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Immer diese Katastrophenmeldungen über das Ende des Lesens!

Die Tatsachen mögen bitter sein, lassen sich aber nicht leugnen: Die Katastrophenmeldungen über das „Ende des Lesens“ und das alarmierende Sinken der Lesekompetenz nehmen kein Ende. Zeit für ein Lob des Lesens in fünf Kapiteln.

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I. Rülpser riesiger Rechenzentren

Man versteigt sich nicht in den schroffen Gebirgsklüften des billigen Optimismus und der schlichten Wahrheiten, wenn man zweierlei mit fast schon liturgischem Ernst feststellt: Das Buch ist eine der besten Erfindungen jenes Zweifüßers, der sich selbst Homo sapiens nennt, weiser, kluger, vernunftbegabter Mensch.

Von allen guten Geistern verlassen dagegen (noch) die künstliche Intelligenz: „,Das Buch ist die beste Erfindung‘ ist ein häufiger Ausspruch, der die Wertschätzung für das Buch als Medium hervorhebt“, spuckt die KI auf Anfrage aus: „Es ist eine sehr subjektive Aussage, die die persönliche Bedeutung und den Einfluss von Büchern auf den Sprecher betont. Ob es die ,beste‘ Erfindung ist, ist eine Frage der persönlichen Meinung und hängt von den individuellen Kriterien ab, die man an eine Erfindung stellt.“

Die maschinell generierte Antwort auf die Frage nach dem Buch als eine der erfreulichsten Entdeckungen ever (neben Rad, Glühbirne, Penicillin, Lokomotive, Lesebrille, Pizza, Bleistift), glänzt (be-)trügerisch durch protziges Herumschleudern von Floskeln und Phrasen: der digitale Rülpser riesiger Rechenzentren, die raubgierig massenhaft auch Buchinhalte plündern, die mit gedruckten Büchern aber so viel zu tun haben wie der alte Homer mit Instagram. Der italienische Literaturwissenschafter und Semiotiker Umberto Eco, der vor knapp zehn Jahren starb, hinterließ eine Privatbibliothek von 50.000 Bänden. Er zählte das Buch zu jenen Dingen, die, einmal erfunden, nicht mehr zu verbessern seien.

Lesen dient, zweitens, noch immer als probates Mittel, eines Tages nicht dümmer in die Grube zu fahren, als man dereinst ungefragt in die Welt geschmissen wurde: „Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen.“ (Nachzulesen beim 1991 verstorbenen Dramatiker Werner Schwab.) Lesen ist Lösung, so oder so. Lesen und lesen lassen! Dem Spötter Heinrich Heine wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste.“ Was soll man sagen: Schon beim Lesen übers Lesen fühlt man sich gestärkt. Eitle Warnungen vor dem digitalen Hirntod sind wohlfeil. Leselustmacherei, darum geht es.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.