Franz Schellhorn

Zu viel Geld macht uns jetzt arm

Die Inflationsraten machen es sich gerade im zweistelligen Prozentbereich gemütlich. Den Parteien an den radikalen Rändern stehen glorreiche Zeiten bevor.

Drucken

Schriftgröße

Franz Schellhorn

Der Direktor des Thinktanks Agenda Austria schreibt regelmäßig Gastkommentare für profil.

An der Preisfront brechen alle Dämme. Im September überschritt die Inflationsrate erstmals seit 1952 wieder die 10-Prozent-Marke, um im Oktober noch einmal auf elf Prozent zuzulegen. Das gilt aber nur für jene Haushalte, die sich in regelmäßigen Abständen mit Flachbildschirmen und anderen preisdämpfenden Tech-Produkten eindecken. Wer ein Leben auf Sparflamme führt und sich auf die elementarsten Vergnügungen beschränkt, hat noch  stärkere Preisschübe zu verkraften. Allein der wöchentliche Einkauf hat sich innerhalb eines Jahres um 16 Prozent verteuert. Das alles kommt ein wenig überraschend, zumal es nicht lange her ist, als führende Ökonomen die Inflation zum längst besiegten Ungetüm aus einer untergegangenen Zeit erklärten. Ein Monster, das in düsteren Zeiten sein Unwesen trieb, unsere Vorfahren um deren bescheidenen Wohlstand brachte und der Tyrannei der 1930er-Jahre den Weg ebnete.

Von den Inflationsraten der Weimarer Republik sind wir zum Glück noch weit entfernt. Hinter der nächsten Ecke wartet auch kein neuer Hitler. Das ändert aber nichts daran, dass die Parteien an den radikalen Rändern in ganz Europa vor glänzenden Zeiten stehen. Sie werden die Ängste der Bevölkerung für sich zu nutzen wissen. Und diese Ängste sind auch alles andere als unbegründet. Die Bevölkerung Europas erlebt derzeit die größte Wohlstandsvernichtung in der Nachkriegsgeschichte. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Wie es so weit kommen konnte? Für viele Ökonomen ist die Antwort schnell gefunden. Haupttreiber der nach oben schnellenden Preise sei der Krieg in der Ukraine, der den Faktor Energie exorbitant verteuert hat. Hinzu kämen ruchlose Spekulanten, die es verstünden, steigende Preise zu Geld zu machen. Gewinne würden die Preise treiben, nicht umgekehrt. Diese Analyse wird uns vorwiegend von jenen serviert, die uns noch immer erklären, dass die maßlose Gelddruckerei der Zentralbanken völlig gefahrlos sei. Dazu zählen nicht nur einschlägig bekannte Obskuranten, sondern auch prominente Fachleute wie Mariana Mazzucato vom University College in London.

Erstmals seit 1952 liegt die Teuerung über zehn Prozent.

Diese These klingt für viele Bürger auch recht schlüssig, leidet allerdings an argumentativen Schwächen. Energie ist zwar ohne jeden Zweifel einer der Gründe, warum das Preisniveau so hoch ist – aber sie ist nicht der wichtigste. Rechnet man Energie und Nahrungsmittel aus der Inflationsrate raus, wären die Preise in Österreich noch immer um sechs bis sieben Prozent höher als im Vorjahr. Dass es die verteuerte Energie allein nicht sein kann, zeigen die USA. Auch dort galoppiert die Inflation fröhlich vor sich hin, obwohl von einer Energiekrise nichts zu sehen ist. In den USA ist die Ursachenforschung deshalb auch deutlich einfacher: Es sind die staatlichen Ausgabenprogramme, die das Preisniveau nach oben peitschen. Schon Donald Trump hatte kurz vor seiner Abwahl versucht, die von der Corona-Pandemie arg gebeutelte Wirtschaft mit kreditfinanzierten Staatsausgaben wieder auf die Beine zu bringen. Sein Nachfolger Joe Biden legte kräftig nach – kein Demokrat will sich von einem Republikaner vorführen lassen, was unter einer anständigen keynesianischen Wirtschaftspolitik zu verstehen ist. Ergebnis: Die vom Staat gestärkte Kaufkraft der Bevölkerung trifft auf ein von den Corona-Lockdowns verknapptes Angebot, die Preise ziehen kräftig an.

Nicht viel anders ist die Lage in Europa. Auch hier heizen die öffentlichen Gelder, die zur Bewältigung diverser Krisen in die Märkte gepumpt werden, die Inflationsraten an. Bestes Beispiel ist Österreich, dessen Regierung das Land in Geld geradezu ertränkt. Ähnliches ist in Deutschland zu beobachten, das 200 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnimmt, um die Bevölkerung vor den Verwerfungen steigender Preise zu schützen. Ein nobler Gedanke, der das Problem aber nicht löst, sondern verschärft: Statt gezielt die Ärmsten zu unterstützen, stärken die Regierungen in Österreich und Deutschland die ohnehin überschießend hohe Nachfrage der breiten Masse, die auf ein noch immer viel zu schwaches Angebot trifft. In den Griff zu kriegen sind die hohen Teuerungsraten aber nur mit einem erhöhten Angebot bei einer gleichzeitig sinkenden Nachfrage. Letzteres dürfte der vor der Tür stehende Abschwung nach unten drücken.  

Für uns alle heißt das nichts Gutes. Wir werden für die verantwortungslose Gelddruckerei der letzten Jahre über sinkende Reallöhne und hohe Wohlstandsverluste zu bezahlen haben, im Extremfall auch noch mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Was wiederum die Politik und die mit ihr verbandelten Ökonomen nicht davon abhält, uns unbeirrt zu erklären, dass die von den Notenbanken finanzierten öffentlichen Ausgaben nicht das Geringste mit der aktuellen Misere zu tun hätten. Aber auch die ausgabenfreudigsten Politiker werden erkennen müssen, dass ihr Plan, die Bevölkerung mit frisch gedrucktem Geld dauerhaft bei Laune zu halten, gescheitert ist. Je eher diese Erkenntnis sickert, desto besser ist es.