparen, werden geringere Mengen an Büchern bestellt. Auf Romanen und Sachtiteln, die nicht entsprechend nachgefragt werden, will bei steigenden Portokosten niemand sitzen bleiben. Ganz zu schweigen davon, dass Selfpublishing und der Angstgegner KI das althergebrachte Verlagswesen schon seit einiger Zeit zusätzlich verwirbeln.

„Eine Branche erodiert“, schlussfolgert selbst der Analyst Wischenbart, üblicherweise kein Anhänger des ungezügelten Alarmismus.

Good News

Und die gute Nachricht? Das Buch, eine der besten Erfindungen überhaupt, lässt sich nicht unterkriegen. Dafür wird unter anderem die 17. Ausgabe der Branchenmesse „Buch Wien“ sorgen, die vom 12. bis 16. November in der Messe Wien beim Prater stattfinden wird.

Die „Buch Wien“, nach Frankfurt und Leipzig die drittgrößte Belletristik- und Sachbuchmesse im deutschsprachigen Raum, ist der beste Schutz vor dem hereinbrechenden Untergangswahnsinn, ein bunter Jahrmarkt der Schreib-und-Lese-Vitalität. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass Buchmessen saisonale Orte für alles Mögliche und Unmögliche sind, fantastische Aufführungsräume für zwischen Buchdeckel gepresstes Kulturgut, die Ouvertüre zum hoffnungsvollen Gedanken: So schnell wird das Buch nicht verschwinden. Bücherdämmerung bis zur nächsten Problemgroßlage abgesagt.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.