Deafheaven

Neue Alben: Deafheaven – "Ordinary Corrupt Human Love"

Stachel im Fleisch eines jeden konservativen Metal-Fans. Das neue Album der kalifornischen Band Deafheaven.

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Wer Deafheaven verstehen will, sollte sich exakt 10 Minuten und 57 Sekunden Zeit nehmen. „Glint“, der fünfte und zentrale Song auf „Ordinary Corrupt Human Love“, erzählt, wie aus einer kleinen Band aus San Francisco eine der interessantesten musikalischen Projekte der letzten Jahre entstehen konnte.

Das Geheimnis? Mogwai-artige Soundflächen, Black-Metal, Postrock und Shoegaze werden bei Deafheaven zu einem elektrisierenden Klangkaleidoskop verwoben. Die sieben neuen Songmonumente, zwischen vier und elf Minuten lang, traumwandeln dabei durch erratische Gefühlsausbrüche und melodiöse Gitarrenteppiche; es gibt Gitarrensoli, Background-Sänger, Klavierbegleitung, operettenhaftes Gesäusel zwischen krächzender Stimmakrobatik. Als Hörer begibt man sich hier auf eine nicht enden wollende Entdeckungsreise.

Deafheaven ist dazu spätestens seit dem alle Genres und Sounds sprengenden Album „Sunbather“ (2013) und dem düsteren Meisterwerk „New Bermuda“ (2015) der richtige Stachel im Fleisch eines jeden konservativen Metal-Fans. Mit dem aktuellen vierten Album löst man sich endgültig von jeglichen (Metal-)Konventionen. Sänger George Clark und Sound-Mastermind Kerry McCoy begeben sich nun auf eine ausgedehnte Sinn- und Soundsuche – und „Ordinary Corrupt Human Love“ ist dabei voller Widersprüche. Die Songs sind nachdenklich, hektisch, auch äußerst brutal, dabei mit einer positiven Grundstimmung versehen, stets wunderschön und mit viel Herz vorgetragen.

Der vorletzte Song „Night People“, in dem Düster-Sängerin Chelsea Wolfe und der Multiinstrumentalist Ben Chisholm als Gastsänger dahinsäuseln, ist nicht nur das fragilste Stück ihrer bisherigen Karriere, sondern ein Wegweiser und Garant dafür, dass die Metamorphose des Soundprojekts noch lange nicht abgeschlossen ist.

Die Band ist mittlerweile von San Francisco nach Los Angeles übersiedelt. Das hört man der Band an. Heute lässt man gut und gerne ein paar Sonnenstrahlen ins Studio.

Deafheaven: Ordinary Corrupt Human Love (Anti-/Epitaph)

Deafheaven gastiert am 14. Oktober in der Wiener Arena.

Diese Woche in der unerhört-Playlist:

Dirty Projectors: Lamp Lit Prose Daughters: Satan in the Wait (Song) Gorillaz: Souk Eye (Song) Nas: Cops Shot The Kid (Song) Sophie: Immaterial (Song) Jay Rock: WIN (Song) Snail Mail: Lush The Body: I Have Fought Against It, But I Can’t Any Longer. Alien Hand Syndrome: Entwined (Song) Mavi Phoenix: Bite (Song) Grant: Tschik (Song) Red Gaze: Pervasive Unease (Song) Iceage: Pain Killer

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.