Abgang einer Promi-Abgeordneten: Stecken die Neos in der Krise?
Es sind klare Worte, mit denen die langjährige Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper begründet, warum sie „keinen Sinn mehr“ in ihrer parlamentarischen Tätigkeit sehe und daher ihr Mandat zurücklege. Ihre „Herzensthemen“ – Rechtsstaat, Menschrechte, Korruptionsbekämpfung – seien für die Neos nicht prioritär. Noch schlimmer: Die Zustimmung zur Messenger-Überwachung sei eine Kehrtwende. Sie selbst stimmte bekanntlich (mit Nikolaus Scherak, ebenfalls Neos-Promi-Abgeordneter) gegen den schwarz-rot-pinken Gesetzesvorschlag.
Man konnte sich allerdings schon immer die Frage stellen, ob Krisper inhaltlich und ideologisch nicht ohnehin besser zu den Grünen passt; und damit die Diskussion über die Neos beenden. Das griffe aber zu kurz. Krispers Kritik muss als Krisensymptom gewertet werden, schon allein deswegen, weil sie gewiss nicht die einzige mit entsprechenden Vorbehalten ist.
Nikolaus Scherak etwa war mit dem Wechsel von Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ins Außenministerium als Klubobmann gesetzt. Doch er wollte nicht – was als Skepsis gegenüber dem Ergebnis der schwarz-rot-pinken Koalitionsverhandlungen interpretiert werden kann. Während für Krisper die Menschenrechte unterbelichtet blieben, vermissen andere in der Regierungsarbeit Liberalisierungen und echte Reformen. Ein einzelner Neos-Staatssekretär für Entbürokratisierung kann nicht viel ausrichten.
Reifeprüfung
Krispers zentraler Satz in ihrer Abschiedsbotschaft lautet: Sie sei in einem „Loyalitätskonflikt zwischen dem, wofür ich mich als Abgeordnete eingesetzt habe, und den Neos als Regierungspartei.“ Das mag persönlich konsequent sein, aber: Kann es sein, dass Krispers „Loyalitätskonflikt“ in Wahrheit ein politisches Pubertätsproblem ist? Eine reife Zehn-Prozent-Partei erkennt die Realität an, dass sie als kleinster Partner in einer Dreierkoalition Abstriche machen muss.
Zur politischen Reifeprüfung einer Partei gehört es aber auch, dass diese Rolle im Dreiergefüge professionell gestaltet wird. Und daran gibt es Zweifel:
Neos-Staatssekretär Schellhorn ist gerade dabei, sich nach seinem holprigen Start wieder zu fangen.
Das Nachgeben bei Themen wie der Messenger-Überwachung müsste man sich durch das Durchsetzen eigener Positionen kompensieren lassen: Es muss ja nicht gerade die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters sein, aber zum Beispiel eine Reform der Parteienförderung. Doch auch in diesem Thema (in Zusammenhang mit Social-Media-Regeln für Minister) gaben die Neos im Juli gegenüber ÖVP und SPÖ nach.
Weitere Fragen: War es wirklich eine gute Idee, dass Beate Meinl-Reisinger Außenministerin mit ständigen Auslandsaufenthalten wird oder sollte eine Parteichefin nicht eher in Wien sein? Warum sind bei ÖVP (Alexander Pröll) und SPÖ (Michaela Schmidt) Staatssekretäre für die Regierungskoordination verantwortlich und bei den Neos mit Armin Hübner ein (wenn auch einflussreicher) Ministeriumsmitarbeiter?
Dass wichtige Neos-Mitarbeiter wie Kommunikationschef Nikola Donig aktuell aus ihren Jobs ausscheiden, ist auch nicht gerade hilfreich bei der Regierungsarbeit.
Vielleicht sind es die Neos, die mit politischen Pubertätsproblemen kämpfen.