Kolumne

Alle Jahre wieder: Klimaleugnung

Gerade in der Weihnachtszeit wird viel über das Klima gestritten – online wie offline. Hier ein paar Antworten auf Klima-Relativierungsversuche.

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Anfang Dezember kam der Wintereinbruch – prompt suggerierten Online-Postings: Es schneit gerade und ist kalt, findet der Klimawandel überhaupt statt? Auch werden viele von uns zu Weihnachten Verwandte und Bekannte treffen, von denen manche die Klimakrise abstreiten. Und es kann sein, dass in solchen Situationen (oder auch in Online-Debatten) Sätze fallen wie: 1.) Klimawandel gab es früher auch schon, warum soll das jetzt so schlimm sein? 2.) Es hat gerade geschneit, heißt es nicht, der Klimawandel macht die Erde heißer? 3.) China erzeugt viel mehr CO2 als wir, warum sollen wir uns anstrengen? 4.) Ist es nicht viel zu spät, die Erderhitzung aufzuhalten? Hier ein paar Antworten, wie man darauf reagieren kann. Wohlgemerkt: Wenn nicht anders gekennzeichnet, stammen die zitierten Zahlen von der hilfreichen Website klimafakten.de:

1. Zur Aussage, den Klimawandel gab es schon früher:

Es stimmt, dass schon früher Veränderungen des Klimas stattfanden – man unterscheidet zwischen Eiszeiten und Warmzeiten. klimafakten.de schreibt dazu: „Warmzeiten treten ungefähr alle 100.000 Jahre auf. Man spricht in diesem Zusammenhang von den Milanković-Zyklen, die durch Veränderungen der Erdumlaufbahn und der Rotationsachse verursacht werden.“ Es existieren natürliche Faktoren für Veränderungen des Klimas. Jedoch lässt sich die aktuelle, sehr rasche Erwärmung der Erdoberfläche nur mit dem Faktor Mensch erklären. 

Würde der Mensch nicht so viele Treibhausgase ausstoßen, hätte es in den vergangenen Jahrzehnten sogar eine ganz leichte globale Abkühlung gegeben. Genau deshalb sind viele Forschende und Aktivist:innen alarmiert: Weil die natürlichen Einflussfaktoren auf das Klima, die schon lange untersucht werden, nicht erklären können, wie sehr sich die Oberflächentemperatur der Erde seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts erwärmt.

Darüber zu streiten, wer als Erstes handeln soll oder wer am meisten Schuld trägt, ist ein Ablenkungsmanöver, welches verhindert, nach sinnvollen Auswegen zu suchen. 

2. Zum Argument, dass es gerade schneit:

An kalten Tagen stellen manche infrage, dass die Erderwärmung existiert. Hier werden Wetter und Klima verwechselt. Als Wetter bezeichnet man den Zustand der Atmosphäre und Temperatur an einem konkreten Ort zu einer konkreten Zeit (zum Beispiel: So warm oder kalt ist es hier und jetzt). Das Klima ist der langfristige Durchschnitt des Wetters (über Jahrzehnte hinweg ermittelt). Hier zeigt sich: Seit den 1980er-Jahren war jede Dekade wärmer als die vorherige und wärmer als alle vorangegangenen Jahrzehnte seit 1850. Natürlich ist es möglich, dass einzelne Tage, Wochen oder Monate kälter sind, aber es geht beim Klima um die größere Statistik. Dieses Argument ist auch eine anekdotische Beweisführung: Eine Anekdote (jemand postet das Foto einer verschneiten Straße) wird genutzt, um die größere Statistik (dass die Erde insgesamt heißer wird) zu relativieren.

3. Zum Hinweis, China solle zuerst etwas tun:

Das ist Whataboutism. Darüber zu streiten, wer als Erstes handeln soll oder wer am meisten Schuld trägt, ist ein Ablenkungsmanöver, welches verhindert, nach sinnvollen Auswegen zu suchen. Betrachten wir kurz die drei größten Verursacher von CO2-Emissionen weltweit: Auf Platz eins liegt tatsächlich China mit 10.877 Millionen Tonnen CO2, auf Platz zwei die USA mit 5107 Millionen Tonnen CO2 – und auf Platz 3 liegt die EU mit 3548 Tonnen CO2 (Daten aus 2017). Sieht man sich die Statistik pro Kopf an, fällt auf: Ein durchschnittlicher Österreicher, eine durchschnittliche Österreicherin verursachte 2021 im Schnitt etwas mehr Treibhausgas-Emissionen als durchschnittliche Chines:innen (9,8 Tonnen Treibhausgas-Ausstoß vs. 9,7 Tonnen Treibhausgas-Emissionen, siehe klimadash-board.at/emissionen). Nach dieser Logik könnte auch China sagen: Soll doch Österreich zuerst etwas unternehmen! Die Gefahr an solchen Argumenten ist also, dass keine:r genügend tut.

4. Dazu, dass es ohnehin schon zu spät wäre, noch etwas gegen den Klimawandel zu tun:

Dieses Argument blendet aus: Wir haben sehr wohl Gestaltungsmacht, in welcher Intensität die Klimakrise stattfindet. Der Journalist Peter Carstens hat dafür deutliche Worte gefunden: „Sehr wahrscheinlich ist es zwar zu spät, die Erwärmung unter zwei oder gar 1,5 Grad Celsius zu halten. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob wir innerhalb von acht Jahrzehnten drei, vier oder fünf Grad und mehr bekommen: Eine langsamere Erwärmung eröffnet uns mehr Möglichkeiten, uns an die Folgen anzupassen (…)“ Es ist also kein Wunder, dass manche beunruhigt sind – denn selbst das Best-Case-Szenario in der Klimazukunft ist negativ. Aber wir haben jetzt die Handlungsmacht, noch schlimmere Szenarien abzuwehren. Nehmen wir an, Sie verschlafen in der Früh und merken, dass Sie 20 Minuten zu spät ins Büro kommen. Würden Sie in diesem Moment sagen, es ist auch schon egal, und gar nicht mehr ins Büro fahren? Oder würden Sie sich beeilen, um nicht mehr als 20 Minuten zu versäumen? Der Vergleich soll zeigen: Nur weil bereits ein schlechtes Szenario eingetreten ist, befreit einen das nicht von der Verantwortung, noch viel schlechtere Szenarien abzuwehren.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.