Der popkulturelle Impact von „Stranger Things“ ist selbst ohne solche Ausrufezeichen kaum zu überschätzen. So katapultierte die Serie Kate Bush zurück in die Charts und reanimierte Eggo-Waffeln, füllt Abertausende Regalmeter mit Lizenzprodukten. Und sie machte die verantwortlichen Duffer-Brüder Ross und Matt zu stark nachgefragten Kreativinstanzen. Größter Profiteur bleibt selbstredend Netflix selbst: Auch wenn der Konzern seine Abrufzahlen notorisch unter Verschluss hält, war Staffel vier seiner zugkräftigsten Eigenproduktion die meistgestreamte Serie ihres Jahrgangs (2022).
Für eine halbe Milliarde Dollar?
Damit das Finale den Mythos mit maximaler Vehemenz untermauern kann, wurde im Vorfeld nichts dem Zufall überlassen. Die Dreharbeiten zur neuen Staffel dauerten ein Jahr, man holte Regie-Ikone Frank Darabont aus der Pension zurück, gewann Linda Hamilton als Antagonistin. Das ausgiebige PR-Getrommel will zudem klarmachen, dass die Finalschlachten so episch wie jene von „Game of Thrones“ ausfallen werden. Die Budgets werden auf bis zu 60 Millionen Dollar pro spielfilmlanger Episode geschätzt – was Gesamtproduktionskosten von fast einer halben Milliarde Dollar ergäbe.
Doch ausgerechnet die Blockbuster-Serie selbst illustrierte letzthin die Belastungsgrenze des Prinzips „viel hilft viel“. Mit jeder Staffel wuchs zwar der Etat, mit ihm aber auch die Distanz zu den Qualitäten, die „Stranger Things“ zunächst so unwiderstehlich gemacht hatten: dem zarten Gleichgewicht aus Abenteuer, Coming-of-Age-Erzählung und Achtzigerjahre-Flair, das diese Geschichte von ein paar nerdigen Außenseitern, die sich in einer Kleinstadt namens Hawkins mit einem telekinetisch begabten Mädchen einem fiesen, aber undefinierbaren Wesen entgegenstellen, auszeichnete. Der charmante Retrospaß ging nach und nach im überzogenen Rückgriff auf die eigenen Markenzeichen auf.
Gleichwohl sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass das kommende Finale unter all den absehbaren Effektgewitterlagen und undurchschaubaren Side-Plots noch Raum für den alten Hawkins-Herzschlag lassen wird. Ob sie berechtigt ist? Unklar. Vorab-Sichtungsmöglichkeiten gab es bis Redaktionsschluss nicht.
Abgerechnet wird ohnehin erst am allerletzten Tag: Wenn der Endgegner, der Freddy-Krueger-Lookalike Vecna, vermutlich erledigt und der markante Soundtrack für immer verklungen sein wird, werden wir wissen, ob „Stranger Things“ als wahrhaft bedeutendes Serienepos über Hype und Hybris hinauswachsen konnte – oder als Monument einer Ära erinnert werden wird, in der nichts einfach groß sein durfte, ohne dass es noch größer werden musste.