
Eine Gespaltene: Julia Franz Richter in "Welcome Home Baby"
Höllenmalerei: Zwei neue Austro-Filme dringen in Geisterhäuser ein
Das Inferno mag nichts als Katastrophen produzieren, aber in Sachen Innendekoration hat es viele, durchaus stilvolle Optionen. Im neuen Film des Kapitalismuspolemikers Daniel Hoesl („WinWin“; „Veni Vidi Vici“), in sorgsamer Doppeldeutigkeit „Un gran casino“ genannt, setzt es auf silbrig glänzendes Grau und ausgedehnte Kamerafahrten durch das einst größte Glücksspielhaus Europas, das Casino Municipale in Campione d’Italia, einer italienischen Exklave in der Schweiz, am Ufer des Lago di Lugano. Hoesl orchestriert dort eine ferne Variante der „Göttlichen Komödie“ Dantes.

Eine Wiedergängerin: Sandra Ceccarelli in "Un gran casino"
Eine Wiedergängerin: Sandra Ceccarelli in "Un gran casino"
In den Stationen „Inferno“ und „Fegefeuer“ fühlt sich auch der Regisseur Andreas Prochaska („Das finstere Tal“) wohl, nur auf das „Paradies“ verzichtet er freiwillig: Sein drastischer Horrorfilm „Welcome Home Baby“ führt in ein Höllenhaus irgendwo im ländlichen Österreich: Eine junge Ärztin (Julia Franz Richter) kehrt aus Berlin zögernd in die alte Heimat zurück, wo sie ein Erbe antreten soll; in der Immobilie aber, die sie nun besitzt, am Ort ihrer Kindheit, geschieht Unerklärliches (und bald auch: immer Bedrohlicheres). Woran ein unheimliches lokales Matriarchat (mit dabei: Gerti Drassl und Maria Hofstätter) Anteil zu haben scheint. Prochaska packt sein Arsenal an Verunsicherungs- und Schocktaktiken aus, um Kult, Gehirnwäsche und Mutterschaft spektakulär ins Visier zu nehmen.
Auch im großen Casino wäre Krawall zu machen, das deutet der Filmtitel eben an, aber „Un gran casino“ ist vielmehr von geisterhafter Ruhe. Als kollaboratives Projekt begreift Hoesl sein Werk, als essayistische Erzählung, die Dokumentarisches mit Texten des Schriftstellers Thomas Köck, mit Songs des durch den Film streifenden Musikers Andreas Spechtl (Ja, Panik) und Monologen der Schauspielerin Sandra Ceccarelli mischt.
Die deutlichen Anspielungen auf Alain Resnais’ filmische Rätselerzählung „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961) stellen klar: Diese Glücksspielhölle ist eine Kunstanstrengung.