Aufgedreht

Sudan Archives und John Legend: Legendenbildung

Die R’n’B-Neudenker Sudan Archives und John Legend weisen uns zwei Wege aus der Pop-Tristesse.

Drucken

Schriftgröße

Ist das schon das Album des Jahres? „Time I feed my selfish soul“, singt Brittney Parks alias Sudan Archives selbstbewusst auf ihrem zweiten Album „Natural Brown Prom Queen“ – und man kann sich ab Minute eins gar nicht mehr satthören an diesem unerhörten Mixtape, das sich quer durch das Dickicht der schwarzen Popgeschichte schlägt: Aus Hip-Hop, R’n’B, Club Beats und geloopten Streichern macht die 28-jährige Künstlerin (die man am 8. November im Wiener Club Grelle Forelle erleben kann) ein Werk, das nicht nur zeigt, wie Selbstermächtigung klingt, sondern auch, dass man im aktuellen Pop-Mainstream durchaus vertrackte und improvisierte Songs unterbringen kann, die nicht bloß zur Verwertung in TikTok-Videos gedacht sind. Inhaltlich geht es um die Rückkehr in die alte, leider immer noch rassistische und bigotte Heimat, von Los Angeles nach Cincinnati. Im Gepäck: ihre Violine, die sie seit ihrer Kindheit spielt, und die Erkenntnis, dass alte Wunden vielleicht nie ganz heilen, aber man an ihnen auch wachsen kann.

Klassischer legt John Legend seine Gegenwartsbewältigung an. Wenn die Welt da draußen grauslich und düster ist, antworte ihr mit überschwänglicher Liebe, meinte der Meister des gefühlvollen R’n’B- und Soul-Songs jüngst im „New Yorker“. Über seinen Heldenstatus muss sich der 43-Jährige keine Sorgen mehr machen; immerhin gehört er zu dem kleinen, illustren Kreis an artists, die alle vier großen Preise der US-amerikanischen Entertainment-Industrie (Grammy, Emmy, Oscar, Tony Award) gewonnen haben. Seine jüngste Sammlung unverwüstlicher Liebeslieder nennt er, irgendwie folgerichtig, schlicht „LEGEND“ – wohlgemerkt in Großbuchstaben. Mehr Gefühl geht nicht.

Jetzt auf Spotify: Die Songs der Woche von Lena Leibetseder und Philip Dulle in der Aufgedreht-Playlist. Jeden Freitag neu.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.