Peymann am Cover: Der Staatsfeind rechnet ab

Seiten-Bühne: Peymann und profil

Auch das profil hat eine Geschichte mit Claus Peymann.

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„Welch ein Tag!“, notierte der legendäre Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld am 4. November 1988 in sein Tagebuch. Es war der Tag der Premiere von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ am Wiener Burgtheater, Regie: Claus Peymann. „Zwei Monate lang skandalumwitterter Sturm. Soll das Stück verboten werden, soll Peymann Österreich verlassen? Schmutztiraden und Drohungen gegen Bernhard. Am Tage Demonstrationen, dann Gegen-Demonstrationen, schließlich Gegen-Gegen-Demonstrationen. (…) Das Theater musste sich gegen die Unterstellung im österreichischen Parlament wehren, es habe aus Angst vor Tumulten Karten nur an Sympathisanten gegeben. Das ist nicht der Fall. Freilich hatte Peymann Politiker, so den österreichischen Außenminister, als ‚Freikartenschnorrer, die wir nicht brauchen im Theater‘ bezeichnet.“

Der „Heldenplatz“-Skandal vom Herbst 1988 hat einen seiner Ursprünge im profil. Im August 1988 veröffentlichte Kulturredakteurin Sigrid Löffler nach einem einigermaßen österreich- und burgtheaterkritischen Interview Peymanns in der deutschen „Zeit“ (das in der österreichischen Presse sowie deren Leserbriefseiten reflexartig skandalisiert wurde) einen Text, in dem sie die politischen Mechanismen dieses „Kulturkampfs“ erörterte: „Er tobt vollkommen unabhängig von seinen jeweiligen Anlässen. Der Anlass ist einmal eine Oratoriumsinszenierung, die keiner gesehen hat, ein andermal ein Zeitungsinterview, das keiner gelesen hat, und schließlich ein Denkmal, das keiner kennt. Doch der Wut des öffentlichen Streits tut das keinen Abbruch – im Gegenteil: Die Aufregung wird umso größer, je weiter sie sich von ihren Anlässen entfernt. Wo es am Urteil gebricht, hat das Vorurteil freie Bahn – das Vorurteil gegen Juden, Ausländer und Kommunisten.“

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Einige Wochen später veröffentlichte Löffler Auszüge aus Bernhards „Heldenplatz“, dessen Text von Verlag und Theater bis zur Premiere streng unter Verschluss gehalten wurde – garniert mit der erstaunlich entspannten Einschätzung: „Aus dem von Claus Peymann so liebevoll geplanten Skandal wird wohl nichts werden.“ Die wenigen Auszüge im profil („In Österreich musst du entweder katholisch / oder nationalsozialistisch sein / alles andere wird nicht geduldet / alles andere wird vernichtet“) reichten freilich aus, um die angesagte Empörung dann doch ganz prächtig anschwellen zu lassen – mit den von Unseld beobachteten Folgen.

Für seinen Lebens-Autor Thomas Bernhard war Claus Peymann der „Großfürst der Schnürböden“, dieser selbst nannte sich lieber einen „Theaternarren“. Und das profil hatte durchaus einen Narren an ihm gefressen. Dass Bürgerschreck Peymann wie kaum ein anderer Zeitgenosse an die politische Sprengkraft des Theaters glaubte und diesem Glauben auch immer wieder zur Geltung verhalf, hat dieses Magazin über die Jahre durchaus wohlwollend beobachtet. Immer wieder blickte Peymann streng vom profil-Cover, mal als „Wolf im Schafspelz“, mal zum Titelthema „Peymann-Schlacht“ oder auch schlicht zum „Kulturkampf um die Burg“.

Keine Covergeschichte, aber doch ein schönes Beispiel: die große profil-Story zum großen Peymann-Skandal des Jahres 1995. Nach dem rechtsradikalen Terroranschlag von Oberwart im Februar 1995 hatte der Burgtheater-Direktor starke Vorwürfe gegen Justiz und Politik geäußert – und wurde dafür landauf, landab zum Teufel gewünscht. Im profil folgten ausführliche Betrachtungen, ein reflektierendes Porträt des „Buhmanns Peymann“ – aber leider kein Interview mit ebendiesem: „Peymann sitzt im Burgtheater und verschanzt sich. Nachrichtensperre. Er hat, lässt er ausrichten, nichts zu den aktuellen Anwürfen gegen seine Person zu sagen. Jeder Kommentar lenke vom Kern seines Anliegens, den vier toten Roma, ab. Die einzige Journalistin, die bis zu ihm durchdringt, ist die profil-Fotografin. Ihr steht Peymann, der offiziell aus Zeitnot jeden Gesprächstermin absagt, mehr als eine Stunde lang zur Verfügung. Er ist eitel, müde und angespannt. Der Wirbel, sagt er, sei ihm egal. Er werde trotzdem bis 1999 in Wien bleiben. Wenn er nicht vorher sterbe. Oder erschossen werde.“

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Zum Abschied von der Burg – tatsächlich: erst 1999 – war Peymann dem profil gnädiger und gewährte Chefredakteur Christian Seiler sogar vier ausführliche Interviewsitzungen: „Die Gesprächsprotokolle – 165 eng bedruckte Seiten – hätten gut und gern ein ganzes Buch gefüllt.“ Stattdessen wurde daraus eine dreiteilige Serie, in der Peymann noch einmal gründlich abrechnete – mit Freund und Feind, mit aller Welt, weil: „Man hat mich oft gefragt, können Sie nicht mit etwas mehr Fingerspitzeng’fühl, Peymann? Habe ich gesagt: Nein, warum? Manche Dinge kann man nur mit der Faust lösen.“ 

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.