Philipp Staples, Hohenemser Hausarzt und Unterstützer des Projekts "Museum auf Rezept", in seiner Praxisi
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Kultur auf Rezept: Hokuspokus oder Heilmittel?

In Vorarlberg verschreiben Ärztinnen und Ärzte neuerdings auch Museumsbesuche. Erkundungen in Bregenz und Hohenems zwischen Kunst und Wissenschaft.

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Fängt so eine Museumstour an? Es ist der 11. November, ein Tag mit viel Sonne und noch mehr Geschrei. In der Bregenzer Fußgängerzone wird um 11.11 Uhr der Fasching eröffnet. Menschen in Maskerade, die vom Narrenruf „Ore ore“ nicht genug bekommen.

Es wird, so viel darf verraten werden, auf diesem Streifzug zwischen Bregenz und Hohenems einiges aufeinanderprallen: Narretei und Manie, Betäubungsmittel und Blitzsauberland, dazu ein Ausstellungshaus und vier Menschen, die über die jüngst angeregte Anordnung „Museum auf Rezept“ Auskunft geben werden.

Das Vorarlberg Museum am Kornmarktplatz nahe dem Bodenseeufer liegt da wie hingepinselt. Ein einladender Bau im Bregenzer Zentrum – der doch nicht für alle da ist. „Wie bekommen wir jene ins Haus, die mit Kunst wenig bis nichts anfangen können?“, fragt Kathrin Dünser in den turnhallengroßen Empfangsraum. Dünser arbeitet hier seit vielen Jahren als Kuratorin. „Neigungsgruppe Museumsflirt“, lacht sie.

Deshalb hat sie „Museum auf Rezept“ ins Leben gerufen: 1000 Freikarten, niederschwellig an interessierte Ärztinnen und Ärzte verteilt, die wiederum ausgewählten Patientinnen und Patienten einen Besuch im Vorarlberg Museum „verordnen“ können. Kunst auf Krankenschein. Ticket statt Tabletten. Ausstellungs- statt Apothekenvisite.

Über 300 Freikarten wurden bereits geordert, Onkologinnen, Psychotherapeuten, Augenärzte, Psychiaterinnen, Hausärzte haben sich gemeldet. Dünser spricht lebhaft über „Museum auf Rezept“, angereichert mit Zitaten und Studienhinweisen. In Großbritannien startete 2014 das Pilotprojekt „Museums on Prescription“, im kanadischen Montreal verschreiben Ärztinnen und Ärzte seit 2018 Besuche im Museum. In Frankreich und Belgien, im schweizerischen Neuchâtel und in der Berliner Charité werden Ausflüge in Ausstellungen als Arznei angeboten. „Social Prescribing“ nennt sich die Praxis inzwischen, für die das Wiener Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz seit 2021 Mittel zur Verfügung stellt; 24 Einrichtungen wurden bislang unterstützt, im Sommer 2025 wurde erneut ein Fördervolumen von 4,8 Millionen Euro ausgelobt.

In Bregenz lästern dennoch manche, „Museum auf Rezept“ sei ein reiner PR-Coup. Dünser sagt: „Es schadet überhaupt nicht, Menschen, die noch nie ein Museum besucht haben, in ein solches zu locken.“

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.