Der nächste Preisschock kommt bestimmt
Es ist ein Déjà-vu aus 2023. Wir diskutieren schon wieder über die Frage, wie wir die Inflation senken. Die kletterte im Juli auf 3,6 Prozent. Damit sind wir zumindest unter den westlichen EU-Ländern ein Spitzeninflationsland. Auch wenn wir noch weit weg von den Höchstwerten im Jahr 2023 sind, mit Blick auf die nächsten Lohnverhandlungen stellen sich dem einen oder anderen Industriellen auch bei 3,6 Prozent schon die Nackenhaare auf.
Wie schon vor zwei Jahren führt Österreich eine höchst emotionale Debatte darüber, dass unsere Lebensmittel
immer teurer werden. Und dass wir jetzt aber wirklich, endlich die Teuerung einbremsen müssen, bevor sie uns wieder um die Ohren fliegt.
Als in Folge des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine zuerst die Energiepreise und dann die Lebensmittelpreise explodierten – an manchen Monaten um satte 17 Prozent – zitierte der damalige Kanzler Karl Nehammer Handelsvertreter und Produzenten zu einem Lebensmittelgipfel ins Kanzleramt. Die Prüfer der Bundeswettbewerbsbehörde
(BWB) schwirrten aus und führten die größte Branchenuntersuchung seit Bestehen der Behörde durch. 700 Handelsunternehmen, 1500 Lieferanten und 34 Produktgruppen wurden auf unerlaubte Preisabsprachen und sonstige unfaire Handelspraktiken geprüft. Eine Transparenzplattform für Lebensmittelpreise sollte für mehr Wettbewerb sorgen.
Das Ergebnis all dessen war ernüchternd. Die BWB fand keine Schuldigen für den rapiden Preisanstieg. „Es konnte kein ausreichender Verdacht auf Preisabsprachen festgestellt werden“, sagte Natalie Harsdorf-Borsch, Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde, damals. Alle hatten die Preise erhöht, aber niemand war schuld. Und eine Transparenzplattform, die alle Bürgerinnen und Bürger bei ihrem täglichen Einkauf nutzen, um Preise zu vergleichen und Geld zu sparen, ist mir auch noch nicht untergekommen. Warum sollte es also diesmal anders laufen?
Wettbewerb? Welcher Wettbewerb?
Die Konzentration am österreichischen Lebensmittelmarkt ist wettbewerbsfeindlich. Die vier größten Supermarktketten beherrschen nach wie vor 91 Prozent des Marktes. Dass an jeder Ecke eine Filiale steht und wir EU-weit mitunter die höchste Supermarktdichte haben, wirkt auch nicht preisdämpfend. Den viel zitierten Österreich-Preisaufschlag gegenüber Deutschland, der wegen der territorialen Lieferbeschränkungen durch globale Lebensmittelkonzerne entsteht, muss die EU-Kommission für Österreich und andere betroffene Länder wegverhandeln.
Die schwarz-rot-pinke Regierung geht bei der Inflationsbekämpfung einen anderen Weg als ihre schwarz-grüne Vorgängerin. Die ließ die Teuerung durchrauschen und hatte mit Anti-Teuerungszahlungen die Situation verschlimmbessert. Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) hat jetzt Billa, Spar, Hofer und Lidl wegen mutmaßlich nicht ganz richtig ausgewiesener Rabatte geklagt. Und Vizekanzler Andreas Babler möchte von Finanzminister Markus Marterbauer (beide SPÖ) einen Vorschlag, wie man Lebensmittelpreise vielleicht doch deckeln kann. Beides soll die Wählerinnen und Wähler beschwichtigen. Aber beides wird nicht zu nachhaltig sinkenden Preisen führen.
Preisdeckel bedeuten nicht unbedingt niedrigere Preise – so populär sie in manchen Wählerschichten auch sein mögen. Als Ungarn die Preise für bestimmte Warengruppen deckelte, haben die Supermärkte einfach andere Güter verteuert und das Geld so hereingeholt. Und der Benzinpreisdeckel hat gleich eine massive Treibstoffknappheit im ganzen Land ausgelöst.
Für wirkungsvollere Maßnahmen ist aber kein Geld mehr da; oder sie sind höchst unpopulär. Die Regierung könnte die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken.
Damit entgehen ihr aber Hunderte Millionen Euro, die wir dringend brauchen. Wir stehen erst am Beginn des EU-Defizitverfahrens und müssen heuer sechs Milliarden einsparen.
Man könnte die Gewerkschaft zu Zurückhaltung bei den kommenden Kollektivvertragsverhandlungen aufrufen, damit zumindest die Löhne die Preise nicht weiter in die Höhe treiben. KV-Abschlüsse unter der Inflationsgrenze bedeuten aber nichts weniger als Kaufkraftverluste. Doch 2025 ist ohnehin schon das Jahr der unpopulären Maßnahmen.