Literatur

David Schalkos neuer Männlichkeits-Krisenroman: Außer Atem!

Der Schriftsteller und Serienmacher David Schalko beobachtet in seinem neuen Roman, in "Was der Tag bringt", einen erfolglosen Fotografen auf dem Weg nach unten.

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Liefert dieses Buch seine eigene Kritik gleich mit? „Kennen Sie das? Von Romanen? Man liest den Klappentext. Und wenn man dann das Buch liest, hat man immer das Gefühl, dass es eigentlich um etwas anderes geht“, sagt eine dubiose Zufallsbekanntschaft in David Schalkos jüngstem Roman. „Was der Tag bringt“ verspricht dann auch selbst anderes, als Schalke tatsächlich einlöst.

Vielleicht liegt es ja an den Verlagen, die immer gleich aufs Ganze gehen wollen: einmal Zeitdiagnose, bitte! Jeder Roman muss da gleich unsere ganze Gesellschaft auf die Couch legen. Schalkos tatsächlicher Klappentext betont, es handle sich um eine „brillante Groteske über unsere postpandemische Gegenwart“, das Buch sei „ein bestechender Kommentar auf unsere sich radikal verändernde Arbeitswelt“.

Entwarnung: „Was der Tag bringt“ erzählt hauptsächlich von Männlichkeit in der Krise. Es ist die Geschichte von Felix, 38, dem seine Eltern eine Eigentumswohnung gekauft haben (natürlich Dachgeschoss), aber beruflich kriegt er wenig auf die Reihe. Als Fotograf scheitert er ebenso wie als Firmengründer von „Wastefood Catering“. Schalko lässt seinen strauchelnden Helden immer tiefer sinken und damit hadern, dass er seinem gefühlskalten Vater ähnlicher wird, als ihm lieb ist. Aber schon der Termin beim Bankbeamten, der ihm zu Beginn des Romans mitteilen muss, dass das Erbe aufgebraucht und der Überziehungsrahmen ausgereizt ist, hat seltsam sexistische Untertöne, die Felix nicht in bestem Licht erscheinen lassen: „Ein zarter Schüttelfrost durchdrang ihn. Felix wünschte, der Bankberater wäre eine Frau gewesen. Eine Frau, die ihn jetzt in die Arme genommen hätte.“

Felix vermietet für acht Tage im Monat seine Wohnung, um Einkommen zu generieren, übernachtet bei Bekannten, einer Ex-Freundin und Familie. Bereits die erste Station scheitert, weil er in ein erotisches Spiel mit dem befreundeten Paar gezogen wird und der Frau des Hauses unüberlegt ein Dick-Pic auf ihr Handy schickt. Felix ist ein Berührungsjunkie, sucht ständig Halt und Bestätigung bei Frauen, die ihm begegnen. Schalkos Reflexionen darüber klingen reichlich kitschig: „Konnte man ohne die anderen Menschen überhaupt Mensch sein? Ohne deren Spiegelbild. Ohne deren Echo. Ohne deren Berührungen. Ohne deren Worte. Ergab die Gesamtheit dieser Verstrickungen nicht einen großen Körper? Und war der Körper nicht deckungsgleich mit Gott? Oder war auch dieser nur ein Atom eines riesengroßen Wesens, das man in seiner Gesamtheit nie erfassen würde?“

Verglichen mit „Schwere Knochen“ (2018) und „Bad Regina“ (2021) erscheint „Was der Tag bringt“ erstaunlich konzentriert. Das Personal ist überschaubar, Schalkos ureigenstes Genre der Groteske blitzt nur vereinzelt auf, als Erzähler hat er sich zurückgenommen. Waren seine bisherigen Romane meist aberwitzig-überzeichnete Farcen, sucht Schalko nun eine neue Nähe zu seinen Figuren, die trotzdem oft schemenhaft bleiben.

In seinem (surrealen) Element ist der Autor, wenn er den eingangs zitierten Klappentext-Kritiker Tom Eyres auftreten lässt. Er überredet Felix, im Hotel „Jeu Zero“ zu übernachten. Das Zimmer kostet zehn Euro die Nacht, aber wie bei Billigfluglinien wird jede Zusatzleistung abgebucht: „Sie gehen aufs Klo, 50 Cent. Sie schalten den Fernseher ein, 1 Euro. Sie gehen zur Tür hinaus, 20 Cent. Sie benutzen den Fahrstuhl, 30 Cent. Wenn Sie mit anderen Hotelgästen ins Gespräch kommen, wird eine minimale Sozialpauschale fällig. Am billigsten kommt man weg, wenn man einfach im Zimmer sitzt und nichts tut.“ Ein treffender Kommentar über das absurde Leben im Spätkapitalismus.

David Schalko: Was der Tag bringt. KiWi. 304 S., EUR 24,70

Karin   Cerny

Karin Cerny