New Yorker Bürgermeister Mamdani: Himmel, ein Muslim!

Israel bekommt ein Problem mit den USA. New Yorks neuer Bürgermeister Zohran Mamdani ist nicht schuld daran.

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Kaum etwas lässt die Fantasie so sehr entgleiten wie der Wahlsieg eines Muslims. Nachdem Zohran Mamdani am Dienstag zum neuen New Yorker Bürgermeister gekürt worden war, postete Harald Vilimsky, FPÖ-Abgeordneter im EU-Parlament mit einer Schwäche für identitäre Dystopien, auf der Plattform X bedeutungsschwanger eine Fotomontage der New Yorker Freiheitsstatue, eingehüllt in eine Burka. Ist es das, was Mamdani vorhat? Verpflichtende Vollverschleierung im Kalifat Big Apple?

Wer nicht ausschließlich „alternative Medien“ konsumiert, hat vielleicht schon einmal ein Foto von Mamdanis Ehefrau Rama Duwaji gesehen. Kennengelernt haben sich die beiden auf der Dating-App Hinge, und Duwaji, von Beruf Illustratorin, trug bei der Hochzeit ein weißes ärmelloses Kleid, dazu wadenhohe schwarze Stiefel und, nein, keinerlei Kopfbedeckung, nicht einmal auf dem Trauungsfoto.

Ein weiterer Verschwörungsmythos, der durch rechte Accounts migriert, besagt, der Sieg Mamdanis sei eine direkte Folge des „Bevölkerungsaustauschs“. Die eingewanderten Muslime würden im Westen die Macht übernehmen. Doch auch dieser Gedanke fristet seine Existenz fernab der Realität. Nach einer Befragung des Instituts Pew Research aus dem Jahr 2023 sind drei Prozent der Bevölkerung von New York City Muslime, andere Studien kommen auf bis zu neun Prozent.

Die Wahrheit über die demografische Zusammensetzung von Mamdanis Mehrheit ist simpel: 76 Prozent der nichtreligiösen Wählerinnen und Wähler stimmten laut einer Exit Poll des Senders CNN für den Muslim, das brachte ihm den Sieg. Bei den drei größten religiösen Gruppen – Protestanten, Katholiken und Juden – lag Mamdani auf Platz zwei, bei den zahlenmäßig wenig entscheidenden Muslimen (die unter „andere Zugehörigkeit“ abgefragt wurden) auf Platz eins.

So viel zu dem rassistischen Unsinn, der sich nach Mamdanis Wahlsieg entspann.

Vorbehaltlose Unterstützung Israels ist in den USA keine politische Notwendigkeit mehr, sondern eher eine Belastung.

Ein tatsächliches Faktum im Zusammenhang mit Mamdanis spektakulärem Erfolg sorgt jedoch in Israel für Unruhe. Der 34-jährige Sozialist, der in einem propalästinensischen Umfeld aufgewachsen ist, weigerte sich im Wahlkampf beharrlich, seine harsche Kritik an Israel abzumildern. Er sprach vom „Genozid in Gaza“, stellte sich hinter die antiisraelische Boykottbewegung BDS und forderte, dass Charity-Organisationen, die illegale jüdische Siedlungen im Westjordanland unterstützen, die Steuerbefreiung gestrichen wird. Die langjährige Erfahrung der politischen Geschichte New Yorks, der Stadt mit der größten jüdischen Bevölkerung der Welt, hätte eigentlich gelehrt: Mit solchen Positionen gewinnt man keine Vorwahl der Demokraten und keine Bürgermeisterwahl.

Doch es kam anders. Prominente jüdische Abgeordnete und auch linke jüdische Organisationen versammelten sich hinter Mamdani. Den alten Lackmustest „Wie stehst du zu Israel?“ verwarfen sie angesichts der aktuellen rechten, teils rechtsextremen Regierung Netanjahu.

Genau das muss Israel Sorgen bereiten. Die Wahl Mamdanis ist lediglich ein Symptom einer offenkundigen Verschiebung der Sympathien im Nahostkonflikt. Nur noch 34 Prozent der US-Bürger stellen sich in einer jüngsten Umfrage der „New York Times“ auf die Seite Israels, 35 Prozent ergreifen für die Palästinenser Partei. Unter den Wählern der Demokraten ist das Verhältnis deutlicher: 54 Prozent bezeichnen sich als propalästinensisch, nur noch 13 Prozent als proisraelisch.

Kein Wunder, die israelische Regierung unter Premier Benjamin Netanjahu hat Ex-US-Präsident Joe Biden, einen der treuesten Freunde Israels, in allen wichtigen Punkten auflaufen lassen: beim Bau von weiteren Siedlungen im Westjordanland ebenso wie in der Frage der Kriegsführung in Gaza. Die israelischen Streitkräfte bombardierten Gazas Städte entgegen allen Warnungen mit den größten Bomben, die ihnen die USA lieferten.

Der nächste demokratische Präsident der USA wird nicht annähernd so israelfreundlich sein, wie Biden es war. Vorbehaltlose Unterstützung Israels ist in den USA keine politische Notwendigkeit mehr, sondern eher eine Belastung. Auch in New York. Nicht weniger als 33 Prozent der New Yorker Jüdinnen und Juden stimmten für Mamdani.

Dass Israels Image im Land seines wichtigsten Verbündeten so desaströs gelitten hat, ist nicht Zohran Mamdanis Schuld.

Robert Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur