Author John Irving.
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Treffen mit einem alten Bekannten: John Irvings neuer Roman „Königin Esther“

John Irving zählt zu den bekanntesten US-Erzählern unserer Zeit. Sein neuer Roman laboriert allerdings an Irving-Überdosierung.

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Der Traum vieler Literaten, sagt der spanische Schriftsteller Jorge Semprún, bestehe darin, sich ein ganzes Leben lang mit dem Verfassen eines einzigen Buchs zu befassen. Zu befürchten steht, dass John Irving, 83, dieses Vorhaben in die Tat umsetzen will. Irving lesen, das ist, als träfe man einen alten Bekannten: dieselben Themen und Sprüche, der übliche Schmäh, die kehligen Kurzlacher zu den immergleichen Schlüpfrigkeiten. Nur älter wird er bei jedem Beisammensein.

Irving, der Märchenerzähler im Gewand eines internationalen Bestsellerautors, der sich nicht mit Metaphern aufhält und nahezu ausschließlich auf Dialog und fröhliches Vorantreiben des jeweils ausufernden Plots in abenteuerlich reduzierter Sprache setzt, entrollt in „Königin Esther“, seinem jüngsten Roman, die bekannten Sujets: Außenseitertum und Weltentfremdung, Sex und Liebe, Familienglück und Mischpoke-Sorgen, Kraftsport (Ringen) und Daseinskampf, Geburt und Tod.

Die klassische Irving-Mischung, aufgehoben in einer mit Groteskem und Skurrilem ausgeschmückten Welt, in der die zwischenmenschlichen Beziehungen knifflig und unergründlich sind; die großen Themen also, mit keinerlei rhetorischem Klimbim aufgetischt, mit der Poesie-Brechstange auf (schmutzigen) Witz hingebogen, oft mit Hang zu Albernheit. Irving, der betagte Bekannte am Bartresen, kann es auch in „Königin Esther“ nicht lassen, frohgemut und in befremdlich vielen Facetten von Brüsten, Penissen und Vulven zu schreiben.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.