Alles gegeben
34 Minuten und 51 Sekunden. Das vierte Studioalbum der neuseeländischen Sängerin und Songwriterin Lorde, 28, dauert nur wenig länger als eine halbe Stunde. Und das, obwohl ihre Fans fast vier Jahre lang darauf gewartet haben. Mit „Virgin“ schlägt Lorde altbekannte Töne an. Das Album ähnelt nach dem Indie-Folk-Werk „Solar Power“ (2021) wieder den populären Anfängen der Künstlerin. Dramatisch, intim, ehrlich, ein bisschen wie „Pure Heroine“ (2013) und „Melodrama“ (2017), nur sprachlich schärfer und um einiges zeitgeistiger. Es geht um Identität, Gender, vergangene Beziehungen: zu anderen, aber vor allem auch um jene zu sich selbst. Lorde rechnet ab – und alle dürfen zuhören. (Zumindest jene, die nicht die CD erstanden haben, die in den meisten Playern nicht zu funktionieren scheint. Back to vinyl!)
Ablesen kann man Lordes musikalische Selbstoffenbarung schon am Albumcover. Eine blaue Röntgenaufnahme ihres Beckens, man erkennt grob den Hosenreißverschluss, einen Gürtel und ihre Verhütungsspirale. Totale Transparenz also. „Ich bin stolz und habe gleichzeitig Angst vor diesem Album. Es gibt keinen Ort, an dem ich mich verstecken kann“, sagte Lorde vor der Veröffentlichung. „Ich glaube, dass es uns befreit, wenn wir die tiefsten Teile unseres Selbst in Musik verwandeln.“
„Virgin“ ist Lordes Versuch, das Narrativ zu ihrer Musik und ihrer Person durch absolute Aufrichtigkeit zurückzuerobern. „Since I was seventeen, I gave you everything“, singt sie in „What Was That“. Ihre Geschichte hat sie sich mit „Virgin“ wieder zurückgeholt.