Zu sehen ist Maurizio Cattelans Skulptur „America“, eine aus 18-karätigem Gold gefertigte und voll funktionsfähige Tiefspültoilette
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Gestohlene Louvre-Juwelen: Kleine Geschichte der spektakulären Kunstraubzüge

Der spektakuläre Raub im Pariser Louvre reiht sich nahtlos ein in die bizarre Historie der Kunstdiebstähle. Streifzug durch die Gefilde von Einbruch und Verbrechen.

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Weil es nun allenthalben heißt, der Coup im Pariser Louvre, bei dem vergangenen Sonntag vier Täter in die Galerie d’Apollon eingedrungen waren und acht kostbare Schmuckstücke im Wert von mindestens 88 Millionen Euro entwendeten, sei „filmreif“ verlaufen, erinnere an eine „Netflix-Serie“ – dazu die flinke Berichtigung: Kino und Kunstraub kamen sich bislang gefühlt nie näher als im Agentenabenteuer „James Bond – 007 jagt Dr. No“ (1962). Im Jahr zuvor war aus der Londoner National Gallery Francisco de Goyas Gemälde „Duke of Wellington“ entwendet worden – von einem pensionierten Taxifahrer namens Kempton Bunton, der das Gemälde nicht verhökern, sondern damit Lösegeld erpressen wollte, um armen Menschen die Fernsehgebühren zu finanzieren. Im Mai 1965 erhielt die Polizei den „Duke of Wellington“ zurück, Bunton wanderte für drei Monate ins Gefängnis. Und Bond? Der stolperte ein Jahr nach dem Raub im Unterwasserversteck des grimmigen Dr. No mit den schwarzmetallenen Prothesenhänden unvermutet über den damals von Bunton noch verborgen gehaltenen „Duke of Wellington“. Bond jagt Bunton.

Bei aller Tragik und Dramatik, die in der Regel mit Straftaten einhergehen: Die Geschichte der großen Kunstverbrechen bietet bizarre Protagonisten, idealistische Spinner, beherzte Aktionisten sowie mit Hitler und Napoleon auch zwei der raffgierigsten Kunstdiebe.

In ihrem Buch „Atlas der Kunstverbrechen“ hat Laura Evans, Professorin für Kunst- und Museumspädagogik an der University of North Texas, US-Bundesstaat Texas, Wissenswertes über die internationale Kunstkriminalität zusammengefasst. Im Folgenden soll aus „Atlas der Kunstverbrechen“ elegant, tja, geräubert werden. Kunst, notierte der Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan, sei alles, womit man davonkomme. Mit Kunstraub nicht immer.

Kunstkriminalität ist kein Kavaliersdelikt. Noch in den frühen 2000er-Jahren ging das „Art Theft Team“ des FBI, jene US-Sicherheitsbehörde, die seit 2005 auf ihrer Website eine Liste mit den zehn wichtigsten ungeklärten Kunstdiebstählen führt, davon aus, dass jährlich weltweit Kunstwerke im Wert von bis zu sechs Milliarden US-Dollar gestohlen werden. Jüngeren Schätzungen zufolge tauchen weniger als zehn Prozent der gestohlenen Werke wieder auf. Der populäre Mythos, wonach finstere Auftraggeber, die für ihre Sammlungen Exklusives verlangen, hinter vielen Kunstdelikten stünden, ist selten wahr.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.