15/10/2023. London, United Kingdom. A new mural, thought to be by the street artist Banksy has appeared on the Euston Road in London Picture by i-Images / eyevine :...http://.
Kulturtipp

E. M. Forster und die Frage: Brauchen wir Kultur?

Nationalismus und Antisemitismus feiern fröhliche Urständ'. Wolfgang Paterno sucht nach Haltegriffen in den Wirren der Zeit.

Drucken

Schriftgröße

Vor knapp 90 Jahren stellte der britische Autor E. M. Forster (1879–1970) in einem seiner Essays die einfache Frage: „Brauchen wir Kultur?“ Forster, den man heute noch seiner beiden Romane „Wiedersehen in Howards End“ und „Zimmer mit Aussicht“ wegen – respektive den gleichnamigen Filmadaptionen – kennt, notierte 1935: „Kultur ist ein gebieterisches Wort, doch ich kenne kein besseres, um die verschiedenen schönen und spannenden Dinge zu benennen, die in der Vergangenheit von Menschenhand geschaffen und an uns weitergegeben wurden und die einige von uns an die Nachwelt weitergeben möchten.“ 

Erstmals sind nun Forsters gesammelte Essays auf Deutsch im Verlag Nagel und Kimche erschienen, zusammengefasst eben unter dem Titel „Brauchen wir Kultur?“ Darin blickt der Autor auf seine eigene Epoche, die mit der unseren einerseits die Unruhe und Nervosität im Inneren wie Äußeren teilt, andererseits das Phantasma weiterträgt, es gebe die gute alte Zeit. 

„Viele Menschen verpönen diese Dinge“, hält Forster über das Leben mit Ausstellungen, Bildern, Büchern, Theaterbesuchen und Filmen fest: „Sie beharren darauf, dass dieses Kulturzeugs zu viel Platz und Zeit einnehme und man es daher besser verschrotte.“ Der Autor ist in seinem Schreiben ein überzeugter Kulturkonservativer – und zugleich radikaler Fürsprecher einer Sache, die über die Bande von Kunst und Kultur das große Miteinander fordert und feiert. Forster pflegt die leise Tonart, aber was er sagt, ist eine Art Anklage: Er plädiert dafür, das radikale Sprechen mit- und übereinander einzuhegen, seinem Gegenüber Freundlichkeit und Toleranz zu erweisen – dabei hatte er von sozialen Medien, Blogs und Podcasts noch keinen blassen Schimmer! Im Kleinen anfangen, damit ließe sich sein Mahnruf zusammenfassen – und sich so ums Große kümmern.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.